Neues Vergasungsverfahren

Forscher der TU Bergakademie Freiberg haben eine neue Technologie entwickelt, um unterschiedliche Abfälle wiederzuverwerten. Damit soll es auch möglich sein, neue Kunststoffe zu erzeugen. Das Verfahren hat im Vergleich zu alternativen Methoden einige Vorteile.

Aus Abfällen werden Chemierohstoffe


Jedes Jahr fallen Millionen Tonnen Abfälle an, die sich auch mit bestem Willen nicht recyceln lassen. Dazu zählen verunreinigte Mischkunststoffe, problematische Abfälle aus dem E-Schrott- oder Autorecycling, CFK- und GFK-haltige Abfälle, Holzabfälle oder Reste aus der Biogaserzeugung. In einigen Fällen findet sich nicht einmal ein Abnehmer auf Verbrennerseite. Aber möglicherweise sind solche Abfälle für die chemische Industrie geeignet?

Wissenschaftler der TU Bergakademie Freiberg haben genau diesen Weg erkundet. Sie wollen nicht verwertbare Abfälle in Ausgangsstoffe für die chemische Industrie umwandeln. Dazu haben sie das Konzept von so genannten Kohlenstoffkreislaufanlagen entworfen und ein Verfahren namens ‚FlexiSlag‘ entwickelt.

Vereinfacht gesagt, werden dabei Abfälle mit hohem Druck und reinem Sauerstoff vergast. Nach Angaben der Wissenschaftler von Institut für Energieverfahrenstechnik und Chemieingenieurwesen (IEC) der TU Bergakademie ist die Technologie für x-beliebige Abfälle, aber auch für Kohlen- und Mineralölrückstände geeignet. Im Einzelnen besteht der Prozess aus folgenden Verfahrensschritten:

  • Zunächst werden die Abfallfraktionen gesammelt, verdichtet oder zu Ballen gepresst und zur Kohlenstoffkreislaufanlage gefahren.
  • Dort wird das Material in einen Druckreaktor (zum Beispiel 40 bar) geschleust und mit reinem Sauerstoff in Kontakt gebracht. Es entstehen örtlich Temperaturen von über 2.000 Grad Celsius.
  • In der Folge schmelzen alle mineralischen und metallischen Begleitstoffe und fließen nach unten in den Herdbereich des Reaktors ab.
  • Anschließend wird die Schmelze in ein kaltes Wasserbad abgezogen, wo sie schlagartig erstarrt. Den Forschern zufolge entsteht dabei ein glasiges Granulat mit drei Phasen: eine mineralische Phase, in der alle Schwermetalle wasserneutral verkapselt sind, eine Eisenphase (Eisenlegierungs-Perlen, die magnetisch abgetrennt werden können) und eine Kupferphase (Kupferlegierungs-Perlen, die mittels Wirbelstrom abgetrennt werden können).
  • Parallel geht der organische Teil der Abfälle in einem Rohgas auf, das mit etwa 1.000 Grad Celsius über einen Rohgasabgang aus dem Reaktor abgeleitet wird. Dieses Rohgas wird gewaschen und über mehrere Schritte zum reinen Synthesegas – bestehend aus Wasserstoff und Kohlenmonoxid – aufbereitet. Dabei entstehender Schwefelwasserstoff wird in elementaren Schwefel umgewandelt und vermarktet.
  • Andere Nebenbestandteile wie kohlenstoffhaltige Stäube werden in den Druckreaktor zurückgeführt. Rückstandssalze, in denen Halogene, etwa Chlor, gebunden sind, werden entweder weiter verarbeitet oder deponiert.

Das entstehende Synthesegas ist das Kernprodukt des FlexiSlag-Verfahrens. Den Wissenschaftlern zufolge kann dies als Ausgangsstoff, etwa für die Plattformchemikalie Methanol oder für Ethanol sowie für synthetische Kraftstoffe genutzt werden. Aus Methanol könnten wiederum neue Kunststoffe, zum Beispiel Polyethylen oder Polypropylen, hergestellt werden. Und auch die glasartige Schlacke kann verwertet werden, beispielsweise beim Straßenbau, so die Forscher. Sie sei unauslaugbar und kohlenstofffrei.

Nachweis muss noch erbracht werden

Bislang gibt es noch keine Kohlenstoffkreislaufanlage mit Flexi-Slag-Verfahren im industriellen Maßstab. Aktuell arbeiten die Freiberger Forscher an ihrem Institut an einer Anlage mit modifizierten Schlackebad-Vergasungsverfahren, die circa eine Tonne Input verwerten kann. Dieser soll in naher Zukunft umgebaut werden, um die wichtigsten Elemente der FlexiSlag-Technologie nachzuweisen.

Darüber hinaus soll auch ein Abfall-Aufbereitungstechnikum für die Vorbehandlung und Qualitätskontrolle unterschiedlichster Abfallfraktionen errichtet werden. Unter anderem ist vorgesehen, Ozeanmüll als Einsatzstoff zu testen. „Die Zeit drängt, denn die adressierten problematischen Abfallströme stapeln sich mittlerweile und sind zu einem echten Entsorgungsproblem geworden“, so die Forscher.

Auf der Wunschliste der Freiberger steht ebenfalls ein komplett neuer FlexiSlag-Pilotvergaser. Die Anlage soll sowohl Abfälle, aber auch feinkörnige Kohle verarbeiten können. Entsprechende finanzielle Mittel dafür erhoffen sich die Forscher aus dem Projekt ‚CarbonTrans‘. Ziel dieses Projekts ist, bis 2024 eine Pilotanlage mit innovativer Konversionstechnologie im sachsen-anhaltinischen Leuna zu errichten. Die Finanzierung dafür ist aber noch nicht abgeschlossen.

„Die FlexiSlag-Technologie schließt eine vorhandene Lücke in der Abfall-Hierarchie. Zwischen stofflichem Recycling und energetischer Verwertung steht künftig chemisches Recycling“, erklären die Forscher. Sollte die Technologie großtechnisch umgesetzt werden – erste Kohlenstoffkreislaufanlagen sollen eine Jahreskapazität von circa 300.000 Tonnen oder höher haben –, rechnen sie auf mittlere Sicht mit jährlich circa einer Million Tonnen Methanol aus Abfällen. Bis 2050 seien pro Jahr 10 Millionen Tonnen Olefine aus Methanol realistisch.


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Wie sich das FlexiSlag-Verfahren von der Wirbelschichtvergasung unterscheidet“] Vergasungsanlagen für Abfälle sind bereits am Markt verfügbar, etwa vom kanadischen Unternehmen Enerkem oder dem japanischen Unternehmen Ebara. Diese arbeiten mit Wirbelschichtvergasung bei niedrigeren Temperaturen von circa 600 Grad Celsius. Aus Sicht der Freiberger Wissenschaftler hat ihr Verfahren wesentliche Vorteile:

Flexibler Materialeinsatz:

  • Nieder- bis hochkalorische Abfälle (12 bis 30 Megajoule je Kilogramm) Inputstoffe sind möglich. Für die Wirbelschichtvergasung sind hochkalorische Abfälle ab circa 18 Megajoule je Kilogramm notwendig.
  • Grobstückige, auch feuchte Einsatzstoffe sind möglich mit Aufbereitungsaufwand ähnlich der Müllverbrennung. Für die Wirbelschichtvergasung ist eine Feinzerkleinerung oder Pelletierung notwendig.
  • Problematische Abfälle wie CFK oder GFK können eingesetzt werden. Solche Abfälle seien für die Wirbelschichtvergasung ungeeignet.

Energieersparnis:

  • Weil die Technologie mit hohen Drücken arbeitet, muss keine oder nur wenig Energie für die Gaskompression bereitgestellt werden, so die Wissenschaftler. Damit würde der Strombedarf und die CO2-Emissionen sinken; Enerkem und Ebara arbeiten mit niedrigen Drücken.

Durchsatz:

  • 30 Tonnen pro Stunde versus 10 Tonnen pro Stunde pro Vergaser.

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© 320°/bs | 08.08.2018

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