Neue Zahlen zum Aufkommen

Die Zahlen zum Aufkommen von Reifen und Post-Consumer-Reifen in Europa sind nur wenig genau. Vielfach sind die Daten nur Schätzungen. Neue Zahlen lassen den Schluss zu, dass der Markt wesentlich größer ist, als bislang angenommen wurde.

Altreifen: Europas großes Zahlen-Rätsel


Den Altreifen-Recyclern gehen die Altreifen aus. Und das gibt ein Rätsel auf. Schließlich ist es nicht so, dass es nicht genügend Post-Consumer-Reifen in Europa gibt. Der Markt könnte sogar größer sein, als bislang vermutet wurde. „Es ist etwas faul im Staate Dänemark“, konstatierte Peter Taylor, Generalsekretär bei der Tyre Recovery Association (TRA), vergangene Woche bei der Altreifenkonferenz der European Tyre Recycling Association.

Und in der Tat: Neue Daten aus der Reifenindustrie lassen die Schlussfolgerung zu, dass die in der Vergangenheit offiziell kommunizierten Zahlen nicht den Tatsachen entsprechen und eigentlich mehr Altreifen für ein Recycling zur Verfügung stehen müssten. Gemäß einer Marktuntersuchung eines großen globalen Reifenkonzerns, der namentlich nicht genannt werden möchte, gelten aktuell folgende Marktdaten:

  • Ende 2014 belief sich der Gesamtbestand an Fahrzeugen in der EU auf 291 Millionen Pkw, leichte Nutzfahrzeuge und Lkw. Damit verbunden sind 1,2 Milliarden Erstausstattungsreifen (Reservereifen ausgenommen).
  • Im vergangenen Jahr wurden in der EU über 1,3 Milliarden neue Reifen aller Typen verkauft.
  • Das Gesamtgewicht dieser Reifen belief sich auf 7,9 Millionen Tonnen.
  • Rund 269 Millionen neue Reifen sind 2014 ins Segment für Ersatzteile gegangen.
  • Allein auf diese Reifen entfielen fast 40 Prozent des Reifengesamtgewichts. Dieses betrug 3,1 Millionen Tonnen.
  • Weitere 65 Millionen Neureifen wurden im Laufe des vergangenen Jahres an die in der Europäischen Union zugelassenen Neufahrzeuge montiert. Diese Reifen erreichten ein Gesamtgewicht von etwas mehr als 740.000 Tonnen.

Für ein Recycling hätten somit im vergangenen Jahr EU-weit 320,58 Millionen Altreifen zur Verfügung müssen, wie bei der ETRA-Konferenz verlautete. Das entspreche 2,99 Millionen Tonnen an Materialien, deren Lebensdauer verlängert werden könnte. „Damit ist der Markt beinahe doppelt so groß, wie wir bislang angenommen haben“, zeigte sich der Reifenfachmann Taylor überrascht von den vorgestellten Zahlen. ETRA dürfte sich durch diese Zahl allerdings bestätigt sehen. Der Verband hatte bereits vor zwei Jahren geschätzt, dass es sich jährlich um 300 Millionen Reifen handeln dürfte, die dauerhaft von Pkw, Lkw und leichten Nutzfahrzeugen entfernt und als Abfall definiert werden.

Gemäß der vorgestellten Marktentwicklung gehen zwei Drittel aller Post-Consumer-Reifen auf das Konto von der fünf EU-Mitgliedsstaaten Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien und Spanien. In Deutschland müssten demnach mit 72,2 Millionen die meisten Altreifen angefallen sein. Großbritannien folge mit 48,7 Millionen auf dem zweiten Platz. Frankreich habe 35,2 Millionen Altreifen produziert, Italien etwas mehr, und zwar 37,9 Millionen. In Spanien seien es 25,8 Millionen Reifen gewesen.

„Vergeudung wertvoller Ressourcen“

Warum nur relativ wenig davon bei den Altreifen-Recyclern ankommt, erklärt TRA-Generalsekretär Taylor damit, dass viele Reifen den billigsten Entsorgungsweg einschlagen und in die Verbrennung gehen. Dies sei „eine absolute Verschwendung wertvoller Ressourcen“. Eine andere Erklärung für die schwindenden Altreifenmengen bieten seiner Einschätzung nach die Export-Zahlen von Second-Hand-Reifen:

  • Demnach wurden im vergangenen Jahr 15,4 Millionen gebrauchte Reifen in Länder außerhalb der EU exportiert.
  • Das entspricht 143.807 Tonnen. Anders ausgedrückt sind das 4,8 Prozent aller für ein Recycling verfügbarer Materialien
  • Über 70 Prozent der Exporte sind in Schwellenländer in Afrika, in der Karibik und in Lateinamerika gegangen.
  • 80 Prozent der Exporte von Second-Hand-Reifen stammen aus Deutschland, Frankreich, Spanien und den Beneluxländern.

Die Exporte von gebrauchten Reifen in Schwellenländer werfen ethische Fragen auf, zumal sich die Ausfuhren mehren, wie Taylor festgestellt hat. „Der Export von Altreifen in Entwicklungsländer ist der wahre Skandal“, kritisierte er bei der ETRA-Konferenz. Zumal diese Länder voraussichtlich schon bald selbst zu viele eigene Post-Consumer-Reifen haben werden. Nicht nur, dass Europas Altreifen das Problem in Entwicklungsländern noch zusätzlich vergrößern. „Die zügellosen Exporte destabilisieren andere Verwertungsmethoden“, sagte er.

„Altreifen sind zwar rund, aber wir sind noch weit von einer Circular Economy entfernt. Daher muss Europa eine neue Richtung einschlagen“, forderte der TRA-Generalsekretär. Auch was das Konzept der Produzentenverantwortlichkeit angehe. „Diese war gedacht als Impulsgeber für eine ordnungsgemäße Verwertung von Post-Consumer-Reifen. Dieses Ziel wird nicht mehr erreicht.“ Ein besseres Konzept wäre seiner Meinung nach die erweiterte Herstellerverantwortung. Dadurch wäre ein breiterer Ansatz für die Rückgewinnung möglich. Die erweiterte Produzentenverantwortung ermögliche darüber hinaus auch die Errichtung von gemeinnützigen Systemen. Diese seien von Interessengruppen entkoppelt und würden im Rahmen von Verordnungen gefördert.

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