Autoindustrie

Die deutsche Autoindustrie steckt in der Krise, am Montag haben Wirtschaftsminister Habeck und Vertreter der Autoindustrie über mögliche Fördermaßnahmen beraten. Experten haben bereits im Vorfeld Zweifel an der Wirksamkeit.

Gibt es eine Neuauflage der Abwrackprämie?


Vor dem geplanten „Autogipfel“ von Wirtschaftsminister Robert Habeck am Montag hat es nicht an Forderungen zur Unterstützung der kriselnden deutschen Autoindustrie gemangelt. Bei dem Treffen mit den Spitzen von Herstellern, Zulieferern und Branchenvertretern ging es auch um Maßnahmen, um den schleppenden Absatz von Elektroautos anzukurbeln. Zuletzt hatte Habeck (Grüne) weitere Fördermaßnahmen in Aussicht gestellt.

Im Gespräch sind unter anderem eine Abwrackprämie, eine neue E-Auto-Prämie oder weniger strenge CO2-Vorgaben. Weitere Vorschläge sind ein staatlicher Zuschuss zum E-Auto-Leasing für Gering- und Normalverdiener sowie eine Förderung für private Ladeboxen, Speicher und Ladesäulen. Aus Sicht des Branchenexperten Ferdinand Dudenhöffer dürften die Vorschläge aber schon aus Haushaltsgründen nur eine sehr kurze Halbwertszeit haben.

Die SPD setzt auf Sofortmaßnahmen, unter anderem auf eine neue „Abwrackprämie 2.0“. Wer seinen Verbrenner „abwrackt“ und ein neues E-Auto kauft, soll einen Bonus von 6.000 Euro erhalten, heißt es in einem Papier der SPD-Wirtschaftspolitiker. Beim Kauf eines gebrauchten E-Autos soll es 3.000 Euro geben.

Bereits in der Wirtschaftskrise 2009 hatte Deutschland den Umtausch von Autos mit einer Prämie gefördert. 2.500 Euro Umweltprämie erhielt, wer sein altes Auto verschrotten ließ und ein neues kaufte. Viele sprachen von der „Abwrackprämie“.

Weber: „Keine Zeit für Bußgeldzahlungen“

„Die damalige Abwrackprämie hat bei der Autonachfrage außer einem kurzen Strohfeuer nichts gebracht“, kritisiert der stellvertretende CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Ulrich Lange. „Dafür gab es aber Chaos bei der Abwicklung und Missbrauch.“ Angesichts der Festlegung auf Elektroautos sprach sich Lange für Technologieoffenheit aus. Zudem müsse es finanzielle Entlastungen und Erleichterungen bei den europäischen Schadstoffgrenzwerten für Autos geben.

In diese Richtung geht auch der Vorsitzende der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber. Er will die drohenden Strafzahlungen der Autohersteller bei den geplanten strengeren Flottenvorgaben für den CO2-Ausstoß aussetzen. „Wenn zehntausende von Arbeitsplätzen wackeln, dann ist keine Zeit für Bußgeldzahlungen“, sagte er der „Augsburger Allgemeinen“.

Mercedes-Chef Ola Källenius fordert ein Entgegenkommen der Politik. „Wir müssen über die CO2-Regulierung in Europa reden“, sagte er dem „Handelsblatt“. Mercedes stehe zwar zum Ziel der Dekarbonisierung der Autoindustrie, aber die Einschätzung der EU-Kommission sei zu optimistisch, wie sich zeige: „Wir können die Kundenwünsche nicht ignorieren.“

IG Metall für neues Förderpaket

Die Gewerkschaft IG Metall hält ein neues Förderpaket für Elektromobilität für notwendig. „Das Förderpaket muss dazu beitragen, den Hochlauf der E-Mobilität zu beschleunigen“, sagte ein Gewerkschaftssprecher der Funke Mediengruppe. Die von der Bundesregierung angekündigte Sonderabschreibung für gewerblich angeschaffte emissionsfreie Fahrzeuge sei ein sinnvoller erster Schritt. Die Bundesregierung hatte vor knapp einem Jahr die E-Auto-Förderprämie für alle Verbraucher überraschend gestrichen.

Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hält eine neue E-Auto-Prämie für sinnvoll. „Einen spürbaren Nutzen wird sie aber nur dann haben, wenn es gelingt, die potenzielle Käuferschicht zu erweitern“, sagte der IW-Experte Thomas Puls. Der Nutzwert von Elektroautos müsse für Menschen ohne eigene Lademöglichkeit erhöht werden.

„Der Autogipfel darf nicht zum Subventionsgipfel werden, sondern muss die grundlegenden Standortbedingungen der deutschen Industrie in den Blick nehmen“, warnte FDP-Fraktionsvize Lukas Köhler. „Der Versuch, die Probleme einzelner Unternehmen mit Steuergeld zuzuschütten, wäre zum Scheitern verurteilt, denn auf Subventionen lässt sich kein nachhaltig erfolgreiches Geschäftsmodell aufbauen.“ Niedrigere Steuern, weniger Bürokratie und der Fachkräftemangel müssten ganz oben auf der Agenda stehen.

DIW-Präsident sieht Hauptverantwortung bei den Herstellern

Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, hält Subventionen für einzelne Unternehmen oder für Energie für den falschen Weg. „Diese helfen nur einzelnen Unternehmen und nicht der gesamten Wirtschaft“. Die Hauptverantwortung für die schwierige Lage der Autoindustrie liege bei den Unternehmen selbst.

Greenpeace fordert, „statt einer ungerechten und ökologisch schädlichen Förderung von Dienstwagen sollte der Wirtschaftsminister eine Prämie für kleine, sparsame E-Autos bis maximal 30.000 Euro auflegen“. Diese solle durch eine Zulassungssteuer für schwere Verbrenner gegenfinanziert werden. Sozial und ökologisch orientierte Verbände fordern eine „sozial gestaffelte Kaufprämie“. Aus Sicht des ökologischen Verkehrsclubs VCD sollten die „weitreichenden Steuerprivilegien für Verbrenner“ ab- und umgebaut werden. Außerdem müsse Schluss sein mit der Debatte um E-Fuels und der Aufweichung von CO2-Vorgaben.

Habeck dämpft Erwartungen

Habeck sagte nach den Gesprächen mit Branchenvertretern, es dürfe keine Schnellschüsse und „Strohfeuermaßnahmen“ geben. Es gehe um langfristige Planbarkeit. Darüber habe es in der Runde Einigkeit gegeben. „Unter der Bedingung haben wir über verschiedene Möglichkeiten gesprochen.“

Die Maßnahmen, die vielleicht kämen, sollten immer rückwirkend gelten. Die Bundesregierung werde nun beraten. Konkrete mögliche Fördermaßnahmen nannte Habeck nicht. Der ohnehin stattfindende regelmäßige Dialog mit der Branche werde fortgesetzt. 

Der Minister sagte der Autoindustrie auch Unterstützung auf EU-Ebene zu. Dabei geht es um die sogenannten Flottengrenzwerte, also Vorgaben für den CO2-Ausstoß. Diese sollen schrittweise verschärft werden. Habeck sagte, die Grenzwerte sollten 2026 überprüft werden. Es sei der Wunsch der Runde gewesen, sich dafür einzusetzen, dass dies bereits im kommenden Jahr geschehe. „Dem will ich gerne folgen.“

Habeck dämpfe zugleich die Erwartungen. Es handle sich um ein europäisches Programm. Viele andere Länder hätten nicht die Herausforderungen wie Deutschland. Zudem habe sich Deutschland in der Verkehrspolitik in der Vergangenheit nicht gerade mit Ruhm bekleckert, sagte Habeck mit Blick auf das umstrittene Vorgehen beim Thema E-Fuels.

320°/dpa

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