Stadt der Zukunft

In der Stadt der Zukunft wird sich auch die Abfallentsorgung verändern: Sie muss effizienter, umweltfreundlicher und vor allem digitaler werden. Das hat auch Auswirkungen auf das Personal. Wird der klassische Müllmann dann nicht mehr gebraucht?

Abfallentsorgung von morgen: Das wird sich ändern


Die Städte von morgen werden vor allem eines sein: voll. Damit die Menschen aber dennoch gut leben können, müssen die Städte einige Anforderungen erfüllen: wenig Lärm, CO2-arm, grün und am besten kompakt. Auch die Abfallentsorgung muss dazu ihren Teil beitragen – denn einer der wichtigsten Fortschritte für die Stadt 4.0 ist eine Trendwende im Wirtschaftsverkehr.

„In einer zukunftsfähigen Stadt sollten Fahrten zur Versorgung, Entsorgung sowie der Baustellenverkehr elektrisch erbracht werden“, heißt es in einer UBA-Studie mit dem Titel „Stadt für Morgen“. Außerdem sollte die sogenannte langsame Logistik verstärkt eingesetzt werden. Gemeint ist damit, dass bisher zeitlich versetzte Fahrten mit gleichem Ziel zusammengelegt und so durch eine bessere Auslastung überflüssige Wege vermieden werden. „Dadurch werden Güter zwar nicht mehr so schnell, dafür so effizient wie möglich transportiert“, so die Autoren der Studie.

Für Achim Schröter sind die vom UBA angesprochenen Themen ebenfalls die großen Fragen in der Abfallwirtschaft der Zukunft. Schröter ist stellvertretender Geschäftsführer der Abteilung Abfallwirtschaft und Stadtreinigung im Kommunalverband VKU. Vor allem beim Antriebsthema hofft der Verbandsvertreter, dass es bald erschwingliche und wirtschaftliche Lkw mit alternativen Antriebstechnologien gibt. „Bisher werden die nämlich kaum hergestellt“, kritisiert er.

Aus Schröters Sicht könnte die Abfallentsorgung der Zukunft so aussehen: Ein Lieferwagen fährt autonom gesteuert vor, ein Roboter rollt beispielsweise bestellte Lebensmittel vor die Haustüre und nimmt Müllsäcke wieder mit. Geleitet wird das Gefährt gegebenenfalls von intelligenten werden, die mit GPS-Sendern ausgestattet sind. „Das ist natürlich noch etwas gewagt, aber es wird daran gearbeitet“, sagt er.

Müllmänner von morgen müssen sich mit mehr Technologie auskennen

Unklar ist hingegen für Schröter, wie sich die Größe der Fahrzeuge entwickeln wird. „Brauchen wir eher mehr große Fahrzeuge, die viel transportieren können und weniger fahren müssen oder mehrere kleine, die dafür häufiger fahren?“ Und daran anschließend gleich das nächste Thema: Woher kommt ausreichend qualifiziertes Personal? Denn die Müllmänner von morgen müssen sich auch mit autonomen Fahren auseinandersetzen und sich mit immer mehr Technologien und fortschreitender Digitalisierung auskennen. „Dabei finden wir schon jetzt nicht mehr genug gute Leute“, so Schröter.

Nicht nur der VKU-Vertreter, auch der Abfallwirtschaftsprofessor Klaus Gellenbeck von der Universität Münster sieht künftig starke Veränderungen auf die Müllmänner zukommen: Diese könnten sich beispielsweise als Ersthelfer ausbilden lassen und bei der Tonnenentleerung für unsichere Menschen als Ansprechpartner zur Verfügung stehen. Oder beim Hinweg noch Pakete ausliefern. Weitere Megatrends in der Abfallwirtschaft sieht Gellebeck ebenfalls in der Digitalisierung und neuen Antriebstechniken.

Entsorgungswirtschaft soll sich mit anderen Wirtschaftszweigen verknüpfen

Das Normierungsinstitut DIN hat im vergangenen Jahr verschiedene Experten beauftragt, sich Gedanken über die Smart Cities von morgen zu machen. Herausgekommen ist das Impulspapier „Technologie und Mensch in der Kommune von morgen – Impulspapier zu Normen und Standards“, zu dem auch Schröter beigetragen hat.

In dem Papier dreht sich vieles um Logistik und kurze Wege. So sollen Produktionsabfälle und Energieüberschüsse ohne Umwege genutzt werden können, „wenn die Ansiedlung von Betrieben in Gewerbe­ oder Mischgebieten so gesteuert wird, dass im Idealfall Abfälle (oder Energieüberschüsse) des einen Betriebes zu Rohstoffen und Vorprodukten (oder Prozessenergie) des anderen Betriebes werden“, schreiben die Autoren. Außerdem soll die Entsorgungswirtschaft mit anderen Wirtschaftszweigen verknüpft werden und Minimierung von Leerfahren die Effizienz erhöht werden.

Smarte Abfallbehälter unterflur

Um die Leerfahrten zu minimieren, können auch smarte Abfallbehälter helfen. Füllstandssensoren melden, wenn die Tonne voll ist und helfen, die Routenplanung an den tatsächlichen Bedarf anzupassen – in einigen Gebieten sind solche smarten Behälter bereits im Einsatz. Ebenso wie Unterflurbehälter, die das Stadtbild verschönern und dem Bedarf nach mehr Platz nachkommen.

Wie präsent das Thema bei den Forschern schon ist, zeigen auch zahlreiche Projekte und Untersuchungen. Unter dem Titel „Morgenstadt“ widmen sich beispielsweise mehrere Fraunhofer-Institute seit vier Jahren dem Thema. Die Wissenschaftler glauben unter anderem, dass in Zukunft jedes Haus ein kleines Kraftwerk wird. Photovoltaik-Anlagen, Wärmepumpen und Dämmung sollen dafür sorgen, dass Gebäude mehr Energie erzeugen, als sie verbrauchen. Elektroautos können dort tanken, gleichzeitig fungieren sie neben Hochleistungsbatterien als Energiespeicher.

Ende vergangenen Jahres hat das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation ein weiteres Forschungsprojekt zum urbanen Wirtschaftsverkehr gestartet – auch in Bezug auf die Abfallsammlung. Dabei wird zunächst in drei Städten – Leipzig, Mannheim und München – der Status-Quo des Wirtschaftsverkehrs analysiert. Anschließend wird untersucht, welche Anforderungen und Chancen die Prozesse der Automatisierung und Elektrifizierung für den innerstädtischen Wirtschaftsverkehr mit sich bringen und welche Lösungen es geben kann.

Auch auf EU-Ebene gibt es Projekte und Forschung zum Thema Abfallwirtschaft in der Zukunft beispielsweise das Projekt „Urban Waste“. Für elf urbane Pilot-Regionen – darunter auch Touristengegenden – werden Strategien zum künftigen Umgang mit Abfall erarbeitet.

Für Schröter gibt es aber noch eine ganz andere Frage: Wie kann künftig Müll vermieden werden? „Wir brauchen auch etwas mehr Demut von den Ansprüchen unseres Planten“, sagt er. „Daher brauchen wir deutlich mehr Mehrweg und müssen vor allem weg von den ganzen Verpackungen kommen.“

 

© 320° | 23.08.2018

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