Globaler Markt

Die Flaute in den großen Abnehmerregionen für Alttextilien wächst sich zu einem immer größeren Absatzproblem aus. Besonders Originalware leidet unter der Überversorgung des Marktes. In Großbritannien ist unterdessen ein dramatischer Rückgang der Sortieraktivitäten zu beobachten.

Absatzprobleme für Altkleider werden größer


Der Absatzmarkt für Alttextilien ist ins Wanken geraten. Einer der Gründe ist die Flut an oft billiger Neuware, die derzeit die Altkleidung verdrängt. In einigen der großen Abnehmerregionen werden die Recyclingunternehmen daher immer häufiger ihre Altkleider nicht mehr los.

Diese Problematik war auch ein bestimmendes Thema bei der Frühjahrstagung des Weltrecyclingverbands BIR Ende Mai in Barcelona. Unter anderem in Westeuropa habe das Angebot an Originalware in den letzten Monaten deutlich zugenommen haben, berichtete Martin Böschen vom Schweizer Altkleiderverwerter Texaid. Die osteuropäische Nachfrage nach sortierten Waren sei rückläufig gewesen.

Aber auch die Lage auf dem afrikanischen Altkleidermarkt wird und wird nicht besser. Insbesondere hier wächst sich momentan billige Neuware aus China zu einem Problem aus. Schließlich drängen immer mehr Anbieter neuer Waren aus Fernost auf die afrikanischen Märkte. Als Folge haben einige ostafrikanische Staaten bereits ein Altkleider-Importverbot vereinbart. Dies soll von 2019 an gelten.

Zahlungsverzögerungen belasten afrikanischen Markt

„Die Bestellungen aus Afrika waren in den vergangenen Monaten auf einem niedrigen Niveau“, bestätigt Böschen die schwierige Marktlage. Es bestehe ein hohes Risiko, dass sich die Nachfrage auch im Herbst nicht verbessern werde.

Der Alttextilexperte macht dafür aber nicht nur das Überangebot an Originalware verantwortlich. Es soll auch immer wieder zu Zahlungsverzögerungen kommen. Das unterstrich auch Pol T’Jollyn vom belgischen Altkleider-Sortierer und -Exporteur Recutex: „Zahlungen aus Afrika sind immer noch problematisch.“

Etwas optimistischer bezüglich der Entwicklungen auf dem afrikanischen Markt zeigte sich nur der Italiener Sauro Ballerini. Der afrikanische Markt bewege sich wieder, wenn auch langsam, sagte Ballerini, Vorstandmitglied der BIR-Alttextil-Sparte, bei der Sitzung in Barcelona.

Großer Überschuss an Gebrauchtkleidung

Für die Probleme auf dem globalen Textilmarkt gibt es aber noch zwei weitere Gründe. Zum einen gab es noch nie so viel Ware auf dem Altkleidermarkt wie im Augenblick. „Einige gesetzliche Bestimmungen haben die normalen Regeln von Angebot und Nachfrage untergraben“, argumentierte Michael Sigloch, Geschäftsführer des Aufbereiters Gras & Sigloch. Das habe zu einem großen Überschuss an Gebrauchtkleidung geführt. Gleichzeitig bestehe die Gefahr, dass minderwertige Qualitäten unverkäuflich werden.

Zum anderen hat sich die Qualität von Neutextilien verschlechtert. Selbst Markenkleidung scheint nicht mehr das zu sein, was sie mal war. So zeigen Erfahrungen aus der Sammelpraxis, dass bei der Abgabe der Altkleider die Textilien heute bereits zu 70 Prozent abgenutzt sind.

Auf diese Problematik wies auch Sigloch hin: „Die Materialzusammensetzung der heutigen Bekleidung ist so heterogen, dass ein sinnvolles mechanisches Recycling von hochwertigen Materialien unmöglich sei. Wenn es auch in Zukunft eine stoffliche Verwertung dieser Materialien geben solle, müsse es in der Modebranche ein Umdenken geben.

Dramatischer Rückgang der Sortieraktivitäten in UK

Die britischen Altkleidersortierer haben darüber hinaus noch mit einem weiteren Ungemach zu kämpfen: Ihnen fehlt das Personal. „Die Industrie ist stark abhängig von Wanderarbeitern, von denen viele traditionell aus anderen EU-Ländern kommen“, erklärte Alan Wheeler von der britischen Textile Recycling Association. Nur würden diese Wanderarbeiter nun ausbleiben.

In der Folge sei es zu einem dramatischen Rückgang der Sortieraktivitäten in Großbritannien gekommen, wie Wheeler in Barcelona beklagte. Der britische Altkleidermarkt scheint also eines der ersten Opfer des Brexits zu sein.

 

© 320° | 07.06.2018

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