Individualverkehr

In den kommenden Jahren könnte der Wunsch nach dem eigenen Auto immer stärker in den Hintergrund treten. Für die Automobilindustrie hätte das gravierende Folgen: Die Anzahl der benötigten Fahrzeuge für den Individualverkehr würde deutlich sinken. Gefragt sind stattdessen neue Mobilitätskonzepte.

Bedarf an eigenen Fahrzeugen wird sinken


Das Interesse der Deutschen an selbstfahrenden Fahrzeugen ist groß. Mehr Komfort, weniger Staus und ein geringerer Energieverbrauch sind aus Verbrauchersicht nur einige der Pluspunkte bei hochautomatisierten Fahrzeugen. Schon heute kann sich fast jeder Zweite (47 Prozent) vorstellen, künftig ein selbstfahrendes Dienstleistungskonzept in Anspruch zu nehmen. Dies sind beispielsweise Robotertaxis oder selbstfahrende Busse.

Die 47 Prozent Zustimmung sind ein hoher Wert für eine Dienstleistung, die noch gar nicht auf dem Markt ist. Der Bedarf an eigenen Fahrzeugen dürfte also in der Zukunft sinken, wie die aktuelle Studie „Fahrerlos auf Kurs“ zeigt, die das internationale Marktforschungs- und Beratungsinstitut YouGov gemeinsam mit dem Center of Automotive Management (CAM) durchgeführt hat. Dem Report zufolge sind bereits schon heute 23 Prozent der Deutschen der Ansicht, dass künftig der Besitz eines eigenen Kfz nicht mehr notwendig sein wird. Auch unter Autobesitzern sind die Befragungswerte ähnlich hoch (22 Prozent).

„Die Technologie der selbstfahrenden Fahrzeuge in Verbindung mit neuen Mobilitätsdienstleistungen wird die Anzahl der benötigten Fahrzeuge für den Individualverkehr stark reduzieren“, erklärt Professor Stefan Bratzel, Director des Center of Automotive Management. Positionieren sich Automobilhersteller hier mit eigenen selbstfahrenden Dienstleistungskonzepten, könnten sie diesem Absatzrückgang entgegenwirken. Diese Entwicklung sollten Automobilhersteller als Chance sehen, zukünftig nicht ausschließlich Fahrzeuge zu verkaufen, sondern das Gesamtpaket Mobilität als Dienstleistung.

„Autonome Fahrzeuge genießen in Kombination mit etablierten Dienstleistungskonzepten wie Bus und Taxi bereits eine vergleichsweise hohe Akzeptanz“, ergänzt Markus Braun, Head of Business Unit Reports bei YouGov. So kann sich jeder Vierte vorstellen, selbstfahrende Busse zu nutzen, aber nur jeder Zehnte ein selbstfahrendes Auto mit unbekannten Menschen (z. B. als Mitfahrgelegenheit).

Selbstfahrende Autos ab 2020

Dabei sind selbstfahrende Autos heute schon Realität. Google beispielsweise hat mit seinen Fahrzeugen im Testbetrieb bereits über drei Millionen Kilometer auf öffentlichen Straße zurückgelegt. Die Autos des Suchmaschinen-Riesen gehören zur SAE-Klasse 3.

Die SAE (ein internationaler Verband von Autoingenieuren) unterteilt automatisiertes Fahren in fünf Stufen. Unter Stufe 1 und 2 fallen Assistenzsysteme – der Fahrer muss jederzeit direkt auf die Verkehrssituation reagieren können. Ab Stufe 3 überwacht das Auto den Verkehr selbständig, ab Stufe 4 muss der Fahrer auch im Notfall nicht mehr eingreifen.

Die wohl bekannteste Marke im Zusammenhang mit autonomen Fahren ist Tesla. Das Unternehmen wirbt damit, dass seine Fahrzeuge bereits 200 Millionen Straßenkilometer bewältigt haben. Allerdings gehören die Tesla-Fahrzeuge nur zur SAE-Klasse 2. Obwohl die Fahrzeuge nur teilautonom sind, kam es Ende Juni zu einem ersten Todesfall. Ein 62-Jähriger starb am Steuer seines Tesla S, bei eingeschaltetem „Autopilot“.

Dieser Vorfall hat auch die Debatte erneut angefeuert, wie sicher selbstfahrende Autos sind und sein müssen. Eine Studie der RAND Corporation zeigt, dass es noch einige Zeit dauern wird, bis dazu valide Beweise vorliegen. Demnach müssen autonome Fahrzeuge 443 Millionen Kilometer zurückliegen, um statistisch bewiesen maximal so viele Todesfälle zu produzieren wie menschliche Fahrer.

Fahrzeug-Hersteller und Tech-Unternehmen – allen voran Tesla – hält das aber nicht davon ab, die Einführung von selbstfahrenden Autos der Klassen drei und aufwärts voranzutreiben, wie die folgende Grafik mit Daten der Strategieberatung LSP Digital zeigt. Spätestens ab 2020 rechnen Experten mit der breiten Verfügbarkeit im weltweiten Massenmarkt.


Infografik: Selbstfahrende Autos - Science Fiction bald in Serienfertigung | Statista


In Deutschland kann sich jeder Dritte (34 Prozent) vorstellen, im eigenen Fahrzeug das Steuer aus der Hand zu geben – aber nur mit der Möglichkeit, als Fahrer weiterhin ins Geschehen eingreifen zu können. Die potenziellen Nutzer fahrerloser Fahrzeuge sind häufig männlich (57 Prozent), unter 35 Jahre alt (31 Prozent), leben in einer Beziehung (70 Prozent), treiben viel Sport (67 Prozent) – und sie sind keineswegs frei von Ängsten.

Die meisten sorgen sich mit mit 55 Prozent um Systemausfälle und Technikpannen, gefolgt von rechtlichen Unklarheiten bei Unfällen (51 Prozent) oder Hackangriffen (48 Prozent). Das sind Hürden, die die Automobilbranche durch entsprechende Kommunikationsmaßnahmen noch aus dem Weg räumen muss. Das Zutrauen in die Entwicklungskompetenz einzelner Hersteller beim Thema autonome Autos fällt bei Verbrauchern unterschiedlich aus. Der YouGov-Report zeigt, dass die Deutschen am meisten überzeugt von der Daimler-Marke Mercedes-Benz (46 Prozent), BMW (41 Prozent) und Audi (34 Prozent) sind.

„Überzeugen Sie Verbraucher davon, dass Ihr Unternehmen für sichere, autonome Fahrzeuge steht und sprechen Sie diese Nutzer frühzeitig und zielgerichtet an“, rät YouGov-Vertreter Markus Braun den Auto-Herstellern. Wichtig sei es zudem, dass Automobilhersteller und Unternehmen, die für viele Verbraucher noch zu vagen Zukunftsvisionen ihrer Mobilitätskonzepte greifbar machen. „Auf diese Weise können eigene selbstfahrende Dienstleistungskonzepte ein wichtiger Differenzierungsfaktor sein“, sagt Professor Bratzel vom Center of Automotive Management.

Mehr zum Thema
Fragen und Antworten zum PET-Markt in Europa
So lassen sich Lederreste upcyceln
Institute senken Konjunkturprognose – Nur noch Miniwachstum
Recycling von Solarmodulen: Jetzt auch für Silber
KI sortiert Kunststoffe für Lebensmittel­verpackungen
„Noch wenig Hinweise auf konjunkturelle Belebung“
UN-Bericht: Die Welt produziert Jahr für Jahr mehr Elektroschrott
Forscher entwickeln Lkw-Front, die Leben retten soll