Reaktionen

Die Bundesregierung will die Kreislaufwirtschaft stärken, doch der Recyclingbranche geht das neue Aktionsprogramm nicht weit genug. Die Verbände bvse und BDE fordern weitergehende Maßnahmen. Sonst werde das Programm nicht der „große Wurf“.

Lob und Kritik für Aktionsprogramm Kreislaufwirtschaft


Die deutsche Recyclingwirtschaft hält das neue Aktionsprogramm der Bundesregierung zur Förderung der Kreislaufwirtschaft für unzureichend. Zwar sei der grundsätzliche Vorstoß zu begrüßen, doch entscheidende Weichenstellungen für einen echten Wandel fehlten. Ohne erhebliche Nachbesserungen werde das Programm seine Ziele verfehlen, so die Befürchtung des Bundesverbands Sekundärrohstoffe und Entsorgung (bvse).

„Mit dem Aktionsprogramm wird ein wichtiger Impuls gesetzt, um die Kreislaufwirtschaft in Deutschland weiter zu stärken“, erklärt bvse-Hauptgeschäftsführer Eric Rehbock. „Aber entscheidende Rahmenbedingungen, die Recycling und Ressourcenschutz wirklich voranbringen, fehlen bislang.“

„Genehmigungsturbo“ für Recyclinganlagen

Der bvse fordert unter anderem einen „Genehmigungsturbo“ für Recyclinganlagen, um dringend benötigte Kapazitäten schneller aufbauen zu können. Gleichzeitig müsse der Bürokratieabbau für Entsorgungs- und Recyclingunternehmen vorangetrieben werden. „Durch die stärkere Einbeziehung des Entsorgungsfachbetriebs gemäß § 56 Kreislaufwirtschaftsgesetz kann unnötiger Mehrfachzertifizierung wirksam entgegengewirkt werden, ohne dass Qualitätsstandards leiden“, so Rehbock. Dies würde Unternehmen entlasten, die ihre Qualifikation bereits unter Beweis gestellt haben.

Besonders prekär ist die Lage im Kunststoffrecycling. Der Markt für recycelte Kunststoffe steht unter enormem Druck, unter anderem durch die niedrigen Preise für Neuware aus fossilem Rohöl und falsch deklarierte Rezyklatimporte. „Unsere Branche steht mit dem Rücken zur Wand“, warnt Rehbock eindringlich. „Wenn nicht schnell gehandelt wird, gehen wertvolle Recyclingkapazitäten in Deutschland und Europa unwiederbringlich verloren.“

Um gegenzusteuern, fordert der Verband eine Änderung des § 21 im Verpackungsgesetz, um den Einsatz von Rezyklaten gezielt zu fördern. Zudem verlangt er wirksame Maßnahmen gegen Importe, die fälschlicherweise als Rezyklate deklariert werden und so den heimischen Markt verzerren.

Ein weiterer Hebel zur Stärkung der Kreislaufwirtschaft sei die öffentliche Hand, die jährlich Produkte und Dienstleistungen im Wert von über 350 Milliarden Euro einkauft. Der bvse unterstützt daher die geplante Schärfung des § 45 im Kreislaufwirtschaftsgesetz, der die öffentliche Beschaffung stärker in die Pflicht nehmen soll. „Diese Regelung sollte rechtlich verpflichtend und einklagbar ausgestaltet werden, um wirklich Wirkung zu entfalten“, betont Rehbock.

Zudem fordert der Verband eine bessere Förderpolitik. Es reiche nicht aus, nur Pilot- oder Demonstrationsanlagen zu unterstützen. Viele mittelständische Unternehmen, die das Rückgrat der Branche bilden, könnten den Sprung von im Labor erprobten Verfahren in die industrielle Anwendung finanziell nicht allein bewältigen.

„Wir brauchen endlich Förderprogramme, die dafür sorgen, dass im Labor oder Technikumsmaßstab erprobte Recyclingverfahren auch in die betriebliche Praxis überführt werden können“, erklärt Rehbock. Ohne eine solche finanzielle Unterstützung sei dies für viele Betriebe nicht zu stemmen.

BDE: „Resilienz, Wettbewerbsfähigkeit und Rohstoffsicherung kommen zu kurz“

Auch der Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Kreislaufwirtschaft (BDE) bewertet das Programm als grundsätzlich richtigen Schritt. „Das Aktionsprogramm bringt Bewegung in die Umsetzung der Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie“, sagt BDE-Präsidentin Anja Siegesmund. „Entscheidend ist jetzt, dass aus politischen Ankündigungen endlich konkrete Beschleunigungen in der Praxis werden: schnellere Genehmigungen, verlässliche Märkte für Rezyklate und klare Rahmenbedingungen für Investitionen in Recycling und Infrastruktur.“

Positiv bewertet der BDE insbesondere das geplante Förderprogramm „Zukunft Kreislaufwirtschaft“ im Klima- und Transformationsfonds, die angekündigte Digitalisierungsinitiative mit dem Circular Economy Information System (CEIS) und die geplante Reform des § 45 Kreislaufwirtschaftsgesetz und der AVV Klima zu einer „AVV Klima und Umwelt“ als Hebel für eine zirkuläre öffentliche Beschaffung.

Kritisch sieht der BDE vor allem das Fehlen zentraler industriepolitischer Hebel. „Resilienz, Wettbewerbsfähigkeit und Rohstoffsicherung kommen im Aktionsprogramm zu kurz“, so Siegesmund. Nötig sei ein stimmiges Zusammenspiel von Umwelt-, Industrie- und Wirtschaftspolitik. Ohne klare Maßnahmen zur Förderung des Rezyklateinsatzes und zum Schutz europäischer Standards bleibe das Programm nur ein Zwischenschritt.

„Wenn das Aktionsprogramm die Grundlage für eine industriepolitisch flankierte Kreislaufwirtschaftsstrategie wird, kann daraus ein großer Wurf werden. Dafür muss jetzt nachgelegt werden – vor allem bei Resilienz, Finanzierung und Rechtssicherheit – damit der Hochlauf der Kreislaufwirtschaft tatsächlich gelingt“, sagte Siegesmund.

320°/re

Mehr zum Thema
Bundestag verabschiedet ElektroG
Enzymatisches Recycling: Carbios drängt nach China
Grüner Punkt startet digitale Sortierhilfe
Deutsche Bahn setzt erstmals „grünen“ Stahl ein
Gehen Kunststoffrecycler beim Industriestrompreis leer aus?
So könnten Glaskeramik-Kochfelder recycelt werden
Wie gut sind Batteriezellen aus Recyclingmaterial?
Österreichs Baustoffrecycler hoffen auf Aushub-Verordnung
Von der Leyen kündigt Initiative „RESourceEU“ an