Steuern aus Gas und Öl
Klimapolitik als strategische Ergänzung zur Verteidigung? Berechnungen des IfW Kiel zeigen, wie Klimaschutz zur Sicherheit in Europa beitragen kann. Die Autoren empfehlen deshalb einen CO2-Preis von mindestens 60 Euro pro Tonne.
IfW: Klimaschutz stärkt Europas Sicherheit
Klimaschutz trägt nach Ansicht von Experten des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel zur Sicherheit in Europa bei. „Klimapolitik ist keine konkurrierende Priorität zur Verteidigung – sie ist ihre strategische Ergänzung“, sagte Joschka Wanner, Professor an der Universität Würzburg und Mitautor des Kiel Policy Briefs «Die sicherheitspolitische Dividende von Klimapolitik».
Der Analyse zufolge führt eine geringere Ölnachfrage der EU zu einem sinkenden Weltmarktpreis und damit sinkenden Einnahmen Russlands. Laut IfW spült jeder Euro, den Europa weniger für Öl ausgibt, 13 Cent weniger in die russische Kriegskasse und nimmt so den Druck auf europäische Verteidigungsausgaben. Diese könnten mit jedem eingesparten Öl-Euro um 37 Cent sinken.
„Die Berechnungen machen deutlich: Auch aus geopolitischer Perspektive ist ein höherer CO2-Preis gerechtfertigt“, betont das IfW. Die Autoren empfehlen einen CO2-Preis von mindestens rund 60 Euro pro Tonne. Ein höherer CO2-Preis wäre demnach ökonomisch und strategisch ebenso gerechtfertigt wie die Ausweitung des EU-Emissionshandels auf Öl im Gebäude- und Verkehrssektor.
Tempolimit brächte ebenfalls eine Sicherheitsdividende
Anhand der Berechnungen der Autoren lässt sich auch der geopolitische Nutzen bzw. Schaden anderer klimapolitischer Entscheidungen der EU beziehungsweise Deutschlands beziffern. So würde die Einführung eines Tempolimits auf deutschen Autobahnen bis 2030 nicht nur den Ausstoß von rund 33 Millionen Tonnen CO2 vermeiden. Da gleichzeitig die Ölnachfrage sinken würde, wäre mit dem Tempolimit auch eine sicherheitspolitische Dividende von rund zwei Milliarden Euro verbunden, da dieses Geld nicht in den Verteidigungshaushalt fließen müsste.
Würde die EU zudem den Automobilherstellern nicht – wie jetzt vorgesehen – mehr Zeit zur Einhaltung der CO2-Flottengrenzwerte einräumen, entspräche dies einer sicherheitspolitischen Dividende von rund drei Milliarden Euro.
„Schon aus Eigeninteresse sollte die EU signifikante Steuern auf Öl und Gas erheben – oder die Nachfrage nach Öl und Gas mit anderen Maßnahmen senken“, so Wanner. „Wer Emissionen senkt, schützt nicht nur das Klima, sondern stärkt auch Europas Sicherheit.“
Die Autoren weisen in ihrem Papier darauf hin, dass die Berechnungen vor allem für die aktuelle Situation eines geopolitisch aggressiven Russlands gelten. Sollte diese Aggressivität abnehmen und Russland seine Öleinnahmen nicht mehr in gleichem Maße ins Militär investieren, würde auch die sicherheitspolitische Dividende von Klimaschutzmaßnahmen sinken.