Konjunktur

Wirtschaftsminister Habeck hat gute Nachrichten im Gepäck: Die schlimmsten Szenarien über einen Einbruch der Konjunktur treten nicht ein. Doch viele Risiken bleiben. Habeck wirbt für eine „transformative Angebotspolitik“.

Leichtes Aufatmen in Krisenzeiten – Habeck hebt Konjunkturprognose an


Die Bundesregierung sieht die Gefahr einer tiefen Rezession in Deutschland infolge des Ukraine-Kriegs und hoher Energiepreise gebannt. Es sei gelungen, eine schlimme Wirtschaftskrise abzuwenden, sagte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Mittwoch in Berlin. Er begründete dies auch mit der „Entschlusskraft“ der Regierung und der Bereitschaft, ungewöhnlich große Entscheidungen zu treffen. Die Bundesregierung hatte in den vergangenen Monaten milliardenschwere Hilfen für Unternehmen und Haushalte beschlossen.

Die Krise sei beherrschbar geworden, aber noch lange nicht vorbei, sagte Habeck bei der Vorstellung des Jahreswirtschaftsberichts. Die Bundesregierung geht davon aus, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in diesem Jahr um 0,2 Prozent zulegt. Im Oktober hatte die Regierung noch damit gerechnet, dass die Wirtschaft in diesem Jahr um 0,4 Prozent schrumpft.

Einen tiefen Konjunktureinbruch in diesem Jahr werde es nicht geben, so Habeck. Die schlimmsten Szenarien seien verhindert worden. So seien die Gasspeicher gefüllt, neue Terminals zum Import von Flüssigerdgas (LNG) errichtet, die Märkte stabilisiert worden. Allerdings bestünden nach wie vor hohe Belastungen, so unter anderem die wirtschaftlichen Folgen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine, die schwache Entwicklung der Weltwirtschaft sowie die im Vergleich zum Vorkrisenniveau anhaltend hohen Energiepreise und Inflationsraten.

Grafik: picture alliance/dpa-Infografik

Die Bundesregierung rechnet damit, dass die Inflationsrate in diesem Jahr sinkt – aber auf einem hohen Niveau bleibt. Für den Jahresdurchschnitt 2023 wird ein Anstieg der Verbraucherpreise um 6,0 Prozent im Vergleich zum Vorjahr erwartet. Dämpfend auf die Inflationsrate wirkten sich die Strom- und Gaspreisbremsen aus.

Zugleich aber heißt es: „Die mit den hohen Preissteigerungen verbundenen realen Einkommens- und Kaufkraftverluste werden trotz der entlastenden Wirkungen der umfangreichen staatlichen Stützungsmaßnahmen die binnenwirtschaftliche Entwicklung belasten.“ Vor allem der private Konsum dürfte nach den pandemiebedingten Nachholeffekten im vergangenen Jahr merklich nachgeben.

Belastend wirkt sich auch der Fachkräftemangel aus. In Deutschland gebe es derzeit 800 000 offene Stellen, sagte Habeck. Die Fachkräftesicherung sei eine entscheidende Aufgabe, künftig soll unter anderem die Zuwanderung ausländischer Fachkräfte erleichtert werden.

„Transformative Angebotspolitik“

Um die Wirtschaft beim Umbau hin zu einer klimafreundlicheren Produktion zu unterstützen, prägte Habeck den Begriff der „transformativen Angebotspolitik“. Für Investitionen in Klimaschutz sollen öffentliche Investitionen steigen und es soll privates Kapital mobilisiert werden, durch Anreize etwa im steuerlichen Bereich. So arbeitet die Bundesregierung an einer Investitionsprämie.

Fragen zu einer Unternehmenssteuerreform, wie sie Wirtschaftsverbände unter Verweis auf eine im internationalen Vergleich hohen Steuerlast fordern, wich Habeck aber eher aus und verwies auf Haushaltszwänge. Stattdessen betonte er Instrumente wie sogenannte Klimaschutzverträge, mit denen der Staat Unternehmen helfen will. Auch das kostet viele Milliarden.

„Warnsignale nehmen ständig zu“

Wirtschaftsverbände sehen die globale Wettbewerbsfähigkeit deutscher Firmen zunehmend gefährdet. Gesamtmetall-Hauptgeschäftsführer Oliver Zander sagte: „Erfreulicherweise ist die Lage etwas besser als zu zuletzt befürchtet. Dennoch nehmen die Warnsignale für den Standort Deutschland ständig zu“. Die Abwanderungen von Unternehmen ins Ausland und Produktionsverlagerungen aufgrund von Bürokratie, Energiepreisen, Arbeitskosten und Infrastruktur seien konkret.

DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben sagte, zwar sei eine tiefe Rezession zum Glück bisher ausgefallen. Die Unsicherheit der Unternehmen bleibe aber weiter hoch, unter anderem wegen der hohen Energiepreise. „Hinzu komen die langfristigen Herausforderungen aus Struktur- und Klimawandel, demografischer Entwicklung und Digitalisierung. Deutschland muss dringend bei den Investitionen drei Gänge nach oben schalten.“

320°/dpa

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