Konjunktur

Die Energiepreise steigen, die Insolvenzen nehmen zu und die Konsumausgaben gehen deutlich zurück: Die Zeiten werden härter. Das Ifo-Institut erwartet eine Rezession und steigende Inflation. Das dürfte erstmal einige Zeit so bleiben.

„Wir gehen in eine Winter-Rezession“


Das Ifo-Institut geht von weiter steigenden Inflationsraten und einer schrumpfenden Wirtschaftsleistung in Deutschland aus. Für dieses Jahr rechnen die Münchner Ökonomen mit einer Teuerungsrate von 8,1 Prozent und im kommenden Jahr von 9,3 Prozent. Die Wirtschaft wird nach der am Montag vorgelegten Ifo-Konjunkturprognose in diesem Jahr nur noch um 1,6 Prozent zulegen und im kommenden Jahr sogar um 0,3 Prozent schrumpfen.

„Wir gehen in eine Winter-Rezession“, sagte der Leiter der Ifo-Konjunkturforschung, Timo Wollmershäuser. Die Kürzung der Gaslieferungen aus Russland und die folgenden drastischen Preissteigerungen „verhageln die wirtschaftliche Erholung nach Corona“, sagte er. „Erst 2024 erwarten wir eine Normalisierung mit 1,8 Prozent Wachstum und 2,5 Prozent Inflation.“

Die Konjunkturforscher gehen davon aus, dass die deutsche Wirtschaft im laufenden dritten Quartal stagnieren und dann im Winterhalbjahr schrumpfen wird. „Ausschlaggebend hierfür dürfte ein Rückgang der privaten Konsumausgaben sein“, schreiben sie. Die Energieversorger passten ihre Strom- und Gaspreise Anfang nächsten Jahres spürbar an die hohen Beschaffungskosten an. Das werde die Inflationsrate im ersten Vierteljahr sogar auf etwa 11 Prozent hochtreiben. Damit gingen die realen Haushaltseinkommen kräftig zurück, und die Kaufkraft sinke spürbar.

Das Entlastungspaket dürfte dies bei weitem nicht ausgleichen. „Der Kaufkraftverlust, gemessen am Rückgang der realen Pro-Kopf-Löhne in diesem und im kommenden Jahr um jeweils etwa 3 Prozent, ist so hoch wie nie zuvor seit dem Beginn der heutigen volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen im Jahre 1970“, sagte Wollmershäuser.

Leitzinserhöhung auf 4 Prozent

Dass die Zeiten härter werden, zeigt auch die Insolvenzstatistik. Nach zwei Monaten Abwärtstrend steigt die Zahl der Firmenpleiten in Deutschland wieder. Im August wurden nach vorläufigen Angaben des Statistischen Bundesamtes 6,6 Prozent mehr Regelinsolvenzen beantragt als im Juli. Die Statistiker wiesen am Montag darauf hin, dass die Insolvenzanträge oft erst mit Zeitverzug in die Statistik einfließen.

Auch das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) geht anhand jüngster Daten von steigenden Zahlen aus. „Nach lange Zeit niedrigen Insolvenzzahlen hat nun eine Trendwende eingesetzt“, erklärte IWH-Forscher Steffen Müller in der vergangenen Woche. Von einer drohenden Pleitewelle könne jedoch nicht gesprochen werden.

Nach Einschätzung des Ifo-Instituts wird die Industrie ihre hohen Auftragsbestände in den kommenden Quartalen allmählich abarbeiten. Die Bauwirtschaft dagegen werde von den steigenden Finanzierungskosten gebremst. Bis Ende kommenden Jahres rechnet das Ifo-Institut mit einer Leitzins-Erhöhung auf 4 Prozent. Der Staatshaushalt werde auch 2023 und 2024 im Defizit bleiben: „Die Entlastungspakete, die steigenden Zinsausgaben und die konjunkturelle Abkühlung verschieben die bislang erwartete Konsolidierung der Staatsfinanzen auf die lange Bank.“

Energiepreise könnten wieder sinken

Für den kommenden Winter rechnet das Ifo-Institut damit, dass genügend Gas zur Verfügung stehen wird. Ab dem Frühjahr sollten die Energiepreise wieder sinken, und im weiteren Verlauf des Jahres schwäche sich der Preisanstieg allmählich ab. Wegen neuer Tarifverträge mit steigenden Löhnen dürfte die Kerninflationsrate zwar hoch bleiben – aber auch die realen Haushaltseinkommen dürften ab Mitte 2023 wieder steigen, „was die Konsumkonjunktur beleben wird“.

Für den Arbeitsmarkt erwartet das Ifo-Institut keine schweren Auswirkungen. Der Beschäftigungsaufbau werde sich nur vorübergehend verlangsamen. Die Zahl der Arbeitslosen dürfte im kommenden Jahr zwar um 50.000 Personen steigen. Aber das gehe vor allem auf Ukrainer zurück, die nur allmählich in den Arbeitsmarkt integriert würden.

320°/dpa/re

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