Staatliche Förderung

Die Kunststoffrecyclingbranche kämpft um ihre Wettbewerbsfähigkeit. Ob sie vom geplanten Industriestrompreis profitieren kann, hängt an bürokratischen Details und am EU-Beihilferecht. Die Recycler hoffen nun auf Berlin – und auf Brüssel.

Gehen Kunststoffrecycler beim Industriestrompreis leer aus?


Mit ihrer Ankündigung, zum Jahresbeginn einen Industriestrompreis einzuführen, hat Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche große Hoffnungen geschürt. Insbesondere die energieintensiven Industrieunternehmen erhoffen sich dadurch eine Verbesserung ihrer internationalen Wettbewerbsfähigkeit. Doch nun entbrennt ein Kampf darum, wer genau zu diesem Kreis der Begünstigten zählen wird.

Einer der Kandidaten ist die Kunststoffrecyclingbranche. Sie leidet unter hohem Kostendruck, insbesondere durch die Energiekosten, und fürchtet, im Wettbewerb abgehängt zu werden. Branchenvertreter fordern daher vehement, bei der staatlichen Entlastung nicht übersehen zu werden.

„Die hohen Energiepreise verschlechtern unsere Konkurrenzfähigkeit sowohl gegenüber Neuprodukten als auch gegenüber Importen“, erklärt Herbert Snell, Vizepräsident des Entsorgerverbands bvse. Die Politik müsse sicherstellen, „dass auch unsere Kunststoffrecycler durch den Industriestrompreis entlastet werden“.

Kunststoffrecycler müssen noch einige Hürden nehmen

Allerdings ist bislang unklar, ob die Branche tatsächlich in den Kreis der Begünstigten fällt. Entscheidend dafür ist laut bvse die Einstufung der Betriebe in der Klassifikation der Wirtschaftszweige (WZ), die Grundlage für viele Förder- und Entlastungsentscheidungen ist. Nur wenn das Recycling von Kunststoffen formal als förderfähige, energieintensive Tätigkeit anerkannt wird, könnten Kunststoffrecyclingunternehmen von einem reduzierten Strompreis profitieren.

Der bvse sieht hier die Bundesregierung in der Pflicht. Der Verband fordert eine klare Empfehlung an das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), das auf Weisung des Bundeswirtschaftsministeriums entsprechende Entscheidungen treffen könnte.

Doch selbst wenn diese nationale Hürde genommen wird, wartet die entscheidende Prüfung in Brüssel. Ein Industriestrompreis stellt eine staatliche Beihilfe dar, die nach Artikel 107 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) den Wettbewerb im Binnenmarkt nicht verfälschen darf.

Ausnahmen sind jedoch möglich, etwa zur Förderung des Umweltschutzes. Die Europäische Kommission hat hierfür im Jahr 2022 neue Leitlinien für staatliche Klima-, Umweltschutz- und Energiebeihilfen (KUEBLL) erlassen. Diese erlauben Vergünstigungen für energieintensive Industrien, sofern die Maßnahmen im Einklang mit den Klimazielen der EU stehen. Unternehmen müssten nachweisen, dass sie zu einer Verringerung der CO2-Emissionen beitragen oder eine wesentliche Rolle in der Kreislaufwirtschaft spielen, erklärt der bvse.

Recyclingbetriebe könnten hier punkten, wenn sie ihre Beiträge zur CO2-Reduktion und zur Ressourcenschonung nachweisen. „Es wäre ein falsches Signal, wenn ausgerechnet die Branche, die im Zentrum der europäischen Kreislaufwirtschaftsstrategie steht, von der Entlastung beim Industriestrompreis ausgeschlossen bliebe“, warnt Snell. 

Eine Unterstützung des Recyclings durch einen Industriestrompreis würde, so das Argument, nicht nur zur Dekarbonisierung der Industrie, sondern auch zur Stärkung der Kreislaufwirtschaft beitragen – zwei erklärte Kernziele der EU-Politik.

320°/re

Mehr zum Thema
Bundestag verabschiedet ElektroG
Enzymatisches Recycling: Carbios drängt nach China
Swedish Plastic Recycling für Rückverfolgbarkeit zertifiziert
„Jede zirkuläre Revolution beginnt in einer Rezession“
Von der Leyen kündigt Initiative „RESourceEU“ an
EU-Nachfrage nach Recyclingkunststoffen wird massiv steigen