Fehlende Altfahrzeuge

Noch immer gelangen in Deutschland zu wenig ausrangierte Fahrzeuge in das Recycling. Experten wollen nun mit neuen Maßnahmen gegensteuern. Sie setzen vor allem auf finanzielle Anreize.

Altauto-Verwertung: Experten fordern finanzielle Anreize


Schätzungen gehen davon aus, dass in der EU jährlich über drei Millionen Altfahrzeuge nicht ordnungsgemäß verwertet werden. Viele ausgediente Pkw wandern in Richtung Afrika, Osteuropa oder arabische Staaten ab. Ein Schrottwert von etwa einer Milliarde Euro gehe den Recyclern in Europa und damit auch in Deutschland verloren, glauben Experten.

„Die aktuellen Statistiken zeigen aus Sicht der Recyclingwirtschaft ein erschreckendes Bild“, heißt es in einem Fachbeitrag von Rechtsanwalt Wolfgang Klett, Umweltexpertin Beate Kummer und EU-Kommissions-Vertreter Helmut Maurer. Gingen Ende der 90er Jahre etwa 1,8 Millionen Stück Fahrzeuge in Recycling, waren es 2014 nur noch knapp 500.000. Der Anteil der Altfahrzeuge im Shredderinput liegt inzwischen bei 5 bis 25 Prozent.

Zahlreiche Fehlentwicklungen

Derzeit kümmern sich in Deutschland 5 Automobilhersteller, über 1.100 Demontagebetriebe sowie über 30 Shredderanlagen und einzelne Post-Shredder-Anlagen um die Altauto-Verwertung. Die Hauptursache für den hohen Exportanteil ist nach Meinung der Experten „die schwierige Abgrenzungsfrage zwischen Abfall und gebrauchtem Produkt“. Wenn das exportierte Fahrzeug ein Gebrauchtwagen ist, dann unterliegt es nicht dem Abfallrecht und kann ohne Genehmigung exportiert werden. Ist es als Abfall deklariert und enthält Flüssigkeiten, muss der Export angemeldet werden.

Darüber hinaus beobachten die drei Experten zahlreiche Fehlentwicklungen, wie etwa:

  • fehlende ökonomische Anreize für eine inländische Verwertung,
  • einen mangelnden Vollzug der gesetzlich verlangten Vorlage eines Verwertungsnachweises bei endgültiger Abmeldung eines Altfahrzeuges,
  • fehlende Sanktionsmöglichkeiten bei nicht vorgelegtem Verwertungsnachweis sowie
  • zahlreiche illegal betriebene Lagerplätze und
  • eine nicht funktionierende länderübergreifende Kooperation zwischen Polizei und Zoll.

Mit Blick auf die Abgrenzungsproblematik verweist das Papier unter anderem auf das Beispiel Österreich. Dort werde die Abfalleigenschaft anhand der Reparaturwürdigkeit des Fahrzeugs beurteilt. Das bedeutet: Übersteigen die durchschnittlichen Reparaturkosten, die für einen zulassungsfähigen Zustand aufgewendet werden müssen, den Zeitwert des Fahrzeugs in unverhältnismäßig hohem Ausmaß, liegt Abfall vor. Die Autoren geben aber zu Bedenken: Was ist, wenn das Fahrzeug etwa in Rumänien zu einem Preis repariert werden kann, der noch in vernünftiger Relation zum vorhandenen Nutzwert des Fahrzeugs steht?

Ein anderes geeignetes Instrument für die Unterscheidung Altfahrzeug – Gebrauchtwagen ist der Verwertungsnachweis. So dachte man zumindest bis dato. Allerdings belegt nach Angaben der Autoren eine noch unveröffentlichte Studie von Ökopol und Wuppertalinstitut für das Land Rheinland-Pfalz das Gegenteil.

Demnach wurde der Verwertungsnachweis 2016 nur für circa 4,1 Prozent der in Rheinland-Pfalz verwerteten Altfahrzeuge genutzt. Auf ganz Deutschland bezogen wurde er nur bei 10 Prozent der im Jahr 2013 in anerkannten Demontagebetrieben verwerteten Altfahrzeuge ausgefüllt.

Unterm Strich sind sich die Experten daher einig, dass Kriterien entwickelt werden müssen, die ein gebrauchtes Fahrzeug charakterisieren und die Abfalleigenschaft festlegen. Dabei sei es denkbar, dass Fahrzeuge mit einem bestimmten Alter automatisch zu Alt-(Abfall)fahrzeugen werden; laut Statistik also nach durchschnittlich 16 Jahren.

Zusätzlich könne eine Beweistlastumkehr vergleichbar dem Export von gebrauchten Elektro- und Elektronikgeräten helfen. Fahrzeuge, die mit wirtschaftlich angemessenen Reparaturkosten keine Zulassung mehr erhalten, dürfen nur bei Nachweis einer Weiterverwendung oder Verwertung im Bestimmungsland in das Ausland verbracht werden.

Mehr finanzielle Anreize

Um aber die ordnungsgemäße Verwertung von Altfahrzeugen auch sicherzustellen, schlagen die Autoren vor, eine Lösung auf wirtschaftlicher Ebene zu suchen. Diese wirke besser als stärkere Kontrollen und ähnliche Maßnahmen. Dabei schweben ihnen im Detail folgende Instrumente vor:

  • Pfandsystem auf Kraftfahrzeuge: Käufer zahlen beim Kauf eines Neuwagens ein Pfand, das über die Zwischenbesitzer weitergereicht wird, um an den Letztbesitzer des Fahrzeugs am Ende des Lebenszyklus bei Rückgabe zurück gezahlt zu werden. Dazu bedürfe es für grenzüberschreitende Verkäufe einer Europäischen Clearingstelle.
  • Kopplung der KFZ-Steuer an die endgültige Abmeldung.
  • Förderung des Recyclings von Altfahrzeugen durch eine sogenannte „Abwrackprämie“.
  • Zahlung der Recyclingkosten mit dem Neuwagenpreis („vorgezogene Entsorgungsgebühr“): Das Fahrzeug würde bei Weitergabe vom Erst- zum Zweitbesitzer bis zum Letzthalter jeweils mit dem Anspruch auf unentgeltliche Rücknahme durch den Hersteller innerhalb der Europäischen Union weitergegeben. Dazu müsse der Hersteller die gezahlte Entsorgungsgebühr während der Lebensdauer des Fahrzeugs in einem Fonds verwalten.

Welche Maßnahmen Deutschland tatsächlich ergreifen wird, ist derzeit noch unklar. In Kürze sollen die vollständigen Ergebnisse des Forschungsprojekts „Verbleib von Altfahrzeugen“ vorgelegt werden, die das Umweltbundesamt (UBA) bei Ökopol in Auftrag gegeben hat. Auch die Europäische Kommission analysiert derzeit Ursachen und Abhilfemöglichkeiten für den statistischen Verlust von Altfahrzeugen. Auch daraus könnten sich konkrete Handlungsempfehlungen ergeben.

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