Schutz der Stahlindustrie

Die EU will ihre Stahlhersteller mit neuen Schutzmaßnahmen vor globaler Konkurrenz abschirmen und den Weg zur Klimaneutralität ebnen. Recyclingverbände begrüßen den Schritt, warnen aber zugleich vor den Folgen.

Recyclingverbände fürchten weitere Handelsbeschränkungen


Die Europäische Kommission hat am Mittwoch erste Maßnahmen ihres „Steel and Metals Action Plan“ (SMAP) präsentiert, ein Instrument, das die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Stahl- und Metallindustrie sichern und sie auf dem Weg zur Klimaneutralität unterstützen soll. Die Botschaft ist klar: Europas strategisch wichtige Grundstoffindustrie soll gegen globale Billigkonkurrenz abgeschirmt werden.

Für die deutsche und europäische Recyclingbranche ist das zunächst eine gute Nachricht. Verbände wie die Bundesvereinigung Deutscher Stahlrecycling- und Entsorgungsunternehmen (BDSV), der Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung (bvse) sowie der Verband Deutscher Metallhändler und Recycler (VDM) begrüßten die Pläne. Ihre Mitgliedsunternehmen setzen über 80 Prozent ihrer recycelten Metalle innerhalb der Europäischen Union ab. Die Schutzmaßnahmen seien daher ein „begrüßenswerter Schritt zur Sicherung des wichtigsten Absatzweges“.

„Buy European“

Herzstück des Steel and Metals Action Plan ist die Anpassung des CO2-Grenzausgleichsmechanismus, kurz CBAM (Carbon Border Adjustment Mechanism). Dieses Instrument verpflichtet Importeure emissionsintensiver Waren, beim Import einen CO2-Preis in Form von Zertifikaten zu entrichten. Damit sollen die Wettbewerbsnachteile für europäische Produzenten ausgeglichen und die Abwanderung von Industrien in Länder mit laxeren Klimavorschriften – das sogenannte Carbon Leakage – verhindert werden.

Flankiert wird der CBAM durch weitere industriepolitische Initiativen, etwa durch gezielte „Buy European“-Vorgaben bei der Vergabe öffentlicher Aufträge. Große Infrastrukturprojekte sollen vorrangig mit in Europa erzeugtem Stahl umgesetzt werden. So will die EU heimische Lieferketten stärken, Arbeitsplätze sichern und die Transformation hin zu einer grünen Stahlproduktion honorieren.

Grafik: picture alliance/dpa-Infografik

Doch hinter der prinzipiellen Zustimmung der Recycler verbergen sich tiefgreifendere Sorgen um die nachgelagerte Wertschöpfungskette. Die Schutzmaßnahmen verteuern importierten Stahl, was die stahlverarbeitende Industrie unmittelbar trifft.

„Allen Beteiligten muss klar sein, dass nicht die ‚unfairen‘ Regime anderer Länder von den reduzierten Einfuhrquoten und höheren Abgaben getroffen werden“, stellt BDSV-Geschäftsführer Guido Lipinski klar. „Es sind vielmehr unmittelbar die stahlverarbeitenden Betriebe im Inland und mittelbar die europäischen Verbraucher, die den Schutz einer Grundstoffindustrie bezahlen.“

Murat Bayram, Präsident des VDM, verweist auf eine weitere, seiner Ansicht nach inkonsistente Regelung. Während Fertigprodukte geschützt werden, bleibe die Einfuhr von Halbzeugen wie Knüppeln und Brammen von allen Zöllen und Quoten verschont. „Die Begründung dafür würde uns einmal interessieren, nicht zuletzt vor dem Hintergrund des Ziels Net Zero 2050“, sagt Bayram.

Büchse der Pandora?

Darüber hinaus fürchten die Recyclingverbände auch weitere Handelsbeschränkungen, wie etwa die von der Aluminiumindustrie geforderten Exportbeschränkungen für Aluminiumschrott. „Die EU öffnet mit ihrem Vorgehen die Büchse der Pandora im Hinblick auf staatliche Förderung von Industriezweigen zulasten anderer Elemente der heimischen Wertschöpfungskette“, warnen die Verbände. So könnten bald schon die Automobil- oder Chemieindustrie den Schutz des Staates fordern.

„Eindringlich mahnen wir die Industrie und den Verordnungsgeber, sich nicht auf dem Kissen der Rettung auszuruhen“, erklären die Verbände. „Wir erwarten von den Empfängern steuerfinanzierter, staatlicher Zuwendungen eine echte Anstrengung, international wettbewerbsfähig zu werden.“

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