Plastikflaschen
Seit 3. Juli müssen bestimmte Flaschen einen angebundenen Deckel haben. Damit soll das Littering eingedämmt werden. Doch Experten bezweifeln, dass das hilft.
Welchen Nutzen haben angebundene Verschlusskappen?
Der Morgen beginnt früh für die Mitarbeiter der Küstenreinigung auf Sylt. Mit Eimern und Greifzangen bewaffnet, durchkämmen sie den Strand, auf der Suche nach Plastikmüll. Unter den Funden stechen besonders die bunten Plastikverschlüsse hervor, die sich in den vergangenen Jahren zu einem der häufigsten Strandmüllteile entwickelt haben.
Wie viel das pro Jahr ist, lässt sich nur schwer beziffern, da es keine spezifischen Statistiken dazu gibt. Das Ausmaß dürfte jedoch erheblich sein. Nach Angaben des WWF gelangen jährlich zwischen 4,8 und 12,7 Millionen Tonnen Plastikmüll in die Meere. Untersuchungen zeigen, dass Flaschenverschlüsse zu den häufigsten Müllgegenständen an europäischen Stränden gehören.
Diese Zahlen haben die EU zum Handeln veranlasst. Seit dem 3. Juli müssen in Deutschland alle Einweggetränkeverpackungen, deren Deckel aus Kunststoff bestehen, mit angebundenen Verschlusskappen ausgestattet sein. Die neue Regelung soll dafür sorgen, dass die Verschlüsse nicht mehr so leicht in die Umwelt gelangen können.
Die Regelung stößt auf Kritik. So bezweifelt der Verpackungsexperte Markus Prem von der Hochschule Kempten den Nutzen der angebundenen Verschlusskappe. „Bringt das wirklich etwas für den Planeten oder selbst für Europa? Und da ist meine klare Antwort: Nein“, sagt Prem. Es sei reiner Aktionismus, um das schlechte Gewissen zu beruhigen.
Prem sagt, die Menge der weggeworfenen Deckel, die schließlich im Meer oder in Flüssen und Seen landen, sei äußerst gering. „Man hat damit der Industrie Milliardeninvestitionen unter anderem in neue Maschinen auferlegt für einen Effekt, der quasi nicht messbar ist.“ Der Bundesverband des Deutschen Getränkefachgroßhandels teilt auf Anfrage mit, Anlagen hätten um- oder neu gebaut werden müssen. „Wir gehen von Beträgen im Millionenbereich aus“, heißt es.
„Beträchtliche Kosten“
Der Verband Deutscher Mineralbrunnen (VDM) betont, Aufwand und Kosten fielen sehr unterschiedlich aus. Für einige Unternehmen käme die Umstellungen der Abfüllung einer Produkteinführung gleich. Andere hätten erhebliche Aufwendungen, wenn Änderungen in der Inspektionstechnik oder bei der Verschließtechnik notwendig würden.
Nach Angaben der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) betragen die „beträchtlichen“ Kosten pro Abfüllungslinie rund 181.000 Euro. „Hinzu kommt der Mehraufwand für Deckel beziehungsweise Verschlüsse mit rund 0,2 Cent pro Stück“, sagt der stellvertretende BVE-Hauptgeschäftsführer Peter Feller.
„Kunststoffrecycling ist wichtiger“
Der Anteil Europas und Amerikas an den ins Meer gespülten Kunststoffen sei gering, sagt Prem. Der weitaus größte Teil stamme aus Asien. „Wir müssten ganz woanders ansetzen, wenn wir wirklich was bewegen wollten.“ Viel wichtiger sei es, Kunststoffe zu recyceln und einen Kreislauf zu schaffen. „Kunststoffe sind bisher in vielen Bereichen Verbundmaterialien, die nicht oder nur sehr schwer recycelbar sind.“
Auch der VDM betont, dass bei Glas- und PET-Flaschen bereits eine Rücklaufquote von rund 99 Prozent erreicht werde. „Das Problem des sogenannten Litterings hat also in Deutschland schon vor dem Inkrafttreten der EU-Richtline nicht existiert.“ Prem glaubt nicht, dass sich die Verbraucher noch lange über die angebundenen Deckel ärgern werden. Auch an den Verzicht auf Plastiktüten oder Plastikstrohhalme hätten sich die Menschen gewöhnt.