Neuer Industrieplan

In den USA und China werden Unternehmen mit gewaltigen Summen subventioniert. Wie soll die EU darauf reagieren? EU-Kommissionschefin von der Leyen hat einen ersten Vorschlag vorgelegt. Es geht um klimafreundliche Technologien und viele hundert Milliarden Euro.

Sorge um Industriestandort EU: Von der Leyen sieht Milliardenbedarf


Die EU fürchtet angesichts milliardenschwerer Staatshilfen in den USA und China um die heimische Wirtschaft. Jetzt legt Brüssel nach: Ein neuer Industrieplan soll es ermöglichen, wettbewerbsfähig zu bleiben und klimafreundliche Technologien in der EU zu fördern.

  • Warum muss die EU reagieren? 

Die Welt muss klimafreundlicher werden, um die Lebensgrundlagen zu erhalten. Weil man damit bereits spät dran ist, wird nun umso entschiedener um wichtige Industriezweige gekämpft. Das sind etwa die Energieproduktion aus Sonne und Wind, aber auch umweltfreundliche Autos oder Technologien für nachhaltiges Heizen. Verschiedene Akteure wie die USA, China, Japan oder Indien locken Unternehmen mit enormen Summen, damit diese Industriezweige bei ihnen ausgebaut werden. Die Idee dahinter: Die Investitionen rentieren sich, indem gute Arbeitsplätze entstehen und Produkte weltweit verkauft werden können. Die Angst Europas ist, in diesem Rennen abgehängt zu werden.

  • Wie wird die EU reagieren?

Das steht noch nicht genau fest, aber es gibt jetzt einen ersten Vorschlag von EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen. Im Grunde soll auch hierzulande die Industrie mit einem dreistelligen Milliardenbetrag gefördert werden. Zudem ist das Ziel, bürokratische Hürden abzubauen. Zunächst sollen bestehende EU-Mittel genutzt und die Regeln für staatliche Beihilfen gelockert werden. Eigentlich sind letztere in der EU relativ streng. Im Zuge der Corona-Pandemie und um Folgen von Russlands Krieg gegen die Ukraine abzufedern, waren sie aber schon entschärft worden. Debatten gibt es etwa noch darum, inwiefern frisches Geld – etwa in Form gemeinsamer Schulden – genutzt werden soll.

Generell will die EU-Kommission den EU-Staaten mehr Freiheiten geben, um Subventionen zu gewähren. Diese seien aber auf bestimmte Gebiete begrenzt und befristet. Vorgesehen ist, dass die Beihilferegeln bis Ende 2025 gelockert werden könnten. „Wir brauchen diesen ersten Finanzierungsschritt jetzt, also können wir nicht zu lange warten“, sagte von der Leyen mit Blick auf staatliche Beihilfen.

  • Was bedeutet der Konkurrenzkampf für Bürgerinnen und Bürger?

Die direkten Auswirkungen sind kurzfristig wohl überschaubar, langfristig aber nicht. Es geht darum, gut bezahlte Industriearbeitsplätze zu erhalten und neue aufzubauen. Die EU-Kommission betont etwa, dass in grünen Wirtschaftsbereichen zwischen 2000 und 2019 rund 1,3 Millionen Jobs entstanden seien. Allein die Batterieindustrie schätze, dass bis 2025 um die 800.000 neue Arbeitskräfte gebraucht würden.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) fordert, dass staatliche Förderungen an Bedingungen geknüpft sein müssen, damit sie für die Menschen ein besseres Leben bringen. Als Beispiel nannte die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi Beschäftigungssicherungen.

  • Sollen durch den Plan auch Energiepreise sinken?

Ja, es soll eine zuverlässige Energieversorgung gewährleistet werden. Der Krieg gegen die Ukraine und die in diesem Zuge stark gestiegenen Energiepreise haben die Abhängigkeit Europas von fossilen Brennstoffen deutlich gemacht. Energie soll künftig „Made in Europe“ und Preise sollen damit weniger anfällig für geopolitische Spannungen sein. Zudem ist der Plan Teil der EU-Klimaschutzbemühungen. Wenn die Klimakrise weiter voranschreitet, wird etwa Extremwetter wahrscheinlicher und die Lebensmittelversorgung schwieriger.

  • Welche Auswirkungen hat die Reaktion für Europa und Deutschland?

Wirtschaftsvertreter loben, dass nun ein Fahrplan vorliegt, wie Wirtschaft in der EU gestärkt werden kann. „Der Industriestandort Europa steht an einem kritischen Punkt“, betont etwa der Bundesverband der Deutschen Industrie. Die Deutsche Industrie und Handelskammer teilte mit, dass man noch abwarten müsse, wie sich das Vorhaben entwickle.

Der SPD-Europaabgeordnete Matthias Ecke sieht auch große Chancen für Ostdeutschland. Die Industrie wolle gerade dort investieren. „Dafür verbessern wir in Brüssel gerade die Bedingungen.“ Der Verband der Automobilindustrie (VDA) sieht in den Vorschlägen das Potenzial, gute Industriearbeitsplätze in Deutschland zu erhalten. Nun müsse das Vorhaben schnell umgesetzt werden.

  • Wie geht es weiter?

Die Vorschläge werden jetzt in den EU-Hauptstädten analysiert. Nächste Woche kommen dann die Staats- und Regierungschefs in Brüssel zusammen und sprechen über das Vorhaben. Diskussionen dürfte es vor allem darum geben, wie kleine EU-Staaten im Wettbewerb mit großen Ländern wie Deutschland und Frankreich nicht benachteiligt werden. Nächsten Monat will die EU-Kommission dann Rechtstexte vorlegen. Auch diesen müssen die EU-Staaten zustimmen. Änderungen am bisherigen Fahrplan sind also möglich.

320°/dpa

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