Werksschließungen

Die Schließungswelle beim Chemiekonzern Ineos geht weiter. Betroffen sind zwei Werke im Kreis Wesel. Der Konzern kritisiert die europäische Energiepolitik scharf und warnt vor einer zunehmenden Abhängigkeit von Importen wichtiger Rohstoffe.

„Europa begeht industriellen Selbstmord“


Der britische Chemiekonzern Ineos schließt zwei Werke in Rheinberg (Kreis Wesel). Von der geplanten Maßnahme seien 175 Stellen betroffen, teilte das Unternehmen in London mit. Der genaue Zeitpunkt steht bislang nicht fest. Der Fokus liege nun darauf, die verbliebenen Betriebe in Rheinberg zu erhalten und die 300 Arbeitsplätze vor Ort zu sichern.

„Europa begeht industriellen Selbstmord“, erklärte der Chef des Ineos-Tochterunternehmens Ineos Inovyn, Stephen Dossett. „Während die Konkurrenz in den USA und China von billiger Energie profitiert, werden die europäischen Hersteller durch unsere eigene Politik und das Fehlen eines Zollschutzes vom Markt verdrängt.“ Die Chemikalien aus China seien auch deshalb so billig, weil sie häufig mit günstigem Öl und Gas aus Russland hergestellt würden. 

Der Markt werde von emissionsreichen Importen überschwemmt. „Das ist völlig untragbar und wird zu weiteren Schließungen, Arbeitsplatzverlusten und einer höheren Abhängigkeit von anderen Regionen bei wichtigen Rohstoffen führen, wenn nicht sofort Abhilfe geschaffen wird.“ Moderne und effiziente europäische Werke müssten schließen, während die weltweiten Emissionen stiegen. „Dies ist nicht nur wirtschaftlicher Irrsinn. Das ist ökologische Heuchelei.“ Europas Wettbewerbsfähigkeit breche ein, monierte der Manager. 

Schon mehrere Werksschließungen

Es ist nicht das erste Mal, dass Ineos einem Werk den Stecker zieht: Den Angaben zufolge wurden die Standorte im britischen Grangemouth und im belgischen Geel bereits geschlossen. Im Sommer wurde die Schließung eines Werks in Gladbeck (Kreis Recklinghausen) verkündet, wodurch 279 Arbeitsplätze betroffen sind. Nun folgt die nächste Hiobsbotschaft für die Belegschaft des Unternehmens, dessen Holding in Großbritannien sitzt und das in Köln stark vertreten ist – dort sind Firmenangaben zufolge rund 2.500 Menschen für Ineos tätig.

In einem der Rheinberger Werke, die nicht fortgeführt werden sollen, produziert die Firma bislang Allyl-Chemikalien, die für sogenannte Epoxidharze benötigt werden. Die wiederum kommen bei der Produktion von Gütern für die Verteidigung, Luft- und Raumfahrt, Autoindustrie und Erneuerbare-Energien-Industrie zum Einsatz. Außerdem stellt Ineos in Rheinberg Chlor her, das unter anderem für Medikamente und die Abwasserentsorgung genutzt wird.

„Irre Regulierung“

Ineos ist kein Einzelfall, die gesamte deutsche Industriebranche steht unter Druck. Vom Verband der Chemischen Industrie (VCI) heißt es, bei den Unternehmen herrsche Krisenstimmung. Hoffnungen auf eine konjunkturelle und wirtschaftspolitische Wende seien verflogen. „Die Industrienation Deutschland hat heftig Schlagseite“, sagte VCI-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Große Entrup kürzlich und warnte die Politik davor, den Untergang zentraler Branchen zu riskieren. 

Der Verbandschef mahnte rasche Reformen sowie eine Reduzierung der Stromkosten, der „Monsterbürokratie“ und der „irren“ Regulierung an. „Wenn die Politik jetzt nicht handelt, verlieren wir nicht nur Anlagen und Arbeitsplätze.“ Die industrielle Zukunft stehe auf dem Spiel.

320°/dpa

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