Abschlusserklärung

Auf der Weltklimakonferenz beugen sich die Delegierten über Eckpunkte für das Abschlusspapier. Erneut sind sich die Staaten uneins. Die Klimakonferenz droht mit einer großen Enttäuschung zu enden.

Die Klimakonferenz, eine Baustelle


Zu lasch, zu lang und in sich widersprüchlich: Mit teils scharfer Kritik haben Umweltorganisationen und Dutzende Regierungsvertreter auf Eckpunkte für die Abschlusserklärung des UN-Klimagipfels in Ägypten reagiert. In dem 20-seitigen Papier mit vielen ungeklärten Streitfragen wird zwar ein schrittweiser Ausstieg aus der klimaschädlichen Kohle eingefordert – aber nicht der Abschied von Öl und Gas.

Ungelöst blieb am Donnerstag auch die Streitfrage, ob arme Staaten von den Industriestaaten Ausgleichszahlungen bekommen für unabwendbare Klima-Schäden – etwa nach Dürren, Überschwemmungen und Stürmen. Diese Wetterextreme werden wegen der Erderhitzung heftiger und häufiger und treffen gerade arme Staaten am schlimmsten. Die Eckpunkte der Abschlusserklärung wurde den Vertretern von etwa 200 Staaten frühmorgens von der ägyptischen Konferenzleitung vorgelegt – einen Tag vor dem geplanten Ende des Mammuttreffens in Scharm el Scheich. Klimaschützer sprachen von einer „Baustelle“ und vielen offenen Fragen, doch sahen auch Lichtblicke.

Der geschäftsführende Vorstand von Greenpeace Deutschland, Martin Kaiser, sagte, der weltweite Ausstieg aus Öl und Gas müsse jetzt „mit Hochdruck“ in das Dokument eingearbeitet werden. Dafür müsse sich auch Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) persönlich einsetzen. „Es wäre absolut inakzeptabel, wenn am Ende einer zweiwöchigen Klimakonferenz inmitten des Klimakollaps maximal die Ergebnisse aus dem Vorjahr wiederholt würden.“

Baerbock hatte tags zuvor betont, die Klimakonferenz müsse Signale für den Abschied von Kohle, Öl und Gas setzen. Es lohne sich, „um jedes Zehntel Grad weniger Erderwärmung zu kämpfen“.

Streit um Ausgleichszahlungen

Der Oxfam-Experte Jan Kowalzig sagte der Deutschen Presse-Agentur, es wäre „ein großes Versäumnis“, wenn die Konferenz kein klares Signal zur Abkehr von allen fossilen Energien aussende. Der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Johan Rockström, kritisierte, dass etwa Saudi-Arabien beim Klimaschutz nicht über fossile Energieträger sprechen wolle. Das sei so wie zu sagen, dass sich die Wirtschaft nicht um Geld drehe.

Im Ringen um Ausgleichszahlungen für Klimaschäden schlugen Entwicklungsländer und besonders bedrohte Inselstaaten Alarm – und nahmen Industrieländer wie Deutschland in die Pflicht. „Warum sollten wir den höchsten Preis zahlen?“, fragte Molwyn Joseph, der für Antigua und Barbuda die Gruppe der kleinen Inselstaaten vertritt. Ein Fonds zum Ausgleich für Klimaschäden müsse jetzt auf dieser Konferenz beschlossen werden. Alles andere wäre „nicht weniger als Betrug“.

Die pakistanische Klimaministerin Sherry Rehman warnte: „Die Uhr tickt – nicht nur für diese COP, sondern auch für die Menschheit.“ Sie vertritt die Gruppe der G77 – einen Zusammenschluss von mittlerweile mehr als 130 Entwicklungsländern. Die feste Einrichtung eines Finanztopfs sei das Mindeste, was kommen müsse, sagte Rehman.

China soll zahlen

Außenministerin Baerbock nahm auch China in die Pflicht, das mengenmäßig weltweit am meisten Treibhausgase ausstößt. Die Volksrepublik müsse dann auch für die Schäden der Zukunft mit aufkommen, „wenn sie nicht bereit sind, ihre eigenen Emissionen in Zukunft radikal herunterzubringen“, sagte sie RTL und n-tv. Ähnlich äußerte sich EU-Kommissionsvize Frans Timmermans.

Tom Evans von der Klima-Denkfabrik E3G bescheinigte der ägyptischen Präsidentschaft, keine „einheitliche Vision“ für Kompromisslinien zu haben. „Wir sind nicht dort, wo wir sein müssen.“

Oxfam-Experte Kowalzig rügte, es würden keine brauchbaren Schlussfolgerungen daraus gezogen, dass die Pläne zu lax sind. „Diesbezüglich fehlt dem Text erheblich an Dringlichkeit und politischem Willen, das Ruder noch herumzureißen, bevor die wichtige 1,5°C-Grenze außer Reichweite gerät.“

2015 hatten die Staaten in Paris vereinbart, die Erwärmung möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen, im Vergleich zur vorindustriellen Zeit. Die Welt hat sich nun schon um gut 1,1 Grad erwärmt, Deutschland noch stärker. Ein Überschreiten der 1,5-Grad-Marke erhöht nach Warnungen der Wissenschaft deutlich das Risiko, sogenannte Kippelemente im Klimasystem und damit unkontrollierbare Kettenreaktionen auszulösen.

David Ryfisch von Germanwatch sagte der dpa, die COP27 sei weit von einem Ergebnis entfernt, das alle mittragen können. „Besorgniserregend ist, dass der Vorschlag an einigen Stellen hinter die Ergebnisse des letztjährigen Weltklimagipfels zurückfällt.“ Positiv hingegen sei der starke Bezug auf die Ergebnisse des Weltklimarats IPCC und auf den Bedarf für eine Reform der internationalen Finanzarchitektur, damit alle Geldströme in Richtung Klimaschutz fließen.

Die französische Diplomatin Laurence Tubiana, die als Architektin des Pariser Klimaabkommens von 2015 gilt, machte Druck auf die Verhandler und sagte: „Stoppt die Heuchelei und Spielereien zu entscheidenden Fragen!“ Die zweiwöchige Konferenz, zu der etwa 34.000 Menschen angereist sind, soll planmäßig am Freitag enden. Eine Verlängerung gilt als wahrscheinlich.

320°/dpa

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