Künftige Bundesregierung
Aufbruchsignal oder Rückschritt? Der Koalitionsvertrag von Union und SPD löst ein geteiltes Echo aus. Hier einige Reaktionen.
Stimmen zum Koalitionsvertrag
- Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Kreislaufwirtschaft (BDE)
„Der Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Kreislaufwirtschaft (BDE) sieht nach einer ersten Auswertung im Koalitionsvertrag „Verantwortung für Deutschland“ von CDU/CSU und SPD wichtige Ansätze für die Stärkung der Kreislaufwirtschaft, mahnt jedoch eine konsequente Umsetzung der angekündigten Maßnahmen an. Die aktuellen Herausforderungen sind groß, unser Land verliert an wirtschaftlicher Stärke und unsere Unternehmen brauchen endlich wieder spürbaren Rückenwind im Standortwettbewerb. Jedes Vorhaben in einem Koalitionsvertrag unter Finanzierungsvorbehalt zu stellen, bietet nicht die nötige Planungssicherheit, die unsere Unternehmen jetzt aber dringend brauchen, um Rohstoffe zu sichern und wertvolle Recyclingrohstoffe zu produzieren.
Letztendlich muss sich der Koalitionsvertrag daran messen lassen, was sich konkret auf den Höfen unserer Unternehmen verbessert. Dazu gehören in den ersten 100 Tagen der neuen Bundesregierung wirksame strukturelle Reformen, Bürokratieabbau, das Senken der Energiekosten sowie die Beschleunigung bei Planungs- und Genehmigungsverfahren. Die Koalition hat es in der Hand, einen echten Hochlauf der Kreislaufwirtschaft anzupacken.
In den ersten Tagen erwarten wir daher auch, dass im Rahmen des Sondervermögens Green Public Procurement – das heißt bei den versprochenen Leitmärkten für klimafreundliche Produkte ganz konkret der Einsatz von Recyclingrohstoffen – von Anfang an mitgedacht und letztlich auch gemacht wird. So fördert die öffentliche Hand Innovationen und Investitionen und nicht zuletzt die Resilienz des Standorts. Selbst positive Signale für Vorgaben beim Design for Recycling, bei der Herstellerverantwortung, dem pragmatischen Umgang bei der Umsetzung der Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie (NKWS) sowie beim verbesserten Erfassen von Batterien benötigen eine zügige Umsetzung.“
- Verband kommunaler Unternehmen (VKU):
„Die Einigung von CDU, CSU und SPD auf einen Koalitionsvertrag kommt zur richtigen Zeit. Deutschland braucht schnell eine stabile Regierung, die unser Land wieder auf Kurs bringt und seine Resilienz stärkt.
Vor der Wahl haben wir verlässliche, realistische und bezahlbare politische Rahmenbedingungen gefordert. Aus Sicht der kommunalen Unternehmen ist der nun vorliegende Koalitionsvertrag eine gute Arbeitsgrundlage. Der Vertrag setzt wichtige Akzente, insbesondere bei Investitionen, Planungsbeschleunigung, einer realistischen Umsetzung der Wärmewende und einer Stärkung der Klimaresilienz. Der Fokus auf Bezahlbarkeit, Kosteneffizienz und Versorgungssicherheit ist wichtig für das Gelingen der Energiewende.
Ein Energiewendefonds, der ohne Steuermittel auskommt, kann als zusätzlicher Motor für die Energiewende wirken. Es muss darum gehen, privates Kapital zu mobilisieren und für mehr Kosteneffizienz im Gesamtsystem zu sorgen, damit Energiepreise für Wirtschaft und Bürger bezahlbar bleiben.“
- Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung (bvse)
„Der Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD kann aus Sicht des bvse-Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung einen wichtigen Impuls für die Kreislaufwirtschaft in Deutschland setzen. Der Verband begrüßt insbesondere das deutliche Bekenntnis zur pragmatischen Umsetzung der Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie (NKWS) sowie zur Digitalisierung von Stoffströmen.
Die politische Festlegung auf eine praxisorientierte Weiterentwicklung der NKWS ist ein Schritt in die richtige Richtung. Positiv bewertet der Verband die Ankündigung, ein konkretes Eckpunktepapier mit kurzfristig umsetzbaren Maßnahmen vorzulegen. Wir haben die NKWS wiederholt dafür kritisiert, dass sie zu vage und zu wenig umsetzungsorientiert ist. Wenn die neue Koalition nun Ernst macht und für eine konkrete, praxisnahe Umsetzung sorgt, kann das einen echten Fortschritt für die Kreislaufwirtschaft bedeuten – vorausgesetzt, den Worten folgen entschlossene Taten.
Erfreut zeigt sich der bvse über die geplanten Maßnahmen zum Bürokratieabbau. Die angekündigte Abschaffung überflüssiger Berichtspflichten und die Reduzierung gesetzlicher Vorgaben seien richtige Schritte, um Unternehmen effektiv zu entlasten.
Gleichzeitig warnt der Verband vor halbherzigen Lösungen. Bürokratieabbau allein wird nicht reichen. Unsere Branche braucht eine echte Beschleunigung und Vereinfachung von Genehmigungsverfahren. Nur wenn wir Genehmigungen schneller und unbürokratischer erteilen, können Investitionen in moderne Recyclingtechnologien und innovative Verfahren tatsächlich realisiert werden.“
- Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft (BNW):
„Der BNW begrüßt das Bekenntnis der neuen Regierung zur Kreislaufwirtschaft. Allerdings lässt der Koalitionsvertrag konkrete Maßnahmen vermissen. Hier müssen die CDU/CSU und SPD liefern und den Hochlauf zirkulärer Materialien und Geschäftsmodelle unterstützen.
Die deutsche Wirtschaft braucht resiliente Lieferketten – heute stärker als je zuvor. Kreislaufwirtschaft spart Ressourcen, schafft Arbeitsplätze und stärkt die Wettbewerbsfähigkeit. Wirtschaft und Regierung dürfen diese Chance nicht ungenutzt lassen. Bereits vor der Wahl und in der Mitarbeit an der Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie (NKWS) hatte der BNW angeregt, ökonomische Anreizsysteme für die Kreislaufwirtschaft aufzubauen, die öffentliche Beschaffung auf Kreislaufwirtschaft auszurichten und regulatorische Barrieren zu Gunsten von Digitalisierung und neuen Standards abzubauen.
Sollte das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) tatsächlich abgeschafft werden, wäre das ein fatales Signal – für Menschenrechte, Umweltschutz und die Wettbewerbsfähigkeit des zukunftsfähigen Wirtschaftsstandorts Deutschland. Das LkSG ist ein entscheidender Baustein für eine krisenresiliente, nachhaltige Wirtschaft. Trotzdem haben sich CDU/CSU und SPD dazu entschieden, ihr eigenes Gesetz rückgängig zu machen.
Grundsätzlich ist es positiv, dass die Bundesregierung am Klimaziel 2045 festhält. Vor der Wahl hat der BNW mit einem branchenübergreifenden Bündnis auf die Bedeutung des Ziels für die Wirtschaft aufmerksam gemacht. Trotzdem fehlen im Koalitionsvertrag die entsprechenden Schlüsse. Vielmehr plant die neue Bundesregierung den Europäischen Emissionshandel zu verwässern und hält an klimaschädlichen Subventionen fest beziehungsweise erweitert diese sogar. Laut Umweltbundesamt werden so bis zu 65 Milliarden jährlich gebunden. Mittel, die für Investitionen in klimaneutrale Lösungen fehlen.“
- Deutsche Umwelthilfe (DUH):
„Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) zieht ein verheerendes Fazit zum Ergebnis der Koalitionsverhandlungen: Obwohl Klima- und Biodiversitätskrise massiv voranschreiten, planen Union und SPD einen klimapolitischen Rückfall noch hinter den Stand der Merkel-Ära. DUH kritisiert dies scharf und kündigt an, notwendige Klimaschutzmaßnahmen insbesondere in den Bereichen Gebäude und Verkehr notfalls gerichtlich durchzusetzen.
In Sachen Wärmewende ist der Worst Case eingetreten: Das Heizungsgesetz soll abgeschafft werden. Das ist fatal für den Klimaschutz und bezahlbares Heizen. Ohne einen klaren Fokus auf Energieeffizienz und Einsparung fährt die neue Koalition Klimaschutz im Gebäudesektor weiter an die Wand.
Die Koalition bekennt sich offen dazu, die EU-Gebäuderichtlinie so unambitioniert wie möglich umzusetzen. Deutschland wird immer mehr zum europäischen Schlusslicht, was den Klimaschutz im Gebäudesektor anbetrifft. Immerhin scheinen Union und SPD erkannt zu haben, dass der Schlüssel für eine gelungene Energiewende in der Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern liegt, etwa durch Energy Sharing und Mieterstrom. Wir werden genau hinsehen und Druck machen, damit den Worten diesbezüglich im Koalitionsvertrag auch konkrete Taten folgen.
Im Automobilsektor planen Union und SPD massive Fehlanreize für den Bau übergroßer und klimaschädlicher Pkw mit Verbrennungsmotor – unter dem Deckmantel der Technologieoffenheit. Die Einbeziehung von Plug-In-Verbrennern und die Ausdehnung der steuerlichen Förderung auf bis zu 100.000 Euro teure Luxus-Elektrofahrzeuge sind ein milliardenschweres Geschenk an die Automobilindustrie. Nachdem Klimaschutz in der Vorgängerregierung auf drei Ministerien verteilt und damit zerstückelt wurde, ist die Wiederzusammenführung in einem starken Umweltministerium ein Lichtblick.
Mit der Öffnung des Klimaneutralitätsziels bis 2045 für schmutzige internationale Kompensationsgeschäfte, wird das deutsche Klimaschutzziel durchlöchert. Wir werden weiter alle rechtlichen Mittel einsetzen, das Klimaschutzgebot des Bundesverfassungsgerichtes zu verteidigen. Mit dem geplanten Neubau einer 20 Gigawatt-Flotte von neuen Gaskraftwerken wird der Klimaschutz ad absurdum geführt und die Abhängigkeit von Frackinggas-Importen aus den USA und weltweit gefährlich ausgebaut.
Initiative Klimaneutrales Deutschland (IKND):
„Der Koalitionsvertrag ist ein erkennbarer Kompromiss teils sehr unterschiedlicher Positionen. Aus Perspektive des Klimaschutzes gibt es Licht und Schatten, wobei das Licht unserer Ansicht nach überwiegt. In dem Ehrgeiz, zahlreiche Verfahren und Vorschriften zu vereinfachen, sehen wir großes Potenzial, vor allem die Energiewende und der Dekarbonisierung der Wirtschaft zu beschleunigen. Der Schwerpunkt, wirtschaftliche Lösungen für Klimaschutz zu nutzen, kann aus unserer Sicht ein großer Gewinn für die Akzeptanz in der Bevölkerung sein für die laufende Transformation unserer Wirtschaft und Gesellschaft in Richtung Klimaneutralität.
Das klare Bekenntnis der neuen Koalition, die Mittel aus mit dem Klima- und Transformationsfonds gezielt für Maßnahmen zur Erreichung der Klimaneutralität einzusetzen, ist ein entscheidendes Signal für den Klimaschutz. Angesichts der Verteilung der Zuständigkeiten auf verschiedene Ministerien ist es nun von größter Bedeutung, dieses Potenzial effektiv, pragmatisch und ressortübergreifend zu nutzen.“
- Greenpeace Deutschland:
„Die neue Koalition will die Marktkräfte entfesseln, die in den letzten Jahrzehnten Klima und Natur zerstört haben. Sie plant, in nie dagewesenen Umfang Gelder zu verteilen, aber verliert dabei Effizienz und Klimagerechtigkeit in vielen Bereichen aus dem Blick. Indem sie sinnvolle Gesetze und Regeln abschafft, lässt sie neue Unsicherheiten entstehen. So wird Klimaschutz unnötig teuer und langsam. Union und SPD gefährden damit die ökologischen Lebensgrundlagen und unser aller Sicherheit.
Energiepolitisch birgt der Koalitionsvertrag herbe Rückschritte. Er nimmt die zuvor angeschobene Wärmewende auseinander und verunsichert so die Bevölkerung und eine ganze Branche. Wenn die CO2-Verpressung CCS sogar für Gaskraftwerke gelten soll, manövriert uns dieser Vertrag in neue fossile Abhängigkeiten, bevor wir uns aus alten gelöst haben.“
- Verband Deutscher Metallhändler und Recycler (VDM)
„Der Verband Deutscher Metallhändler begrüßt, dass die Themen Kreislaufwirtschaft, Rohstoffpolitik und Außenhandel im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung einen klaren Stellenwert erhalten haben. Insbesondere die angekündigte pragmatische Umsetzung der Kreislaufwirtschaftsstrategie und die Stärkung von Rohstoffpartnerschaften sind zentrale Elemente für eine zukunftsfähige Wirtschaftspolitik.
Der VDM unterstützt ausdrücklich das Vorhaben, die Kreislaufwirtschaftsstrategie pragmatisch und praxisnah umzusetzen. Besonders positiv bewertet der Verband, dass damit auch die in der Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie (NKWS) vorgesehenen ‚Sekundärrohstoffpartnerschaften‘ vorangetrieben werden können. Diese sind für die Metallrecyclingwirtschaft von zentraler Bedeutung, um bestehende internationale Absatzmärkte zu sichern und neue Märkte für hochwertige Recyclingrohstoffe nachhaltig zu erschließen.
In diesem Zusammenhang fordert der Verband, dass die geplanten EU-Freihandelsabkommen unter anderem mit Indien, den ASEAN-Staaten, Australien und dem Mercosur den Handel mit Recyclingrohstoffen explizit berücksichtigen. Recyclingrohstoffe müssen als gleichwertige Handelsgüter behandelt werden – das ist ein Beitrag zur Versorgungssicherheit und zum Klimaschutz gleichermaßen.“