Lärmreduzierung
Zu viel Lärm schadet der Gesundheit. Hamburgs rot-grüner Senat will deshalb auf weiteren Hauptverkehrsstraßen nachts Tempo 30 einführen. Aus der CDU kommt Kritik.
Hamburgs Senat will Tempo 30 auf Hauptstraßen ausweiten
Zum Schutz vor Lärm an besonders belasteten Straßen will Hamburgs rot-grüner Senat die Tempo-30-Zonen ausweiten. Die Geschwindigkeitsbegrenzung solle nachts auf 41 teils mehrspurigen Straßenabschnitten gelten, auf denen 60 Dezibel erreicht werden, teilte Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) mit. Das entspricht dem Lärm eines Rasenmähers in zehn Metern Entfernung.
In der Vergangenheit wurden bereits an 28 Straßenabschnitten nächtliche Tempo-30-Beschränkungen umgesetzt. Der Senat hatte am Dienstag eine weitere Stufe des Lärmaktionsplans beschlossen. Demnach kann die Öffentlichkeit im September zu dem Entwurf Stellung nehmen. Ein endgültiger Senatsbeschluss ist für Ende des Jahres vorgesehen.
Viele Betroffene
„Dass wir in Hamburg Probleme mit dem Lärm haben, das kann man nicht überhören“, sagte Kerstan. Hauptlärmquelle sei der Autoverkehr, der vor allem nachts die Gesundheit der Menschen beeinträchtigen könne. „Gerade in der Nacht gehen Lärmwirkungsforscher davon aus, dass, wenn ein Grenzwert von 55 Dezibel überschritten wird, eigentlich ein ruhiger für die Erholung des Körpers, des Geistes und der Seele notwendiger Schlaf nicht mehr stattfinden kann“, sagte Kerstan.
Den Angaben zufolge sind in Hamburg 184.500 Menschen tagsüber von einem Verkehrslärm von mehr als 65 Dezibel betroffen, was in etwa einem Fernseher in Zimmerlautstärke entspricht. Nachts seien rund 215.000 Menschen mehr als 55 Dezibel ausgesetzt. Beim Schienenverkehr seien es 5.300 beziehungsweise 9.400 Menschen, beim Flugverkehr 2.100 beziehungsweise 1.500 Menschen. Würde man auch die Menschen in Schleswig-Holstein und Niedersachsen einbeziehen, läge die Zahl der Fluglärmbetroffenen noch deutlich höher.
Verärgert zeigte sich Kerstan darüber, dass das freiwillige Förderprogramm für den passiven Lärmschutz vor Fluglärm 2022 ausgelaufen sei, weil kein Geld mehr da gewesen sei und „und wir in den Haushaltsberatungen von der Finanzbehörde keine neuen Mittel bewilligt bekommen haben“, sagte er. Das dürfe nicht auf Dauer so bleiben.
Unzufrieden zeigte sich der Grünen-Senator auch mit der Fluglärmregelung am Flughafen. Gespräche mit der SPD-geführten Wirtschaftsbehörde über neue Gebühren bei nächtlichen Verspätungen seien bislang ergebnislos verlaufen. Kerstan rechnet inzwischen auch nicht mehr mit einer Einigung vor der Bürgerschaftswahl 2025. „Das wird etwas sein, was ein neuer Senat angehen muss.“
Kritik von der CDU: Tempo 30 durch die Hintertür
„Mit der heute vorgestellten Fortschreibung des Lärmaktionsplans erreichen SPD und Grüne vor allem eines, die Einführung von Tempo 30 in der ganzen Stadt durch die Hintertür“, kritisierte der umweltpolitische Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion, Stephan Gamm. Hamburg sei als Handelsstadt auf leistungsfähige Hauptverkehrsstraßen angewiesen.
„Die Einführung von weiteren Tempo-30-Strecken birgt zudem die Gefahr von Verdrängungseffekten: Verkehre werden dadurch von Hauptverkehrsstraßen in ruhige Wohngebiete umgeleitet, da die kürzeste Strecke damit auch die schnellste ist“, so Gamm. Der AfD-Umweltexperte Thomas Reich sagte, die Pläne dienten als Feigenblatt, um den Autoverkehr weiter zu behindern.
Die Umweltorganisation BUND bescheinigte Kerstan und dem Senat einen zu passiven Umgang mit dem Thema Lärmschutz. „Lärmschutz ist eine Gesamtaufgabe, die Gesundheit, Natur, Umwelt, Stadtentwicklung und Lebensqualität betrifft“, sagte BUND-Landesgeschäftsführer Lucas Schäfer. Es sei an der Zeit, dass sich Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) des Themas annehme. „Der Senat darf nicht die Chance verpennen, mit einer offensichtlich riesigen gesellschaftlichen Mehrheit für den Lärmschutz eine fortschrittliche Mobilitätspolitik für Hamburg zu machen.“
Neben neuen Tempo-30-Abschnitten will Kerstan auch die Zahl der sogenannten Ruhigen Gebiete von 15 auf 17 erhöhen. Ein Gebiet soll die beiden Friedhöfe Hinschenfelde und Tonndorf sowie die dazwischen liegende Grünfläche an der Wandse umfassen, ein weiteres den Jenfelder Moorpark. In diesen mindestens 50 Hektar großen Gebieten darf nichts geplant werden, was zu Lärmbelästigungen führt.