Private versus kommunale Sammlung

Nach dem Einstieg in die Altpapiersammlung fehlen dem Abfallwirtschaftsbetrieb Oldenburg die kalkulierten Mengen. Im Raum stehen nun höhere Müllgebühren. Für Kritiker ist die ganze Diskussion nur Mittel zum Zweck, um die beabsichtigte Untersagung durchzudrücken. Die ARGE kontert.

Altpapiersammlung der Stadt Oldenburg rechnet sich nicht


Der jährliche Gewinn sollte etwa eine viertel Million Euro betragen, nun droht der Verlust von fast einer halben Million. Die Rechnung, die der Abfallwirtschaftsbetrieb Oldenburg beim Einstieg in die Altpapiersammlung aufgestellt hat, geht nicht auf. Denn trotz Untersagung und städtischer Konkurrenz sammelt die ARGE – ein privater Zusammenschluss aus mehreren privaten Unternehmen – fleißig weiter. Und zwar mit so viel Erfolg, dass der Stadt die kalkulierten Mengen und Erlöse fehlen.

Der Streit um die Altpapiersammlung in Oldenburg zieht sich schon seit mehreren Jahren hin. Die Arbeitsgemeinschaft Duales System Oldenburg (ARGE) sammelt dort bereits seit knapp zehn Jahren das Altpapier. Als im Jahr 2012 die Novelle des Kreislaufwirtschaftsgesetzes in Kraft trat, sah der Abfallwirtschaftsbetrieb Oldenburg (AWB) die Gunst der Stunde gekommen und wollte ebenfalls in die lukrative Sammlung einsteigen. Als Rechtfertigung für diesen Schritt gab der AWB an, dass die ARGE die gewerbliche Sammlung lediglich für die Spanne von 2004 bis Ende 2013 angemeldet hätte. Der AWB sah sich also in der Pflicht, selbst ein System aufzubauen, für den Fall, dass sich die ARGE zum Jahresbeginn aus der Sammlung zurückzieht.

Von einem geplanten Rückzug will die ARGE jedoch nichts wissen. Im Gegenteil: „Wir haben mehrmals betont, dass wir definitiv auch nach 2013 weitersammeln“, sagt ARGE-Sprecher Carsten Heine. Auch sei die Darstellung falsch, dass die Genehmigung der Sammlung lediglich von 2004 bis Ende 2013 gilt. „Richtig ist, dass wir im Jahr 2003 die gewerbliche Sammlung angezeigt haben“, sagt Heine. „Damals wurde eine zeitliche Befristung verlangt und wir haben bis Ende 2013 angegeben.“ Es sei jedoch stets geplant gewesen, über diesen Zeitraum hinaus aktiv zu sein. Und als dann im Jahr 2012 das neue Kreislaufwirtschaftsgesetz in Kraft trat, mussten ohnehin alle bereits aktiven gewerblichen Sammler ihre Aktivität erneut anzeigen. Das hat auch die ARGE getan und damit nach eigenen Angaben erneut bekräftigt, dass sie weitermachen will. Einen Auftrag aus der Stadt selbst habe es nie gegeben.

Stadt rechnet mit Verlust von 420.000 Euro

Die Stadt sieht dies anders und bekräftigt, dass durch die kommunale Altpapiersammlung die Gewinne den Bürgern zufließen werden. Entsprechend sollte der ARGE die Sammlung untersagt werden. Und zwar schon zum 1. Januar 2014. Weil jedoch die Zuständigkeit für die Untersagung vom niedersächsischen Umweltministerium zur unteren Abfallbehörde wechselte, verzögerte sich die Untersagung. Seit einigen Monaten sammeln der AWB und die ARGE parallel – die Bürger konnten sich entscheiden, wem sie ihr Papier überlassen wollen. Inzwischen ist die Untersagung ausgesprochen. Gelten sollte sie ab 1. September. Weil die ARGE Widerspruch eingelegt hat, vorläufigen Rechtsschutz beantragt hat und das Eilverfahren noch aussteht, wird in Oldenburg aber nach wie vor parallel gesammelt.

Den AWB kommt dies teuer zu stehen. Anfänglich vermeldete die Stadtverwaltung noch steigende Nutzerzahlen, inzwischen ist die Sammelmenge angeblich rückläufig. „Trotz der intensiven Öffentlichkeitsarbeit seit 2013 haben sich nur 71 Prozent aller Grundstückseigentümer überhaupt für die kommunale Papiertonne entschieden“, wird der AWB-Betriebsleiter Arno Traut in einer Mitteilung der Stadt zitiert. „Davon nutzen offensichtlich nur 62 Prozent die AWB-Tonne.“ Das wiederum bedeutet, dass nur 43 Prozent der Oldenburger der Kommune ihr Altpapier überlassen. Dies erkläre, warum die Stadt „Monat für Monat hinter den benötigten Mengen zurückbleiben, die zur Kostendeckung führen würden.“ Angeblich hat die Stadt in Behälter und Seitenlader rund 2,2 Millionen Euro investiert. Nun steht die Hälfte der Tonnen ungenutzt auf einem Fliegerhorst. Für das laufende Jahr wird mit einem Verlust von 420.000 Euro gerechnet.

Die Schuld für die schlechte Bilanz gibt die Stadt der ARGE. Denn nur eine alleinige Sammlung würde es dem städtischen Betrieb ermöglichen, Überschüsse zu erwirtschaften. 3.000 Gewichtstonnen würden fehlen, um den Verlust auszugleichen. Die fehlende Summe von 420.000 Euro, so steht es in einer Mitteilung der Stadt, drohe den Gebührenhaushalt der Stadt zu belasten. Im Klartext heißt das: höhere Müllgebühren.

ARGE sieht sich im Recht

Allerdings wurden schon kurz nach Veröffentlichung der Zahlen erste Zweifel laut. Denn mit den angeblich fehlenden 3.000 Tonnen Altpapier lassen sich bei marktüblichen Erlösen von 75 Euro pro Tonne keine Verluste von 420.000 Euro, sondern nur von 225.000 Euro ausgleichen. So räumte Stadtsprecher Andreas van Hooven gegenüber der Nordwestzeitung ein, dass zum einen die Stadt mit Abnehmern einen Vertrag abgeschlossen habe, der bei über 100 Euro pro Tonne und damit weit über dem Weltmarktpreis liege. Und zum andern würden auch „ein wenig mehr“ als die veröffentlichten 3.000 Tonnen fehlen. Nach Auffassung von AWB-Kritikern ist die ganze Diskussion um fehlende Mengen und drohenden Gebührenerhöhungen reines Kalkül der Stadt. Denn sobald über den vorläufigen Rechtschutz entschieden wurde, wird sich die untere Abfallbehörde mit dem Einspruch der ARGE gegen die ausgesprochene Untersagung beschäftigen. Die gewerbliche Sammlung kann vor allem dann untersagt werden, wenn die Gebührenstabilität gefährdet ist. Nach den AWB-Zahlen wäre genau dies der Fall.

ARGE-Sprecher Heine sieht der Entscheidung der unteren Abfallbehörde gelassen entgegen und glaubt das Recht auf seiner Seite. Zwar solle das Kreislaufwirtschaftsgesetz die Kommunen vor neuen privaten Sammlern schützen, aber nicht – wie im Falle Oldenburgs – den seit Jahren aktiven Sammler aus dem Markt drängen, weil ein Stadt komplett neu in die Entsorgung einsteigen will. Auch die zitierte gefährdete Gebührenstabilität sei nicht richtig. „Als wir noch alleine auf dem Markt waren, waren die Gebühren ja noch stabil“, so der Sprecher. „Erst als der AWB mit wehenden Fahnen auf den Markt kam und über zwei Millionen investiert hat, muss das auf einmal über erhöhte Gebühren reingeholt werden.“

Vielleicht endet der Tonnenstreit ja schon früher als erwartet. Ende September wird in Oldenburg ein neuer Oberbürgermeister gewählt. Das Thema Altpapierentsorgung wird längst auch zwischen den Politikern geführt. Einige CDU-Mitglieder denken bereits laut über ein Ende der städtischen Sammlung nach und wollen der ARGE wieder komplett das Feld überlassen.

© 320°/ek | 01.09.2014

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