Organisation der zentralen Stelle

Der ehemalige Verfassungrichter di Fabio hat ein Gutachten über das System der Verpackungsentsorgung erstellt. Er fordert ein Eingreifen des Staates. Für die zentrale Stelle empfiehlt er eine privatwirtschaftliche Organisation.

Di Fabio plädiert für privatwirtschaftliche Lösung


Wer es immer noch nicht glauben will, bekommt es nun auch von Udo di Fabio, ehemaliger Richter am Bundesverfassungsgericht, attestiert. Er hat im Auftrag des Berliner Entsorgungskonzerns Alba ein Rechtsgutachten über das Verpackungsrecycling in Deutschland unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten erstellt. Demzufolge ist der Gesetz- und Verordnungsgeber bei einem Missbrauch des Systems durch einzelne Marktteilnehmer zum Einschreiten verpflichtet.

Folie1„Eine beachtliche und zunehmende Zahl von Vertreibern hat sich gegen eine Lizenzierung bei einem dualen System entschieden, ohne indes die erforderlichen Anstrengungen zu unternehmen, die in Verkehr gebrachten Verpackungen in eigener Verantwortung zurückzunehmen und zu verwerten“, zitiert Alba den ehemaligen Richter. Daher sei es Aufgabe des Staates „über eine gleichheitsgerechte, den Wettbewerb fair ausgestaltete Einhaltung der den Privatrechtssubjekten auferlegten Produktverantwortung zu wachen.“

Wie aus dem Rechtsgutachten hervorgeht, hält di Fabio das System „regulierter Selbstregulierung“, also die privatwirtschaftliche Organisation unter staatlichen Vorgaben, für ein bewährtes System. Die bestehenden Vollzugsdefizite müssten jedoch beseitigt werden. Wie der Gesetzgeber das tue, stehe ihm frei. Tatsache sei, dass es aufgrund von „zweifelhaften Entsorgungsmöglichkeiten“ für beauftragte Dritte lukrativ geworden ist, Hersteller und Verbraucher in großem Stil von deren Verpflichtungen zu entlasten und die übernommene Verantwortung für die entsprechenden Tonnagen möglichst kostengünstig wieder loszuwerden. Dieser „Zwischenmarkt“ sollte durch eindeutige Regelungen möglichst geschlossen werden.

Um einen fairen Wettbewerb sicherzustellen, müsse das Mengenmanagement wirksamen Kontrollen unterworfen werden, fordert di Fabio. Dafür reiche es nicht aus, dass „sachverständig bestätigte Eigenangaben der Hersteller und Vertreiber mit den Verwertungsmengen der Leistungserbringer“ abgeglichen werden können. Nötig sei die Sicherstellung einer seriösen Mengenqualifikation, wie sie über die Einrichtung einer zentralen Stelle möglich wäre. Dabei soll die zentrale Stelle folgende Aufgaben übernehmen:

  • Die zentrale Stelle dient als Registrierungsstelle für Verpackungen und Stoffgleiche Nichtverpackungen und nimmt die Vollständigkeitserklärungen und Mengenmeldungen der – ebenfalls von ihr registrierten – Verpflichteten entgegen.
  • Die zentrale Stelle soll das Vorliegen der Voraussetzungen für den Betrieb eines Systems prüfen.
  • Bei Branchenlösungen, die bisher nur angezeigt werden müssen, ist die zentrale Stelle für die Prüfung und das Clearing verantwortlich
  • Als Clearingstelle übernimmt die zentrale Stelle den mengengerechten Kostenausgleich
  • Die zentrale Stelle hat den Überblick über alle Erfassungsmodalitäten und leistet eine wirksame Kontrolle. Verstöße werden von ihr ebenfalls verfolgt.

Für die bislang umstrittene Organisationsform der zentralen Stelle empfiehlt der Bonner Hochschulprofessor für öffentliches Recht eine privatwirtschaftliche Lösung. Zur Begründung verweist er auf die „privatwirtschaftliche Effizienz und Innovationskraft“ der dualen Systeme. Die hohen Erfassungs- und Verwertungsquoten seien in privatwirtschaftlicher Verantwortung mit dem Innovationsmotor des Marktes erreicht worden. „Aus diesem Grund spricht nicht nur viel dafür, bei der Weiterentwicklung der Kreislaufwirtschaft weiterhin auf das duale System zu setzen, sondern auch eine zentrale Stelle systemimmanent zu organisieren.“

Geht es nach di Fabio, wäre die zentrale Stelle wie eine Selbstverwaltungseinrichtung aufgebaut, die auf eine „abdingbare Zahlungsmitgliedschaft“ aufbaut. Demnach erfüllt die zentrale Stelle gegen Zahlung der Lizenzgebühren selbst die Verpflichtung der Unternehmen und befreit nur diejenigen, die an einem anerkannten System beteiligt sind oder sich mit einem eigenen Rücknahme- und Verwertungssystem der Kontrolle der zentralen Stelle unterwerfen.

„Der Gesetzgeber würde demnach eine privatwirtschaftlich organisierte zentrale Stelle mit begrenzten hoheitlichen Rechten entweder beleihen oder als Selbstverwaltungseinrichtung für die pflichtunterworfene Branche schaffen“, so di Fabio. Auf diese Weise würden die vorgegebenen Ziele effizient, flexibel und unbürokratischer erreicht als wenn die gleichen Aufgaben von staatlichen Stellen wahrgenommen würden.

Die zentrale Stelle wäre eine schlanke, aber wirksame Selbstverwaltungseinrichtung der verpflichteten Branche, die als „Suprasystem“ allen Marktteilnehmern gegen entsprechende Lizenzzahlung die Verpflichtungen aus der Verpackungsverordnung abnimmt, heißt in dem Gutachten weiter. „Das gegenwärtige System würde so im Grundsatz bestehen bleiben, aber gleichsam überhöht werden, so dass mit Selbstverwaltungskompetenzen eine wirksame Überwachung gewährleistet wäre.“

 

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