Transformation
ArcelorMittal hat überraschend die Pläne zur klimaneutralen Stahlproduktion in Bremen und Eisenhüttenstadt gestoppt. Der Konzern begründet dies mit fehlender Wirtschaftlichkeit und schwierigen Marktbedingungen.
Rückschlag für „grünen“ Stahl – ArcelorMittal ändert Pläne
ArcelorMittal Europe wird die Pläne, die Flachstahlwerke in Bremen und Eisenhüttenstadt auf eine klimaneutrale Produktion ohne Kohleverbrennung umzustellen, nicht weiterverfolgen. Als Gründe nannte der Konzern die Marktsituation und die fehlende Wirtschaftlichkeit einer CO₂-reduzierten Stahlproduktion. Der Konzern wird somit keine staatlichen Fördergelder in Anspruch nehmen.
ArcelorMittal verwies auf die Verpflichtung, diese Entscheidung mitzuteilen, da der Vertrag mit der Bundesregierung über die Förderung von 1,3 Milliarden Euro den Beginn der Bauarbeiten für das Projekt bis Juni 2025 vorsieht. Konkret geht es um den Bau von Direktreduktionsanlagen (mit Wasserstoff) und Elektrolichtbogenöfen (mit Strom).
Das Bundeswirtschaftsministerium bedauerte die Entscheidung von ArcelorMittal. Wichtig sei, dass noch keine staatlichen Gelder geflossen seien. Drei vergleichbare Vorhaben der Hersteller Salzgitter Flachstahl, Thyssenkrupp Steel Europe und SHS (Stahl-Holding-Saar) haben dagegen bereits Förderbescheide über zusammen rund 5,6 Milliarden Euro erhalten. An den Standorten der drei Unternehmen laufe die Umsetzung der Projekte bereits.
„Kein belastbares und überlebensfähiges Geschäftsmodell“
„Wir wissen die Finanzierung durch die Bundesregierung und das Land Bremen sowie die Unterstützung des Landes Brandenburg für dieses Projekt zu schätzen“, erklärte Geert Van Poelvoorde, Chef von ArcelorMittal Europe. Doch selbst mit der finanziellen Unterstützung sei die Wirtschaftlichkeit der Umstellung nicht ausreichend gegeben.
„Die Rahmenbedingungen ermöglichen aus unserer Sicht kein belastbares und überlebensfähiges Geschäftsmodell“, sagte Reiner Blaschek, Chef der europäischen Flachstahlsparte von ArcelorMittal. „Die Förderung ist an strenge Vorgaben für den raschen Einsatz von grünem Wasserstoff geknüpft. Verfügbarkeit und Preise von grünem Wasserstoff sind jedoch mit großen Unwägbarkeiten verbunden. Daraus ergeben sich erhebliche Risiken.“
Die Stahlindustrie ist einer der größten CO2-Emittenten in Deutschland. Eine Schlüsselrolle bei der Dekarbonisierung soll der Einsatz von Wasserstoff zur Herstellung von „grünem“ Stahl spielen. Dabei ersetzt Wasserstoff den Kohlenstoff als Reduktionsmittel. Das Ergebnis ist Eisenschwamm (Direct Reduced Iron, DRI), der anschließend in einem Elektrolichtbogenofen zu Rohstahl weiterverarbeitet wird. Wasserstoff wird als „grün“ bezeichnet, wenn der benötigte Strom aus erneuerbaren Energiequellen stammt.
ArcelorMittal werde sich in Bremen und Eisenhüttenstadt auf die Planung zum Bau von strombasierten Elektrolichtbogenöfen konzentrieren, hieß es – um vorbereitet zu sein, wenn die Produktion mit Elektrolichtbogenöfen wirtschaftlich sinnvoll sei. Die ersten neuen Elektrolichtbogenöfen würden in Ländern gebaut, die eine wettbewerbsfähige und planbare Stromversorgung bieten könnten. ArcelorMittal hatte im Mai erklärt, den nächsten Elektrolichtbogenofen in Dünkirchen in Frankreich zu bauen.
Ursprünglich wollte ArcelorMittal bis 2030 einen Hochofen in Bremen und einen in Eisenhüttenstadt ersetzen. In Bremen sollten eine sogenannte Direktreduktionsanlage und ein Elektrolichtbogenofen errichtet werden. Die neuen Anlagen sollten perspektivisch „grünen” Wasserstoff nutzen.
Das Unternehmen hat wiederholt betont, dass wettbewerbsfähige Strompreise und ausreichend Wasserstoff Voraussetzung für den Umbau der Stahlerzeugung sind. Bislang sei „grüner“ Wasserstoff jedoch noch keine tragfähige Energiequelle, erklärt der Konzern. Die DRI-Produktion auf Erdgasbasis sei als Übergangslösung nicht wettbewerbsfähig. Gleiches gelte für die Umstellung vom Hochofen auf den Elektrolichtbogenofen, der mit Erdgas und Strom betrieben wird. Die aktuellen Strompreise in Deutschland seien sowohl im internationalen Vergleich als auch im Vergleich zu den europäischen Nachbarländern zu hoch.
Der Konzern erklärte weiter, er halte an dem Ziel fest, die CO2-Bilanz seiner Anlagen weiter zu verbessern – auch wenn es zunehmend unwahrscheinlicher werde, die CO2-Reduktionsziele bis 2030 zu erreichen. „Es wird immer deutlicher, dass die Energiewende in allen Bereichen langsamer als erwartet vorankommt.“
Bremer Senat reagiert verärgert
Der Bremer Senat sprach von einer „Absage der Dekarbonisierung der Hütten“. Der Senat sei tief enttäuscht und verärgert, nachdem Politik und Unternehmen so lange gemeinsam an einer Perspektive für das Bremer Stahlwerk gearbeitet hätten. Der Senat habe unter großen Anstrengungen gut 250 Millionen Euro für den Umbau des Stahlwerks bereitgestellt.
Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) sagte: „Dass Arcelor-Mittal sich von der Transformation der Stahlindustrie verabschiedet, ist nicht nur ein schwerer Schlag für den Bremer Wirtschaftsstandort und für die Zukunft der Hütte. Es ist vor allem ein schwerer Schlag für die Beschäftigten und ihre Familien.“ Bovenschulte forderte vom Konzern ein Bekenntnis zum Werk und der Stahlproduktion in Bremen.
Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) erklärte, die Landesregierung werde alles unternehmen, um gemeinsam mit den Beschäftigten, dem Bürgermeister, dem Unternehmen und allen Beteiligten die Arbeitsplätze im Stahlwerk in Eisenhüttenstadt zu schützen. „Der Industriestandort Deutschland und Europa darf nicht gefährdet werden.“
Stahlindustrie unter großem Druck
Die deutsche Stahlindustrie befindet sich nach wie vor in einer Krise. Im Jahr 2024 blieb die erzeugte Rohstahlmenge auf „Rezessionsniveau“, wie die Wirtschaftsvereinigung Stahl mitgeteilt hatte. Den Unternehmen machen der enorme Zuwachs von Billigimporten aus China und die nicht wettbewerbsfähigen Kosten für Strom schwer zu schaffen.
Poelvoorde erklärte, die europäische Stahlindustrie stehe derzeit unter einem noch nie dagewesenen Druck, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten – und das bereits ohne die zusätzlichen Kosten, die für die Dekarbonisierung erforderlich seien. „Die Europäische Kommission und ihre Mitgliedstaaten unternehmen Schritte, um dieses Problem mit dem Aktionsplan für Stahl und Metalle zu lösen.“ Das gehe jedoch zu langsam. Europa könne eine starke Stahlindustrie erhalten, müsse aber entschlossen handeln.