EU-Regierungschefs

Das geplante Verbot von Kfz-Neuzulassungen mit Verbrennungsmotor wackelt immer stärker. Druck kommt nun von den Ministerpräsidenten der Bundesländer. Und auch die EU-Regierungschefs fordern eine Überarbeitung.

Breite Front gegen das Verbrenner-Aus


Das geplante Verbot neuer Verbrennungsmotoren in der EU ab 2035 gerät weiter unter Druck. Sowohl die deutschen Ministerpräsidenten als auch die Staats- und Regierungschefs der EU fordern mehr Flexibilität und warnen vor den wirtschaftlichen Folgen.

„Ein starres Verbot der Verbrennertechnologie ab dem Jahr 2035 ohne Rücksicht auf seine tatsächliche Umsetzbarkeit würde nicht nur industrielle Kernkompetenzen und die Wettbewerbsfähigkeit des Automobilstandortes Deutschland gefährden, sondern auch die gesellschaftliche Akzeptanz der Elektromobilität insgesamt“, heißt es in einem Beschlusspapier der Ministerpräsidentenkonferenz in Mainz.

Söder: „Es braucht eine neue Balance“

„Die Zukunft ist elektrisch und da gibt es auch kein Deuteln“, sagte der rheinland-pfälzische Ministerpräsident und Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Alexander Schweitzer (SPD). Um die Industrie in Deutschland und Europa zu schützen, brauche es aber bei der angestrebten Klimaneutralität einen Übergang über das Jahr 2035 hinaus, betonte er. Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer (CDU) sagte, es sei unmöglich, bis zum Jahr 2035 alles voll elektrisch zu haben.

„Das Aus vom Verbrenner-Aus ist eingeleitet“, gab sich auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) optimistisch. „Jeder findet Elektro gut, aber es geht nicht anders: Wir brauchen auch für den Übergang weiterhin Verbrenner und deswegen auch die Zulassung für weitere Verbrenner nach 2035.“ Ansonsten werde Deutschland ökonomisch schweren Schaden erleiden.

Söder forderte: „Das muss jetzt auch die Blaupause sein für eine Einigung in der Koalition in Berlin und für die Position der Bundesregierung in Europa.“ Die Klimaziele in Europa seien bis 2035 nicht erreichbar und gefährdeten den Wohlstand. „Es braucht eine neue Balance zwischen Klimaschutz und industriellem Wohlstand.“

Die derzeitigen Regeln sehen vor, dass ab 2035 in der EU nur noch emissionsfreie Neuwagen zugelassen werden dürfen – faktisch ein Aus für Autos mit Verbrennungsmotor. Die Spitzen von Union und SPD haben sich bisher noch nicht darauf verständigt, ob sich die Bundesregierung auf EU-Ebene für Lockerungen beim geplanten Verbrenner-Aus einsetzen soll.

In ihrem Beschlusspapier bezeichnen die Ministerpräsidenten die Elektromobilität beim Auto als zentrale Zukunftstechnologie. „Gleichzeitig halten sie alternative klimafreundliche Antriebskonzepte, klimafreundliche Kraftstoffe und ergänzende Übergangstechnologien wie hocheffiziente Verbrenner, Plug-in-Hybride und Elektrofahrzeuge mit Range Extender für erforderlich, um Beschäftigung und Wertschöpfung in Deutschland zu sichern und ein Erreichen der Klimaziele ohne Bruch in der Industrie zu gewährleisten“, heißt es im Papier. Die Bundesregierung solle sich daher auf europäischer Ebene „für eine dynamische, indikatorbasierte, flexible und verlässliche Auslegung der Flottengrenzwerte auch über 2035 hinaus“ einsetzen.

Zudem soll sich die Bundesregierung dafür einsetzen, „die Zukunft des Verbrennungsmotors durch regulatorische Maßnahmen in Bezug auf klimafreundliche und CO2-arme Kraftstoffe wie auch Wasserstoff langfristig auf europäischer und nationaler Ebene zu sichern“. Der zusätzliche CO2-Ausstoß dieser Fahrzeuge könne „durch entsprechende Erhöhung der Beimischquoten an CO2-armem Kraftstoff ausgeglichen werden“. Zudem muss zügig ein realistischer Rahmen für Verbrenner mit klimafreundlichen Kraftstoffen von der EU-Kommission gesetzt werden.“

EU-Regierungschefs machen Druck

Auch die Staats- und Regierungschefs der EU fordern mehr Flexibilität beim Erreichen von Klimazielen. In einer in Brüssel beschlossenen Gipfelerklärung fordern sie eine Überarbeitung des sogenannten Verbrenner-Aus. Die EU-Kommission solle zügig einen entsprechenden Vorschlag vorlegen.

In der Erklärung heißt es, die Automobilindustrie müsse in einem globalen Markt und einem herausfordernden geopolitischen Umfeld widerstandsfähig und wettbewerbsfähig bleiben. Insgesamt wollen die EU-Spitzen beim Klimaschutz „pragmatisch und flexibel“ vorgehen, twitterte EU-Ratspräsident António Costa. Es müsse sichergestellt werden, dass Europas Klimaambitionen und die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft Hand in Hand gehen.

Im Ringen um ein Klimaziel der EU für das Jahr 2040 fordern die Staats- und Regierungschefs einen „realistischen Beitrag“ der Kohlendioxidentnahme – also des Einfangens von Kohlendioxid (CO₂) aus der Atmosphäre – zur Reduktion der Treibhausgase sowie ein „angemessenes Niveau“ hochwertiger internationaler Zertifikate. Zudem wollen sie die Möglichkeit einer Überprüfung des Klimaziels für 2040 verankern.

Laut EU-Klimagesetz muss neben den bestehenden Zielen für 2030 und 2050 auch ein Ziel für 2040 festgelegt werden. Die EU-Kommission schlägt vor, die Emissionen in den nächsten 15 Jahren um 90 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken – drei Prozent davon sollen nach dem Willen der Kommission durch international anerkannte Klimazertifikate kompensiert werden dürfen. Der Vorschlag benötigt noch die Zustimmung der Mehrheit der EU-Staaten und des Europaparlaments, in mehreren Staaten regt sich jedoch Widerstand.

320°/dpa/re

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