Internationale Märkte

Der Preisdruck für untere Altpapier-Qualitäten hält an. Experten glauben, dass der Druck noch größer werden könnte. Doch inzwischen gibt es Anzeichen, dass andere Länder an die Stelle von Großimporteur China treten könnten. Einige Abnehmerländer gelten als vielversprechende Kandidaten.

Altpapiermarkt: Wer ersetzt China?


Seit sechs Monaten zieht die chinesische Regierung nun schon ihre National-Sword-Kampagne durch. Manch einer hatte gezweifelt, dass China seine rigorose Importpolitik so lange durchhält. „Allgemein wurde erwartet, dass alles schnell wieder ins Lot kommt“, schreibt Jean-Luc Petithuguenin vom französischen Recyclingkonzern Paprec im aktuellen BIR-„World Mirror“ für Altpapier.

Doch so ist es nicht gekommen. Vielmehr ist Chinas Importvolumen seit Juli vergangenen Jahres deutlich gesunken. Zum einen bedingt durch die Restriktionen hinsichtlich der Mischpapierimporte und zum anderen durch strengere Qualitätskontrollen bei allen Faserimporten.

Hinzu kommt, dass keine neuen Lizenzen erteilt wurden. Das habe die chinesischen Papiermühlen dazu gezwungen, verstärkt auf einheimische Fasern zurückzugreifen, erklärt Ranjit Baxi, Präsident des Weltrecyclingverbands BIR.

Preise für Mischpapier stark gesunken

Dementsprechend hätten sich die Faserexporte nach China im vierten Quartal 2017 deutlich abgeschwächt. Vor allem die Preise für Mischpapier seien stark zurückgegangen, wie Baxi berichtet. So fielen die Preise von 160 US-Dollar pro Tonne auf knapp über 100 US-Dollar. Zudem seien die Auftragseingänge sehr begrenzt gewesen. Der Verbandspräsident erwartet, dass der Preisverfall für Mischpapier in den kommenden Monaten noch stärker ausfallen wird.

Aber auch bei den besseren OCC-Qualitäten – wie NCC, Obstkisten, die Sorte 95/5 und 100 Prozent OCC –, die weiterhin akzeptiert würden, sind demnach die Preise gesunken. „Nachdem OCC das vierte Quartal mit Tonnenpreisen von 190 US-Dollar und mehr begonnen hatte, schloss OCC das Jahr mit etwas mehr als 170 US-Dollar ab“, macht Baxi deutlich.

Unterdessen werden die Läger innerhalb Europas immer voller, wie der geschäftsführende Vorsitzende des Paprec-Verwaltungsrats Petithuguenin berichtet. Aber trotz des schwierigen Umfelds sieht Petithuguenin noch immer mehr Licht als Schatten: „Wir sollten nicht vergessen, dass 2017 ein gutes Jahr für unsere Branche war.“ Die Wirtschaft scheine wieder in Gang gekommen zu sein, und die Sammelmengen hätten zugenommen. „Die Veränderungen in Asien haben uns veranlasst, unser Geschäftsmodell zu überdenken und schnelle Entscheidungen zu treffen, um uns an die Marktnachfrage anzupassen.“

Deutschland: Papierfabriken können Preise drücken

Wie allgemein in Europa, haben auch in Deutschland im letzten Quartal die Bestände in den Recyclinganlagen zugenommen. „Im Oktober konnten deutsche Papierfabriken sogar vergleichsweise günstigere Angebote aus dem europäischen Ausland nutzen – vor allem aus den Benelux-Staaten, Großbritannien und Frankreich“, schreibt Reinhold Schmidt vom niedersächsischen Altpapierhändler und -recycler Recycling Karla Schmidt. Diese hätten vor allem Misch- und Supermarktqualitäten sowie alle braunen Sorten (4.01, 4.03) betroffen.

Durch das Preisgefälle hätten die lokalen Papierfabriken ihre niedrigeren Preise den einheimischen Lieferanten aufzwingen können. Vor allem bei den unteren Qualitäten habe es einen Preisrückgang gegeben. Bei den mittleren und höheren Sorten hingegen seien die Preisrückgänge kleiner gewesen.

„Mischpapier konnte zwar weiter verkauft werden. Allerdings unter schwierigen Bedingungen“, wie Schmidt schreibt. Die Preise seien weitgehend stabil geblieben, aber die Papierindustrie habe großen Wert auf Qualität gelegt. Im Zuge der verschärften Importbeschränkungen Chinas seien der deutschen Papierindustrie auch immer mehr Mischpapiersorten aus Großbritannien angeboten worden. Diese hätten sie jedoch häufig abgelehnt.

Türkei: Mehrere Papiermühlen stehen schon in den Startlöchern

China hat den internationalen Altpapiermarkt im vergangenen halben Jahr kräftig durcheinandergewirbelt. Doch möglicherweise könnten schon bald andere asiatische Länder an die Stelle Chinas treten. Als vielversprechende Kandidaten zählen Indien, Indonesien und Vietnam. Dort seien die Exportvolumina im vierten Quartal 2017 bei steigender Nachfrage weiter gewachsen, so BIR-Präsident Baxi.

Aber auch die Türkei könnte in die Bresche springen und sich als Abnehmer für Europas Altpapier anbieten. Dort wird an mehreren größeren Produktionslinien gearbeitet. Nach Angaben des BIR-Fachspartenmitglieds Ekrem Demircioglu sollen in diesem und im kommenden Jahr zwei Anlagen für die Produktion von Wellenpapier und Deckenpapier den Betrieb aufnehmen. 2019 soll zudem eine Duplexkarton- und Weißliner-Anlage mit einer Kapazität von 400.000 Tonnen pro Jahr eröffnet werden.

Auch ausländische Unternehmen haben bereits den Schritt auf den türkischen Markt gewagt. So soll laut Demircioglu die von Hamburger Containerbord gebaute Papiermühle in der Provinz Kutah im nächsten Jahr in Betrieb gehen. Die Anlage soll laut der Muttergesellschaft, der österreichischen Prinzhorn-Gruppe, eine Jahreskapazität von 480.000 Tonnen haben.

Der Hersteller von Wellpappe-Rohpapieren hat dem Vernehmen nach bereits Treffen mit den modernsten Papierverwertungsbetrieben in der Türkei vereinbart. „Für dieses Jahr plant Hamburger Containerboard zudem den Kauf von fünf Recyclinganlagen in verschiedenen Teilen der Türkei. Im kommenden Jahr sollen vier weitere hinzukommen“, wie Demircioglu im „World Mirror“ berichtet.

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