Neues Aufbereitungsverfahren

Mit einem verbesserten Pressverfahren ist die Direktverarbeitung von zurückgewonnenem Gummi möglich. Die sonst benötigten Bindemittel werden damit überflüssig, versprechen Wissenschaftler. Die Folge seien nicht nur erhebliche Kosteneinsparungen, sondern auch neue Verwendungsmöglichkeiten.

Altreifen: Pressverfahren erschließt neue Absatzmöglichkeiten


Gummigranulate und -mehle aus Altreifen werden in einer Vielzahl von Produkten eingesetzt. Allerdings ist der Mehrwert dieser Recyclingmaterialien beschränkt. Denn meistens ist eine zusätzliche Behandlung oder das Beimischen von Neugummi nötig, um die gewünschten und notwendigen physikalischen und mechanischen Eigenschaften erreichen zu können. Somit wird das Altgummi gern als billiges Füllmaterial beispielsweise in Asphalt oder als Oberflächenschutz bei Sportanlagen oder Spielplätzen genutzt.

Doch künftig soll mehr möglich sein. Denn das so genannte SMART-Projekt will mit einem verbesserten Pressverfahren das Altreifengummi aufwerten und neue Verwendungsmöglichkeiten erschließen. SMART ist die Abkürzung für „Sustainable Moulding of Articles from Recycled Tyres“. „Der Grundgedanke der SMART-Technologie ist das Prinzip der Direktverarbeitung“, sagt Fabrizio Quadrini, Professor für Fertigungstechnik an der Universität Tor Vergata in Rom und mitverantwortlich für die Entwicklung des Projekts. „Im Gegensatz zum herkömmlichen Kompressionsverfahren, dem sogenannten Compression Moulding, können wir mit dem Direktpressverfahren, dem Direct Moulding, Produkte herstellen, die ausschließlich aus Recyclinggummi bestehen.“

Wie der Wissenschaftler erklärt, könne mit dem neuen Verfahren bei der Herstellung von Gummiformteilen auf die sonst benötigten Additive und Bindemittel verzichtet werden. Üblicherweise muss dem gemahlenen Gummi und Gummipulver ein Polyurethanbindemittel beigemischt werden. Mit rund 10 Gewichtsprozent ist das nicht wenig und daher ein Kostentreiber bei der Herstellung von großen Gummiteilen. Allein auf diese Bindemittel entfallen 50 Prozent der Materialkosten der Altreifenrecycler.

Diese Kosten entfielen mit dem neuen Pressverfahren. Beim Direct Moulding werde die homogene Vermischung des Gummis durch die Kombination von hohem Druck und Temperatur erreicht. Der Druck erreiche bis zu 40 bar und die Temperatur liege bei über 200 Grad Celsius. „Das Gummi wird unter Bedingungen verarbeitet, die dem Zustand der Zersetzung nahekommen. Dadurch entstehen neue Verbindungen zwischen den Gummipartikeln“, erklärt der Professor.

Erste industrielle Produkte hergestellt

Die Methode, die im Universitätslabor entwickelt wurde, muss nun ihre Tauglichkeit im industriellen Maßstab beweisen. Dafür haben die Projektpartner eine neue großformatige Pressmaschine mit einer Plattengröße von 2.500 x 1.670 Millimetern und einem Pressenhub von 1.050 Millimetern konstruiert. „Ausgangsbasis für die SMART-Presse war eine Second-Hand-Maschine aus der Blechverarbeitung“, erläutert Quadrini. Mittlerweile wurden drei industrielle Produkte mit der neuen Maschine hergestellt. Diese seien mit Unterstützung der drei mittelständischen Partner, den beiden Altreifenrecyclingunternehmen Adria Abruzzo aus Italien und GumiImpex aus Kroatien sowie dem polnischen Hersteller von Spezialgummimischungen Tebamix, gefertigt worden.

Beim ersten Produkt handelt es sich um eine 1 Quadratmeter große Gummiplatte, die im Außenbereich eingesetzt werden könne. Die Stärke der Platte könne zwischen 10 und 50 Millimetern variieren. „An die 50 Kilogramm Gummi sind in einem einstufigen Verarbeitungsverfahren geformt worden“, sagt Quadrini. Das zweite Produkt sind Gummiplatten mit Puzzleverbindungen. Dafür seien die dicksten Platten mittels Wasserstrahlbearbeitung mit einer vierseitigen Verzahnung versehen worden. Das dritte Produkt ist ein 7 Kilogramm schwerer Bordstein mit allen notwendigen geometrischen Details.

Die Produkte sind laut Quadrini bereits einigen der üblichen Tests unterzogen worden wie zum Beispiel der mechanischen oder der Alterungsprüfung. „Die Ergebnisse zeigen, dass der mit der SMART-Presse vulkanisierte Gummi über hervorragende Eigenschaften in Vergleich zu mit Polyurethan gebundenem Gummi verfügt – vor allem was die mechanischen Eigenschaften angeht“, sagt der Professor. „Auch die Dichte ist wesentlich höher.“

Allerdings benötigt der SMART-Prozess mehr Energie als herkömmliche Kompressionsverfahren. Die dadurch entstehenden Kosten würden jedoch durch das Wegfallen der Kosten für Bindemittel wieder wettgemacht. „Grob geschätzt, würde eine 20 Millimeter dicke Gummiplatte, die mit unserer Technologie produziert wird, 2,30 Euro kosten“, sagt Quadrini. Damit wäre die Platte mehr als doppelt so günstig wie eine Platte aus polyurethangebundenem Gummi. Diese kostet 5,10 Euro.

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