Industrie 4.0

Noch wird in der Abfallwirtschaft vergleichsweise wenig auf digitale Vernetzung und Technologie gesetzt. Doch die Digitalisierung bietet große Effizienzchancen und kann das Recycling optimieren. Besonders durch automatisierte Erkennungssysteme und Produktkennzeichnung.

Automatisch effizient


Für die Abfallwirtschaft hält die digitale Technik einiges an Möglichkeiten bereit. Welche das sind, erklärte Görge Deerberg, stellvertretender Institutsleiter beim Fraunhofer Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik (UMSICHT) am gestrigen Montag auf der Berliner Abfallwirtschafts- und Energiekonferenz.

Dabei stellte der Wissenschaftler die Möglichkeiten in den Kontext der sogenannten Industrie 4.0. Der Begriff spielt auf die vierte industrielle Revolution an und bezeichnet vereinfacht gesagt eine Digitalisierung der Produktionstechnik. Dabei werden Prozesse durchgängig vernetzt und ein hohes Automatisierungsniveau erreicht. Auf Basis von dabei gesammelten Daten wird dann automatisch auf die einzelnen Prozesse eingewirkt. Ziel ist es, vor allem eine höhere Flexibilität in der Produktion zu erreichen und die Kosten für Entwicklung, Bestand, Herstellung und Instandhaltung zu senken.

Zentrale Datenbanken für den Fahrzeugbau

Besonders in der Automobilindustrie wird das Konzept laut Deerberg bereits angewendet. Davon könnte auch die Recyclingbranche profitieren. So haben mehrere Automobilhersteller eine zentrale Datenbank für den Fahrzeugbau entwickelt, in der alle Wertstoffe verzeichnet sind. In Materialdatenblättern sind auch die Daten erfasst, die für das Recycling notwendig sind.

Allerdings ist diese Datenbank bisher nicht frei zugänglich. Doch Deerberg ist sich sicher, dass mit der Offenlegung der Datenbank vor allem im Bereich der Elektronikkomponenten und elektrische Hilfs- und Stellmotoren das Recycling deutlich optimiert werden kann.

Effizienzpotenziale in der Entsorgungswirtschaft

In der Entsorgungswirtschaft spielt die Industrie 4.0 laut Deerberg bisher eine untergeordnete Rolle und kommt eher im Bereich der Erfassung und Logistik zum Einsatz. „Für eine weitere Hebung von Effizienzpotenzialen ist künftig die Einbeziehung und IT-gestützte Optimierung der gesamten Prozesskette von der Güterproduktion bis zu den Entsorgungs- und Verwertungsprozessen erforderlich“ glaubt Deerberg. Dabei hat der Wissenschaftler mehrere Vorschläge:

  • Schon am Anfang der Prozesskette sollen die Produkte digital gekennzeichnet sein, um den Akteuren abfallrelevante Daten zugänglich machen. Um dabei aber RFID-Chips einsetzen zu können, sollten diese zunächst umweltgerechter gestaltet werden. Derzeit würden die in den Chips enthaltenen Metalle wie Kupfer, Silber, Aluminium und Silizium nicht genug recycelt.
  • Auch die Entsorgung von Elektro- und Elektronikaltgeräten könnten mithilfe von Transponderidentifikationsnummern (Tag ID) digitalisiert und effizienter werden, wie Deerberg anhand mehrerer Schritte erklärte. Über eine Datenbank könnten die Entsorger zunächst entsorgungsrelevante Informationen bekommen. Um diese zu verwenden, müssten an den verschiedenen Prozesseschritten kompatible Lesegeräte installiert werden und beispielsweise in der Erstbehandlungsanlage den Schrott bereits automatisch dem geeigneten Demontageplatz zuordnen.

„Die Entscheidung darüber, ob eine zerstörende Demontage und ein anschließendes stoffliches Recycling oder eine zerstörungsfreie Entnahme mit anschließender Aufbereitung und Weiterverwendung erfolgt, könnte bedarfsorientiert erfolgen“, sagte Deerberg. Dabei müssten wiederum die Sekundärrohstofflieferanten mit den potenziellen Käufern wie Ersatzteillieferanten vernetzt sein. In der Demontage selbst könnten die relevanten Teile automatisch erkannt und anschließend teil- oder vollautomatisiert entnommen werden. Die Kosten für die aufwendige händische Entnahme bestimmter Teile würden dann entfallen.

  • Neben den Kennzeichnungen durch RFID-Chips oder Tag-ID könnten weitere Markierungssysteme zum Einsatz kommen, beispielsweise chemische Markierungen. Diese könnten die Identifizierung von Flammschutzmitteln verhindern oder spezielle Legierungen im Bereich Stahlrecycling anzeigen.
  • Einen Motivationsansatz für Produktkennzeichnung und Digitalisierung der Bauteile sieht Deerberg in dem Konzept Leasing statt Kauf. Dabei verbleibt das Produkt – beispielweise eine Waschmaschine – im Besitz der Hersteller. Sie haben dann ein großes Interesse an der Langlebigkeit ihrer Geräte, nutzen massenrelevante Bestandteile langfristig und können Elemente wie Steuerungen durch Software-Updates austauschen. Hierbei würde dann die Produktverantwortung sich nicht nur auf die Finanzierung reduzieren, sondern der Anreiz entstehen, die Rohstoffe aus den Geräten wieder in den Produktionsprozess zurückzuführen.

Ein Beispiel für die Anwendung von Industrie 4.0 im Bereich Abfallwirtschaft ist das BMBF-geförderte Projekt ResourceApp. Wie Deerberg erklärte, soll es beim Gebäuderückbau eingesetzt werden. Bevor das Gebäude abgerissen wird, sollen mit einer Hardware mehrere 3D-Aufnahmen der Räume gemacht werden. Eine Auswertungssoftware wird die Ausstattung der Räume erkennen und basierend auf einem ebenfalls digitalen Inventarschlüssel das Ressourcenpotenzial errechnen, das für den Rückbau erwartet wird. Schon bei der Begehung zeigt das Handy also an, was in welchen Mengen für das Recycling zur Verfügung steht und wie und wo es am besten recycelt wird.

© 320°/ek | 26.01.2016

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