Konjunktur
Deutschland muss weiter auf den Aufschwung warten. Nach der Haushaltseinigung der Ampelkoalition rechnen Wirtschaftsforscher für das kommende Jahr mit einem deutlich schwächeren Wachstum. Sie kritisieren die Bundesregierung scharf.
Nach der Haushaltseinigung: Wirtschaftsforscher senken Prognosen
Die drei Forschungsinstitute IWH, DIW und Ifo haben ihre Prognosen für die deutsche Wirtschaft im kommenden Jahr deutlich gesenkt und die Politik kritisiert. Das Leibnitz-Institut IWH in Halle rechnet für das kommende Jahr nur noch mit einem Wirtschaftswachstum von 0,5 Prozent. Im September hatte das Institut für 2024 noch ein Wachstum von 0,9 Prozent prognostiziert.
Das DIW kürzte die Wachstumsprognose für 2024 von 1,2 auf 0,6 Prozent, das Münchner Ifo-Institut von 1,4 auf 0,9 Prozent, wie aus den am Donnerstag vorgelegten Prognosen der Institute hervorgeht.
Aber „wahrscheinlich ist die vorliegende Prognose zu optimistisch“, fügte Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser hinzu. Sollte der Haushalt 2024 um 20 Milliarden Euro gekürzt werden, würde die Wachstumsrate auf 0,7 Prozent fallen. Die aktuelle Wirtschafts- und Finanzpolitik sei widersprüchlich und nicht verlässlich, sagte Wollmershäuser.
„Das fehlt ein Konzept völlig“
Auch das DIW erwartet von den Haushaltsbeschlüssen der Bundesregierung eher Gegenwind: „Es wurde eine klare Priorität gegen Investitionen gesetzt. Das dürfte die wirtschaftliche Entwicklung langfristig bremsen und die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands gefährden“, sagte DIW-Präsident Marcel Fratzscher.
Ifo-Präsident Clemens Fuest sagte, die Wachstumsaussichten der deutschen Wirtschaft seien auch in den kommenden Jahren schwach. Die Regierung habe überhaupt keine Strategie dagegen: „Da fehlt ein Konzept völlig.“
Das IWH erklärte, die Auto- und Chemieindustrie hätten durch die Elektrifizierung und die hohen Energiepreise an Wettbewerbsfähigkeit verloren. Die Realeinkommen seien gesunken und es herrsche Unsicherheit über den finanzpolitischen Kurs. IWH-Vizepräsident Oliver Holtemöller warnte vor einem Vertrauensverlust, wenn die Regierung zugesagte Subventionen wieder zurücknehme: Das könnte „die Konsum- und Investitionsbereitschaft in Deutschland stärker belasten als in der vorliegenden Prognose unterstellt“.
Unsicherheit verzögert Erholung
Die Entwicklung im laufenden Quartal sei schwächer als erwartet, und „das wirkt sich dann auch im kommenden Jahr aus“, sagte Ifo-Konjunkturchef Wollmershäuser. Die Unsicherheit verzögere die Erholung weiter: Die Verbraucher sparten, die Investitionsbereitschaft der Unternehmen sinke.
Dabei seien die Weichen grundsätzlich auf Erholung gestellt: Die Löhne stiegen kräftig, die Beschäftigung sei so hoch wie nie zuvor, sagte Wollmershäuser. Der Preisauftrieb verlangsame sich, die Inflation dürfte von knapp sechs Prozent in diesem Jahr auf gut zwei Prozent im nächsten Jahr sinken.
Auch das Zinsniveau sinke wieder. Die Kaufkraft kehre zurück, die gesamtwirtschaftliche Nachfrage sollte wieder zulegen. Für 2025 erwartet das Ifo-Institut ein Wirtschaftswachstum von 1,3 Prozent.