Elektroschrott

Deutschland verfehlt die EU-Sammelquote für Elektroschrott schon seit Jahren deutlich. Mit einer Novelle des Elektro- und Elektronikgerätegesetzes soll die Rückgabe erleichtert werden. Doch Sachverständige fordern weiterreichende Maßnahmen.

Novelle ElektroG: Experten zeigen sich skeptisch


Deutschland kämpft seit Jahren darum, seine Sammelziele für Elektroschrott zu erreichen und die damit verbundenen Sicherheitsrisiken in den Griff zu bekommen. Die geplante Novelle des Elektro- und Elektronikgerätegesetzes (ElektroG) soll hier Abhilfe schaffen, doch eine Anhörung von Sachverständigen, die am Mittwoch im Bundestag stattfand, zeichnet ein ernüchterndes Bild. Anstatt eines großen Wurfs präsentiere die Regierung Detailänderungen, die nach einhelliger Meinung der Experten die grundlegenden Systemfehler nicht beheben werden.

Die Novelle der Regierung sieht vor, die Rückgabe von Altgeräten für Verbraucher zu erleichtern. Insbesondere Einweg-E-Zigaretten, die oft achtlos im Restmüll oder in der Natur landen, sollen künftig überall dort unentgeltlich zurückgegeben werden können, wo sie verkauft werden. Kommunale Sammelstellen, die heute bereits rund 80 Prozent des Elektroschrotts aus privaten Haushalten bewältigen, sollen zudem konkretere Vorgaben für die Sortierung erhalten, um Beschädigungen der Akkus zu vermeiden.

Thärichen: Weitere Instrumente müssen folgen

Holger Thärichen vom Verband kommunaler Unternehmen (VKU) nannte die geplanten Vorgaben eine „richtige Weiterentwicklung“ im Kampf gegen die zunehmende Brandgefahr. Dennoch sei die Novelle nur ein Baustein, dem weitere Instrumente folgen müssten. So reiche die geplante Rückgabemöglichkeit für Einweg-E-Zigaretten im Handel nicht aus; Thärichen plädierte stattdessen für ein klares Verbot. Zugleich forderte er, Hersteller und vor allem den Online-Handel stärker an den Kosten der kommunalen Sammlung zu beteiligen.

Diese Forderung wurde von der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände in einer schriftlichen Stellungnahme untermauert. „Der steigende Aufwand für die Entsorgung der massenhaften Elektro- und Elektronikaltgeräte“ dürfe nicht allein auf den Kommunen abgeladen werden. Kritik kommt auch aus der privaten Entsorgungswirtschaft. Sascha Roth vom Entsorgerverband BDE bezeichnete die Rücknahmepflicht für E-Zigaretten im Handel als „nicht zielführend“. Er befürchte, dass am Ende noch mehr Produkte im Restmüll landen, in Müllwagen zerdrückt werden und Brände auslösen. Angesichts dieser wachsenden Gefahren gebe es „keine andere Lösung“ als die Einführung eines Batteriepfandsystems.

Handel wehrt sich gegen neue Pflichten

Widerspruch kam erwartungsgemäß aus der Wirtschaft. Oliver Pohland vom Verband des eZigarettenhandels (VdeH) hält sowohl ein Verbot als auch ein Pfandsystem für „rechtlich und praktisch problematisch“. Solche Maßnahmen würden ihr Ziel verfehlen, solange der „immense Schwarzmarkt“ bei E-Zigaretten nicht durch mehr Kontrollen und „empfindliche Sanktionen“ effektiv bekämpft werde. Neue Regulierungen träfen nur den legalen Handel und stärkten letztlich die illegalen Strukturen.

Auch der Handel sieht sich bereits an der Belastungsgrenze. Insbesondere die geplanten Änderungen bei den Verbraucherinformationen hätten erhebliche finanzielle und administrative Folgen für die Handelsunternehmen, erklärte Stefanie Stadie vom Handelsverband Deutschland (HDE). In vielen Geschäften seien Elektrogeräte häufig Aktionsware, die im Verkaufsraum keinen fest zugeordneten Platz hätten. Die im Entwurf für eine Novelle des ElektroG vorgesehenen Änderungen bei den Verbraucherinformationen hätten zur Folge, dass mehrfach in der Woche aus- und umgeräumte Aktionsware immer wieder neu und zusätzlich beschildert werden müsste. Das sei für Händler in der Praxis nicht zu stemmen.

Stadie verwies zudem auf die bereits heute bestehenden „umfangreichen Rücknahmepflichten“, die oft unter schwierigen räumlichen Bedingungen erfüllt werden müssten. Obwohl der Handel seinen Beitrag leiste, bleibe die deutsche Sammelquote von Elektroschrott hinter den EU-Vorgaben von 65 Prozent zurück. „Diese Diskrepanz zeigt: Mehr Pflichten für den Handel allein führen nicht automatisch zu größeren Rücknahmemengen“, so Stadie. Zusätzliche Informationspflichten seien ungeeignet, um die Sammelmengen signifikant zu steigern.

Umweltverbände kritisierten den Gesetzentwurf ebenfalls als unzureichend. Luisa Denter von Germanwatch und Viktor Schödwell von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) vertraten die gleiche Meinung: Die vorgeschlagenen Maßnahmen würden weder die Sammelleistung steigern noch die Brandrisiken reduzieren. Während die Sammelmengen stagnierten, wachse der Berg an Elektroschrott. „Das Problem wird also wachsen, wenn wir nicht wirklich handeln“, mahnte Denter und forderte eine substanzielle Reform, die eine erweiterte Herstellerverantwortung sowie Anreize zur Wiederverwendung, etwa durch einen Reparaturbonus, umfasst.

Auch DUH-Experte Schödwell verlangte eine Abkehr von der geteilten Produktverantwortung. Hersteller müssten verpflichtet werden, sich in kollektiven Rücknahmesystemen mit verbindlichen Quoten zu organisieren. Zudem müsse die Rücknahmepflicht im Handel vereinfacht und ausgeweitet werden: Alle Händler sollten Altgeräte zurücknehmen, unabhängig von ihrer Verkaufsfläche.

Christian Eckert vom Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) riet derweil dazu, die Novelle vorerst ganz auszusetzen. Die EU-Kommission plane im Rahmen des „Circular Economy Acts“ ohnehin eine grundlegende Überarbeitung der europäischen Richtlinie, deren Ergebnisse man abwarten und EU-weit einheitlich umsetzen sollte.

320°/hib/re

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