Altreifen

Zu teuer, zu aufwendig, zu umweltschädigend: Nach Ansicht von mehreren Entwicklern und Investoren haben die gängigen Altreifen-Pyrolyse-Verfahren einige Schwachstellen. Sie wollen es nun besser machen: Ihre Pilotanlage soll Anfang 2019 in Betrieb gehen. [ Video ]

Altreifen-Pyrolyse: „Sie alle glauben an unsere Technik“


Das Wiener Start-Up Carbon Recovery will die Pyrolyse von Altreifen umkrempeln. „Unsere kontinuierliche Vakuum-Pyrolyse-Anlagentechnik ist gemessen am Stundendurchsatz wesentlich kompakter als vergleichbare Anlagen“, sagt Projektmanager Claus Lamer. „Und damit ist die Technik auch wesentlich günstiger im Anlagenbau, Wartung und Betrieb.“

Lamer ist einer von mehreren Experten bei Carbon Recovery, die schon seit Jahren im Pyrolysebereich tüfteln. Unter den mittlerweile 15 Gesellschaftern und zahlreichen Beratern finden sich Laborleiter, Universitätsprofessoren, Wirtschaftler und Abfall-Wissenschaftler. „Sie alle glauben an unsere Technik“, sagt Lamer.

Bei der neuen Technik wird ein Vakuum-Niedertemperaturverfahren eingesetzt, das energieautark arbeiten kann, erklärt Lamer. „Die Entwicklung entstand mit der praktischen Überlegung, dass eine wirtschaftlich sinnvolle Altreifen-Pyrolyse-Anlage nur eine solche sein kann, die kontinuierlich und ohne aufwendig abzudichtendem Drehrohr funktioniert. Also ein feststehender Horizontalreaktor mit Schneckentransport des Schwelguts.“

Gas wird zu Energieversorgung verwendet

Bei dem Verfahren werden laut Lamer die langkettigen Kohlenstoffstrukturen im Vakuum wieder in gasförmige, flüssige und feste Kohlenstoffe aufgetrennt. Der dabei entstehende Hochtechnologiekohlenstoff – recovered Carbon Black (rCB) – kann wieder als Rohstoff für die Herstellung von Gummiprodukten, Farben, Plastikteilen und neue Reifen eingesetzt werden. Das Öl wird als Kraftstoff verkauft und das Gas verwendet das Unternehmen selbst zur Energieversorgung. „Das Permanentgas wird vor der Verwertung entschwefelt und gereinigt – und kann dadurch Produktstatus erlangen“, ergänzt Lamer.

Entwickelt wurde die Technik von dem jetzigen Chief Technical Officer (CTO) Drago Wolf bereits in den Jahren 2005 bis 2008. Kurz darauf gab es erste Versuche mit einer Pilotanlage, doch Wolf hatte laut Lamer die „falschen Partner“ und das Projekt scheiterte schließlich. Einige Jahre später überzeugten Lamer und der Manager Christian Konvalina den Techniker Wolf zu einem Neustart – das Start-Up wurde gegründet.

Das nötige Kleingeld für die überarbeitete Pilotanlage sammelten die Gründer über die österreichischen Investorennetzwerke PrimeCrowd und Conda. Mittlerweile sind mehrere hunderttausend Euro zusammengekommen und bei Carbon Recovery wird gerade die zugehörige Halle für die Anlage umgebaut.

Interesse von Konkurrenzfirmen

Läuft alles nach Plan, soll die Anlage Anfang kommenden Jahres in den Probebetrieb gehen. Rund 8.000 Tonnen Reifenschnitzel können dann jährlich in einer Verfahrenslinie verarbeitet werden. „Das Material kommt überwiegend von Reifenhändlern in Österreich und wird von einem Shredderbetrieb aufbereitet. „Weitere Schnitzel kommen vom Shredderbetreiber selbst und wir kaufen bei Bedarf noch Spotware von geografisch nahen Anfallstellen“, sagt Lamer.

An Output rechnen die Entwickler etwa mit 3.000 Tonnen rCarbon Black pro Jahr und weiteren vier Millionen Liter Öl. Für den Hochtechnologiekohlenstoff gibt es laut Lamer längst Interessenten aus der technischen Gummiindustrie. Das Öl soll zunächst als Ersatzbrennstoffprodukt an die Zementindustrie verkauft werden.

Neben potenziellen Abnehmern haben sich laut Lamer auch Konkurrenzfirmen schon bei ihm gemeldet. „Die wollen vor allem bei der Technologie kooperieren“, sagt er. „Doch wir wollen kein Anlagenbauer sein und Maschinen verkaufen, sondern die gesamte Technik und das Wissen bei uns im Unternehmen lassen und als rCB-Produzent organisch wachsen.“


Video: Carbon Recovery

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© 320° | 24.07.2018

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