Konjunktur
Die deutsche Wirtschaft kommt nicht vom Fleck und verzeichnete zuletzt ein Nullwachstum. Experten sehen tiefe strukturelle Probleme. Die marode Infrastruktur gilt inzwischen als akute Bedrohung für die Wettbewerbsfähigkeit.
Flaute hält an: Deutsche Wirtschaft stagniert im Sommer
Die deutsche Wirtschaft kommt nicht in Schwung: Nachdem das Bruttoinlandsprodukt im Frühjahr geschrumpft war, stagnierte es im dritten Quartal. Das Statistische Bundesamt errechnete nach vorläufigen Daten ein Wachstum von null Prozent im Vergleich zum Vorquartal.
Eine schwache Nachfrage in wichtigen Branchen wie dem Autobau und der Chemieindustrie macht der Industrie zu schaffen, während hohe US-Zölle den Export von deutschen Waren bremsen. Im Inland halten sich Verbraucherinnen und Verbraucher beim Konsum zurück – auch, weil sie für Dinge des täglichen Bedarfs wie Lebensmittel oft mehr zahlen müssen als vor der Corona-Pandemie.
In den drei Monaten von Juli bis September stiegen zwar die Investitionen in Ausrüstungen wie Maschinen und Fahrzeuge, so die Statistiker. Doch die Exporte gingen im Vergleich zum Vorquartal zurück.

Die Probleme liegen tiefer als nur in der zyklischen Nachfrage. Unternehmen klagen über hohe Energiepreise und ausufernde Bürokratie. Besonders die Infrastruktur entwickelt sich zur zentralen Wachstumsbremse. Laut einer Umfrage des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) unter 1.100 Unternehmen sehen 84 Prozent die marode Verkehrsinfrastruktur als Belastung. „Die Verkehrsinfrastruktur ist ein Bremsklotz für die deutsche Wirtschaft geworden“, resümiert IW-Experte Thomas Puls.
Angesichts dieser Blockaden hat die Bundesregierung Maßnahmen angekündigt. Ein „Wachstumsbooster“ soll verbesserte Abschreibungsmöglichkeiten für Unternehmen schaffen, während ein „Bauturbo“ Genehmigungsverfahren beschleunigen soll.
Skepsis gegenüber Reformtempo
Kanzler Friedrich Merz (CDU) stellte Anfang Oktober ein hohes Tempo bei weiteren Reformen in Aussicht. „Das geht jetzt Schlag auf Schlag“, sagte Merz im ZDF-“heute journal“ und ergänzte: „Der Herbst der Reformen hat längst angefangen.“
In der Wirtschaft ist der anfängliche Optimismus jedoch der Ernüchterung gewichen, auch wegen Auseinandersetzungen innerhalb der schwarz-roten Koalition. Führende Manager warnen vor einem Verlust der Wettbewerbsfähigkeit. Deutschland müsse „endlich wach werden“ und „Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit in den Mittelpunkt der politischen Agenda“ stellen, mahnte jüngst Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing.
Auch Volkswirte blicken skeptisch auf die angekündigten Maßnahmen. „Mit der deutschen Wirtschaft gehe es nicht wirklich bergauf“, sagte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. „Erst im kommenden Jahr sollte das Fiskalpaket der Bundesregierung die Konjunktur anschieben, wobei das wegen der ausbleibenden Reformen nicht nachhaltig ist.“
2026 soll besser werden
Die Prognosen bleiben entsprechend düster. Für das laufende Jahr 2025 rechnen führende Ökonomen nur noch mit einem Mini-Wachstum von etwa 0,2 Prozent, womit die Wirtschaft knapp am dritten Jahr ohne nennenswertes Wachstum vorbeischrammen könnte.
Für 2026 sind die Erwartungen leicht positiver, was Ökonomen vor allem auf geplante Milliardenausgaben für Infrastruktur und Verteidigung zurückführen. Während die Bundesregierung ein Plus von 1,3 Prozent erwartet, prognostiziert der Internationale Währungsfonds (IWF) lediglich 0,9 Prozent.
Deutschlands führende Wirtschaftsforschungsinstitute warnten jedoch im September in ihrer Gemeinschaftsdiagnose: Die deutsche Wirtschaft stehe nach wie vor auf „wackeligen Beinen“. Das erwartete Wachstum werde primär durch staatliche Investitionen getrieben. Damit sich der Aufwärtstrend verfestige, seien grundlegende strukturelle Reformen notwendig.






