Klimaschutzprojekte

Die Aufklärung möglicher Betrugsfälle bei Klimaschutzprojekten in China geht weiter. Das Umweltbundesamt hat jetzt in acht Fällen Unregelmäßigkeiten nachgewiesen – und Konsequenzen gezogen.

Betrug in China – Umweltbundesamt verweigert CO2-Zertifikate


In der Affäre um mutmaßliche Betrugsfälle in China hat das Umweltbundesamt deutschen Konzernen die Ausstellung von Klimazertifikaten verweigert. Es gehe um acht Klimaschutzprojekte in China, bei denen Unregelmäßigkeiten nachgewiesen worden seien, teilte die Behörde mit. Die acht verweigerten Zertifikate entsprächen einer Einsparung von 215.000 Tonnen Kohlendioxid, die sich die Konzerne ursprünglich auf ihre Klimabilanz anrechnen lassen wollten.

Das Umweltbundesamt (UBA) hat nach eigenen Angaben sieben der acht Projekte wegen „gravierender rechtlicher und technischer Ungereimtheiten“ zurückgezogen. Ein weiteres Projekt erhält kein Zertifikat, weil es entgegen den Vorschriften vorzeitig begonnen wurde.

Hintergrund der Maßnahmen des UBA ist ein im Juni bekannt gewordenes Betrugsgeflecht, in das deutsche Mineralölkonzerne verwickelt sein sollen. Nähere Angaben zu den Unternehmen könne das UBA aus rechtlichen Gründen nicht machen, sagte ein Sprecher der Behörde.

Hauptverantwortung bei Projektträgern und Gutachtern

Das Bundesumweltministerium von Steffi Lemke (Grüne) hält es für unwahrscheinlich, dass die Mineralölkonzerne direkt in den Betrug verwickelt sind. „Die Mineralölkonzerne betreiben die Projekte nicht. Sie kaufen bei Marktteilnehmern Projektbeteiligungen ein“, stellte ein Sprecher am Freitag auf Nachfrage klar. Die Konzerne würden nicht direkt in die in China angesiedelten Projekte investieren.

„Jetzt nachgewiesene Projektbetrügereien können kaum den Mineralölkonzernen, die die Zertifikate auf dem Markt angekauft haben, nachgewiesen werden“, so der Sprecher. Die Hauptverantwortung für die Betrugsfälle sieht das Ministerium bei den jeweiligen Projektträgern in China und den Gutachtern, die diese Projekte im Auftrag der Konzerne geprüft haben.

UBA schaltet internationale Anwaltskanzlei ein

Neben eigenen Ermittlungen und denen der Berliner Staatsanwaltschaft hat das UBA zur Aufklärung der mutmaßlichen Betrugsfälle auch eine internationale Anwaltskanzlei eingeschaltet. Diese ist auch vor Ort in China tätig. Im nächsten Schritt würden 13 weitere Projekte überprüft.

Gleichzeitig betonte die Behörde, wie schwierig es sei, aus der Ferne und anhand von Satellitenbildern oder eingereichten Berichten Missbrauchsfälle aufzuklären und nachzuweisen. Auch deshalb sei die internationale Anwaltskanzlei eingeschaltet worden.

Insgesamt stehen nach UBA-Angaben 40 von 69 China-Projekten unter Betrugsverdacht. Weitere Projekte wird es vorerst nicht geben. Bundesumweltministerin Lemke hatte wegen der Verdachtsfälle alle Neuanträge zum 1. Juli stoppen lassen.

Einige Projekte existieren gar nicht

Nach den bisherigen Erkenntnissen sollen sich die Konzerne Beiträge aus dubiosen Klimaprojekten in China auf ihre CO2-Bilanzen anrechnen lassen, ohne dass diese Projekte tatsächlich zu einer Reduktion von Treibhausgasen geführt hätten. Teilweise hätten die Projekte gar nicht existiert, teilweise habe die angegebene CO2-Reduktion nicht mit der tatsächlichen Einsparung übereingestimmt, hieß es.

Möglich wurde der Betrug durch einen Mechanismus, der es Mineralölkonzernen in Deutschland erlaubt, gesetzlich vorgeschriebene Klimaziele durch Klimaschutzprojekte in China zu erreichen. So können sie emissionsmindernde Projekte im Ölsektor finanzieren und bekommen diese bei Anerkennung der entsprechenden Zertifikate für ihre Klimabilanz in Deutschland gutgeschrieben. Diese sogenannten „Upstream Emission Reduction“-Projekte (UER) werden dann auf die Treibhausgasminderungsquote im Verkehrssektor angerechnet.

Lemke: „Schwere Umweltkriminalität“

Zuständig für die endgültige Freigabe der begehrten Zertifikate ist das Umweltbundesamt, das nach eigenen Angaben im August 2023 einen ersten Verdacht auf Betrug hatte. Öffentlich bekannt wurde die Affäre jedoch erst im Sommer dieses Jahres, unter anderem durch Recherchen der ZDF-Sendung Frontal“, die bereits Ende Mai über die Vorgänge berichtet hatte.

Lemke hatte vor einigen Wochen von „schwerer Umweltkriminalität“ gesprochen und umfassende Aufklärung zugesagt. Einen Schaden für deutsche Autofahrerinnen und Autofahrer sieht ihr Ministerium aber nicht. Geschadet hätten die Vorgänge vor allem dem Vertrauen in Klimaschutzprojekte. Scharfe Kritik kommt aus der Union. Die CSU-Politikerin Anja Weisgerber forderte Lemke mehrfach auf, die Fälle lückenlos aufzuklären.

Bereits Anfang Juli hatte das UBA personelle Konsequenzen gezogen: Die Behörde suspendierte einen ihrer für den Bereich zuständigen Mitarbeiter. Mitte Juli kam es dann im Auftrag der Berliner Staatsanwaltschaft zu Durchsuchungen in Bayern und Nordrhein-Westfalen bei Firmen, die auf die Erstellung von Umweltgutachten – unter anderem zu den umstrittenen Zertifikaten – spezialisiert sind. Es werde gegen 17 Personen wegen des Verdachts des gemeinschaftlichen gewerbsmäßigen Betruges ermittelt, hieß es.

320°/dpa

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