Gerichtsurteil
Mit dem Begriff Klimaneutralität lässt sich gut werben. Allerdings muss der Begriff auch erklärt werden. Das hat jetzt der Bundesgerichtshof klargestellt.
BGH: Werbung muss erklären, was „klimaneutral“ bedeutet
Wenn Unternehmen mit einem mehrdeutigen umweltbezogenen Begriff werben, muss schon in der Werbung erklärt werden, was der Begriff konkret bedeutet. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einem am Donnerstag verkündeten Urteil klargestellt.
Im konkreten Fall ging es um eine Werbung mit dem Begriff „klimaneutral“. Der Lakritz- und Fruchtgummihersteller Katjes hatte in einem Lebensmittel-Fachblatt mit diesem Begriff geworben. Der Herstellungsprozess selbst ist zwar nicht emissionsfrei, aber das Unternehmen unterstützt über einen Umweltberater Klimaschutzprojekte zum Ausgleich.
Keine gleichwertigen Maßnahmen
Die Frankfurter Wettbewerbszentrale hatte geklagt, weil sie die Werbung für irreführend hält. Dem Verbraucher würden wichtige Informationen vorenthalten – etwa darüber, wie die Klimaneutralität erreicht wird.
Das höchste deutsche Zivilgericht gab den Klägern am Donnerstag recht und verurteilte Katjes zur Unterlassung der Werbung. Eine Erläuterung des Begriffs „klimaneutral“ sei vor allem deshalb erforderlich, weil die Reduktion von CO2-Emissionen und deren Kompensation keine gleichwertigen Maßnahmen zur Herstellung von Klimaneutralität seien.
Auch wettbewerbsrechtlich relevant
Der Bundesgerichtshof stellte fest, dass das Oberlandesgericht bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigt habe, dass die Irreführungsgefahr bei umweltbezogener Werbung besonders groß sei. In diesem Bereich bestehe – ähnlich wie bei der gesundheitsbezogenen Werbung – ein erhöhtes Informationsbedürfnis der Verbraucher. Aufklärende Informationen außerhalb der Werbung, z.B. auf der Internetseite des Unternehmens, reichten daher nicht aus.
Eine Erläuterung des Begriffs „klimaneutral“ ist nach Ansicht der Richterinnen und Richter vor allem deshalb erforderlich, weil die Reduktion von CO2-Emissionen und die Kompensation dieser Emissionen keine gleichwertigen Maßnahmen zur Herstellung von Klimaneutralität seien. Für den Klimaschutz sei die Reduktion gegenüber der Kompensation vorrangig. Die Irreführung sei auch wettbewerbsrechtlich relevant, da die vermeintliche Klimaneutralität für die Kaufentscheidung der Verbraucher von erheblicher Bedeutung sei.
Strengere Anforderungen für grüne Werbung
Katjes hatte sich bereits vor dem Urteil auf strengere Regeln eingestellt. Der Süßwarenhersteller habe in der Vergangenheit den Begriff „klimaneutral“ verwendet, weil man bestrebt sei, den Anteil der Emissionen bei der Produktion selbst zu reduzieren, aber auch weil das Unternehmen erhebliche Ausgleichszahlungen im siebenstelligen Bereich leiste, sagte Katjes-Sprecher Pascal Bua vor der Urteilsverkündung. Nach damaliger Rechtsauffassung sei dies zulässig gewesen. „Mit Blick auf die aktuelle Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs könnte sich die Rechtslage jedoch ändern, worauf wir uns entsprechend einstellen müssen.“
Strengere Auflagen für grüne Werbeversprechen werden auch auf europäischer Ebene vorbereitet. Die Umweltministerinnen und -minister der EU-Staaten haben sich vergangene Woche auf Regeln für freiwillige Angaben von Unternehmen zur Umwelt- oder Klimafreundlichkeit von Produkten geeinigt.
Demnach sollen sich Unternehmen bei ihren Angaben und Kennzeichnungen an klaren Kriterien und den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen orientieren. Außerdem soll klar erkennbar sein, worauf sich Umweltaussagen beziehen – etwa auf Haltbarkeit oder Recyclingfähigkeit. Die Mitgliedstaaten müssen nun mit dem Europäischen Parlament einen Kompromiss aushandeln.
Die Verbraucherorganisation Foodwatch begrüßte die Entscheidung des BGH, forderte aber auch von der Politik klarere Regeln für Klimawerbung. „Die EU darf in ihren Verhandlungen keine Schlupflöcher für die Unternehmen zulassen“, sagte ein Sprecher. „Slogans wie klimaneutral oder klimapositiv gehören verboten, wenn sie auf Kompensationsprojekten beruhen. Der Nachweis der Emissionsreduktion muss unabhängig und nach einheitlichen Standards erfolgen.“