Mikroplastik

Gelangen Kunststoffpartikel über Düngemittel aus der Bioabfallvergärung und Kompostierung in die Umwelt? Dieser Frage sind Wissenschaftler in einer Studie nachgegangen. Das Ergebnis ist eindeutig.

Aus der Tonne auf den Acker


Immer wieder landen Kunststoffe, Metalle oder Glas in der Biotonne. Die so verunreinigten Bioabfälle werden für Verwerter in Deutschland immer häufiger zum Problem. Sie müssen die Fremdstoffe aufwändig absieben. Wie Wissenschaftler der Universität Bayreuth nun herausgefunden haben, reicht das oft nicht aus. Insbesondere Mikroplastik gelange über Dünger in Böden und Gewässer.

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass organische Düngemittel aus der Bioabfallvergärung und Kompostierung, je nach Vorbehandlung eine vernachlässigte Quelle für Mikrokunststoffe in der Umwelt sind“, schreiben die Forscher. Ausgehend von den erhobenen Daten enthalte eine Tonne Kompost aus Haushaltsabfällen und industriellen Abfällen zwischen 7.000 und 440.000 Mikroplastikpartikel. Umgerechnet auf die fünf Millionen Tonnen Kompost, die in Deutschland pro Jahr erzeugt werden, könnten hochgerechnet mehrere Milliarden Mikroplastikpartikel in die Umwelt gelangen.

Für ihre Studie haben die Forscher den Kunststoffgehalt von Dünger unter die Lupe genommen. Dabei konzentrierten sie sich auf Mikroplastikpartikel, die zwischen fünf und einem Millimeter groß sind. Untersucht wurden Produkte aus Biogasanlagen, die organische Abfälle aus privaten Haushalten oder organische Abfälle aus Industrie und Handel verwerten oder ausschließlich nachwachsende Rohstoffe einsetzen.

Die Ergebnisse im Einzelnen:

  • Organische Abfälle aus privaten Haushalten

Bei Anlagen, die größtenteils organische Abfälle aus privaten Haushalten behandeln, ist die Zahl der darin enthaltenen Kunststoffpartikel auffallend hoch, so die Forscher. Die meisten dieser Teilchen bestünden aus PS oder PE, die häufig für Verpackungen von Lebensmitteln und anderen Konsumartikeln verwendet werden. Darüber hinaus sehe man den Partikeln an, dass es sich um Fragmente von Tüten, Beuteln und anderen Behältern handelt, die durch ‚Fehlwürfe’ in die Biotonnen hineingeraten sind.

Den Wissenschaftlern zufolge können Kunststoffpartikel mit einem Durchmesser von wenigen Millimetern nicht entfernt werden, selbst wenn die Rückstände der Vergärung in den Biogasanlagen sorgfältig gesiebt werden. „Die Partikel bleiben im Dünger enthalten.“

  • Organische Abfälle aus Industrie und Handel

Biogasanlagen, die ausschließlich organische Abfälle aus Industrie und Handel verwerten, haben ebenfalls mit einem hohen Kunststoffanteil zu kämpfen. Anders als Organik aus privaten Haushalten enthalten die Reste jedoch auffallend hohe Anteile von Polyestern. Diese Kunststoffe stammen in vielen Fällen aus Behältern und Schutzmaterialien, die bei der Verpackung und beim Transport großer Mengen von Früchten und Gemüse zum Einsatz kommen, vermuten die Autoren.

  • Nachwachsende Rohstoffe als Organikquelle

Bei Anlagen, die sich bei der Erzeugung von Biogas allein auf nachwachsende Rohstoffe stützen, zeigt sich ein völlig anderes Bild. Hier konnten die Wissenschaftler „keine oder nur sehr wenige Kunststoffpartikel in den Gärresten“ entdecken. Ähnlich verhielt es sich mit Anlagen, die Gas aus Gülle gewinnen. Kunststoffpartikel seien – wenn überhaupt – nur sehr vereinzelt anzutreffen.

Bürger und Anlagenbetreiber verantwortlich

Neben der Herkunft der organischen Reste haben die Bayreuther Forscher auch die verwendete Anlagentechnik betrachtet. Aus ihrer Sicht wird der Grad der Verunreinigung wesentlich durch die Aufbereitung der Abfälle vor der Vergärung und die weitere Bearbeitung der Gärreste beeinflusst. „Es ist mit einem gewissen Aufwand möglich, Fremdkörper wie Kunststoffe, Metalle oder Glas bereits vor der Vergärung aus dem Gärgut auszusortieren. Besser wäre es natürlich, sie gar nicht erst in den Bioabfall zu werfen“, sagt Ruth Freitag vom Lehrstuhl für Bioprozesstechnik der Universität Bayreuth.

Wie die Professorin weiter ausführt, zeigt die Studie, dass eine Verunreinigung mit Mikroplastikpartikeln weitgehend vermeidbar ist. Hierfür müssten Bürger und Anlagenbetreiber verantwortlich handeln. „Alle Bürger können in ihrem eigenen häuslichen und kommunalen Umfeld einen Beitrag für den Naturschutz und eine ökologische Kreislaufwirtschaft leisten“, so Freitag.

Die Studie mit dem Originaltitel ‚Organic fertilizer as a vehicle for the entry of microplastic into the environment‘ ist am 4. April im Magazin Science Advances erschienen. Sie finden die komplette Arbeit hier.

 

© 320°/bs | 05.04.2018

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