Finanzieller Ausgleich

Das Tanken und Heizen mit Öl oder Gas wird teurer: Mit einem höheren CO2-Preis will die Bundesregierung Anreize für klimafreundliche Alternativen setzen. Doch der soziale Ausgleich lässt auf sich warten. Kommt er überhaupt?

Höherer CO2-Preis: Zweifel am Klimageld wachsen


Heizen und Tanken wird zum Jahreswechsel teurer. Der CO2-Preis steigt von 30 auf 45 Euro pro Tonne –geplant war eigentlich eine Erhöhung auf 40 Euro, doch im Ringen um den Haushalt einigte sich die Ampel-Koalition darauf, den CO2-Preis zum 1. Januar stärker anzuheben. In den kommenden Jahren soll der CO2-Preis weiter steigen, um klimafreundliche Alternativen attraktiver zu machen.

Der CO2-Preis wird in Deutschland seit 2021 auf alle fossilen Energieträger wie Heizöl, Erdgas, Benzin und Diesel erhoben. Der Ökonom und Klimaexperte Matthias Kalkuhl, der an der Universität Potsdam und am Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change arbeitet, geht davon aus, dass sich der CO2-Preis positiv auf den Klimaschutz auswirken wird.

Zwar gebe es für Deutschland noch keine verlässlichen Daten. „Jedoch wissen wir aus einer Vielzahl von empirischen Untersuchungen für die EU, China und Nordamerika, dass allein die Einführung von CO2-Preisen – auch wenn die Preise anfänglich niedrig sind – zu bedeutsamen Emissionsreduktionen geführt hat“, sagt Kalkuhl. „Wir gehen daher davon aus, dass auch in Deutschland die Emissionen dadurch bereits gesenkt wurden.“

Dennoch müsse der CO2-Preis noch stärker steigen, um Verhaltensänderungen zu bewirken. „Damit sich mehr Bürger von fossilen Heizungen und Verbrennerautos verabschieden, müsste er deutlich höher sein als vom Bundeskanzler und den Ministern nun geplant“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur.

Grafik: picture alliance/dpa-Infografik

Das von der Ampel-Regierung versprochene Klimageld, mit dem insbesondere Bürgerinnen und Bürger mit niedrigem CO2-Fußabdruck entlastet werden sollen, ist dagegen noch nicht in Sicht. Dabei hatten SPD, Grüne und FDP bereits vor zwei Jahren im Koalitionsvertrag vereinbart, dass die Bürgerinnen und Bürger einen finanziellen Ausgleich für den steigenden CO2-Preis erhalten sollen. Doch angesichts knapper Kassen ist plötzlich fraglich, ob sich der Bund das überhaupt leisten kann.

„Hohe CO2-Preise bergen enormen sozialen und politischen Sprengstoff – wenn die Einnahmen aus der Bepreisung nicht an die Bevölkerung zurückerstattet werden“, warnt Ökonom Kalkuhl. Die Zeit für ein Konzept dränge, da Deutschland seine Klimaziele wohl nicht erreichen werde.

Für die technische Umsetzung ist Finanzminister Christian Lindner (FDP) zuständig. In seinem Ministerium sieht man sich voll im Zeitplan. Vereinbart sei, dass der Auszahlungsweg in dieser Legislaturperiode geschaffen werde, sagte Staatssekretärin Katja Hessel der Deutschen Presse-Agentur. „Der Mechanismus wird planmäßig bis 2025 zur Verfügung stehen.“

Der finanzielle Spielraum ist eng

Bisher gibt es für den Bund keine Möglichkeit, Geld direkt auf das Konto der Bürgerinnen und Bürger zu überweisen. Dazu muss der Bund die Steueridentifikationsnummer, die jeder bei der Geburt erhält, mit einer Kontonummer verknüpfen. Außerdem ist nur eine bestimmte Anzahl von Überweisungen pro Tag möglich.

Zumindest beim ersten Problem will man jetzt vorankommen: „Voraussichtlich bis Ende 2024 wird zur Steuer-Identifikationsnummer aller Bürgerinnen und Bürger, die bereit dazu sind, eine dazugehörige IBAN gespeichert sein“, heißt es aus dem Finanzministerium. Das bedeute aber nicht, dass dann auch Klimageld ausgezahlt werde. Politisch sei die Ausgestaltung des Klimageldes noch nicht entschieden, so Hessel.

Letztlich sei das Klimageld auch eine Frage der verfügbaren Mittel. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sagte der „Welt“: „Ich wüsste nicht, wie man das unter den derzeitigen Bedingungen noch finanzieren sollte.“ Geboten sei es aber mehr denn je.

Kommt das Klimageld überhaupt?

Auch SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch sieht den Spielraum durch das Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts stark eingeschränkt. Die Einnahmen aus dem CO2-Preis müssten zunächst die nun fehlenden Mittel für Förderprogramme und andere Maßnahmen zum Klimaschutz und zur Modernisierung der Wirtschaft ersetzen, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Staatssekretärin Hessel regte eine Reform der Förderpolitik an. „Momentan sind alle Einnahmen aus dem CO2-Preis für Fördermaßnahmen im Klimabereich oder für Subventionen wie die Förderung von Chipfabriken verplant“, sagt sie. Wolle man ein Klimageld auszahlen, müsse die Förderpolitik grundlegend geändert werden.

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sieht in solchen Aussagen eine versteckte Botschaft. Wenn die FDP aus dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts die Konsequenz ziehe, dass es kein Klimageld geben werde, „dann muss sie das offen sagen“, mahnte er zuletzt in einem Interview mit „Stuttgarter Zeitung“ und „Stuttgarter Nachrichten“.

Vorstoß der Verbraucherzentralen: 139 Euro für jeden

Ursprünglich sollte das Klimageld die sozialen Folgen abfedern. Zuletzt argumentierte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), die Bürger würden bereits entlastet, weil der Staat die EEG-Umlage auf den Strompreis übernehme. Fast alle Einnahmen aus der CO2-Bepreisung kämen so wieder bei den Menschen an. Im Koalitionsvertrag hatte die Ampel-Regierung allerdings festgehalten, dass das Klimageld als „sozialer Ausgleichsmechanismus über die Abschaffung der EEG-Umlage hinaus“ entwickelt werden soll.

Nach Ansicht von Verbraucherschützern geht Habecks Rechnung nicht auf. Die Gesamteinnahmen durch den CO2-Preis seien deutlich höher als die Entlastung bei der EEG-Umlage, argumentiert der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv).

Rechnerisch stünde jedem Bürger für die vergangenen drei Jahre demnach ein Klimageld von 139 Euro zu. Eine vierköpfige Familie würde 556 Euro erhalten. Bei der aktuellen Einwohnerzahl Deutschlands müsste der Bund rund 11,76 Milliarden Euro in die Hand nehmen. Doch im Haushalt für das kommende Jahr, so argumentieren Haushaltspolitiker, gebe es diesen Spielraum nicht.

Auch politisch sind die Details des Klimageldes noch offen. So hatten die Grünen in ihrem Wahlprogramm 2021 gefordert, den Ausgleich erst ab einem CO2-Preis von 60 Euro pro Tonne zu zahlen. Davon ist man noch weit entfernt.

320°/dpa/re

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