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Ist die Kernfusion eine Energiequelle der Zukunft? Wissenschaftler sind zurückhaltend, doch Bayerns Ministerpräsident Söder glaubt daran. Er hat einen „Bayerischen Masterplan“ vorgelegt.
Bayern legt Masterplan für Kernfusion vor
Bayern will die Erforschung der Kernfusion als mögliche Energiequelle der Zukunft mit einem eigenen Programm vorantreiben. Eineinhalb Wochen vor der Landtagswahl stellten Ministerpräsident Markus Söder und Wissenschaftsminister Markus Blume (beide CSU) am Donnerstag im Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Garching einen „Bayerischen Masterplan zur Förderung der Kernfusion und neuer Kerntechnologien“ vor.
Mit fünf Maßnahmen sollen die Kompetenzen im Freistaat ausgebaut werden. Zudem kündigte Söder 100 Millionen Euro für die Fusionsforschung bis 2028 an. Der Plan sieht auch den Bau eines Demonstrationskraftwerks in Garching innerhalb von zehn Jahren vor.
Die Grünen kritisierten Söders Vorstoß. „Statt den Ausbau der Erneuerbaren ehrlich anzupacken, träumt er von der Kernfusion“, sagte Landtagsfraktionschef und Spitzenkandidat Ludwig Hartmann. „Die mag vielleicht in Jahrzehnten einen Beitrag zur Energieversorgung leisten – doch selbst das ist nur eine Hoffnung mit vielen Fragezeichen. Wir brauchen jetzt Energie. Wind und Sonne sind überall unbegrenzt vorhanden, wir können sie sofort beernten.“ Söders Initiative koste die Menschen in Bayern am Ende bares Geld.
Wissenschaftler zweifeln an rascher Umsetzung
Söders Plan sieht die Einrichtung eines „Think Tanks“ und eines Expertengremiums als Vorläufer eines „Bavarian Fusion Clusters“ vor. Eingebunden werden sollen Universitäten, außeruniversitäre Forschungseinrichtungen, Industrieunternehmen und Start-ups. Ziel ist es, Bayern zu einem wissenschaftlichen Hotspot der Kernfusionsforschung zu machen. Der Plan sieht auch eine Ausbildungsoffensive an den Hochschulen mit sechs neuen Lehrstühlen und ein Fusionsförderprogramm vor.
„Wir glauben daran, dass Kerntechnologie Zukunft hat“, sagte Söder. „Wir steigen ein in die Mission Kernfusion.“ Bayern wolle hier Vorreiter sein, als Partner mit anderen – aber als Impulsgeber von Bayern aus.
Blume sagte, bereits zum kommenden Wintersemester werde es erstmals ein Studienangebot zur Kernfusion geben. Das Rennen sei eröffnet. „Wir brauchen eine nationale und europäische Strategie. Wir würden gerne mit anderen Partnern auf die Überholspur wechseln.“
Der Wissenschaftsminister hält es für denkbar, dass im Jahr 2040 Strom aus Kernfusion gewonnen werden kann. Wissenschaftler, unter anderem in Garching, erwarten dagegen, dass dies erst in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts möglich sein wird. Und sie vermuten, dass die Kernfusion wohl erst 2040 oder 2045 zur Klimaneutralität beitragen wird. Start-ups hingegen haben ehrgeizigere Pläne, einige sprechen von einem Einsatz schon in zehn Jahren.
Weltweite Forschungen
Erst kürzlich hat das Bundesforschungsministerium ein neues Förderprogramm in Höhe von 370 Millionen Euro angekündigt, mit dem in den nächsten fünf Jahren mehr als eine Milliarde Euro in die Fusionsforschung investiert werden soll.
Bei der Kernfusion werden, anders als in den Reaktoren herkömmlicher Kernkraftwerke, kleine Atomkerne bei extremen Temperaturen verschmolzen statt gespalten – man spricht von Fusion. Ein ähnlicher Prozess findet in Sternen und damit auch in der Sonne statt. Dabei kommen teils Laser, teils Magnete zum Einsatz. Theoretisch ließen sich damit riesige Mengen Energie erzeugen – und das klimaneutral.
Forschungen dazu laufen weltweit. Unter anderem baut eine internationale Forschergemeinschaft – auch aus Russland und China – seit 2007 in Frankreich am gemeinsamen Fusionsforschungsreaktor ITER. Er soll mehr Fusionsenergie freisetzen, als zum Zünden der Reaktion nötig ist, aber noch keinen Strom liefern.
Ende vergangenen Jahres meldeten US-Forscher einen Durchbruch: Erstmals wurde in einem Experiment mehr Fusionsenergie erzeugt, als an Laserenergie aufgewendet werden musste.