Gerichtsurteil

Kameras an der Decke, Spähsoftware auf dem Dienstcomputer oder Ortung per GPS: Die Überwachungsmöglichkeiten am Arbeitsplatz sind vielfältig. Doch haben die Daten auch vor Gericht Bestand, wenn es um Kündigungsverfahren geht?

Bilder von Überwachungskameras können Kündigung rechtfertigen


Kaum ein Handgriff blieb unbeobachtet: In einem Zigaretten- und Zeitschriftengeschäft in Nordrhein-Westfalen sollte eine offen aufgehängte Überwachungskamera Waren und Mitarbeiter vor Dieben schützen. Doch dem Arbeitgeber dienten die Kamerabilder auch dazu, eine Verkäuferin fristlos zu kündigen. Denn die gespeicherten Videoaufzeichnungen, die erst nach Monaten ausgewertet wurden, belegten seiner Meinung nach, dass die Frau Geld unterschlagen hatte.

Vorausgegangen war ein „Warenschwund“, den der Arbeitgeber bei einer Stichprobenkontrolle festgestellt hatte. Er ließ von einer seiner Angestellten über sechs Monate gespeicherte Aufzeichnungen der Überwachungskamera auswerten. Mindestens an einem Tag soll die Verkäuferin in drei Fällen Tabakwaren verkauft und das Geld – 35 Euro – nicht in die Registrierkasse gelegt haben. Ihren Minijob war sie daraufhin los.

Die Verkäuferin bestreitet jedoch, Geld unterschlagen zu haben und klagte gegen die fristlose Kündigung. Mit Erfolg: Das Arbeitsgericht Iserlohn erklärte die Kündigung für unwirksam, später auch das Landesarbeitsgericht Hamm. Die zweite Instanz bescheinigte dem Arbeitgeber die Verletzung von Persönlichkeitsrechten. Der Arbeitgeber hätte die Kamerabilder regelmäßig überprüfen und dann unverzüglich löschen müssen. Durch den Verstoß gegen den Datenschutz bestehe ein „Beweisverwertungsverbot“ für die Videoaufzeichnungen, heißt es in dem Urteil aus Hamm.

Der Fall landete vor dem Bundesarbeitsgericht. Die Bundesrichter widersprachen den Vorinstanzen und ließen die Kameraaufnahmen als Beweismittel zu. Für legale Videoaufzeichnungen von einer offen installierten Kamera gebe es kein Verwertungsverbot, argumentierten sie (Az. 2 AZR 133/18). Der Arbeitgeber „musste das Bildmaterial nicht sofort auswerten“, betonen sie. Er durfte hiermit so lange warten, bis er dafür einen berechtigten Anlass sah. Auch die Vorschriften der neuen Datenschutz-Grundverordnung von Ende Mai würden der Verwendung der Bilder als Beweis vor den Arbeitsgerichten nicht entgegenstehen.

Überwachung nur in Ausnahmefällen

Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts wird in der Frage, welche Anforderungen an Datenbeweise vor Gericht gestellt werden müssen, für mehr Klarheit sorgen. Inzwischen sorgt die Digitalisierung mit neuen Überwachungsmöglichkeiten wie Keyloggern, die jeden Tastenanschlag auf Dienst-PCs protokollieren, für eine Datenflut. Vor einem Jahr hatte das Bundesarbeitsgericht in einem Keylogger-Fall entschieden, dass die Spähsoftware auf Firmenrechnern zur Überwachung von Arbeitnehmern „ins Blaue hinein“ rechtswidrig sei. Einzige Ausnahme: Es liegt ein durch Tatsachen begründeter Verdacht auf eine Straftat oder eine schwerwiegende Pflichtverletzung des Arbeitnehmers vor.

Ähnlich verhält es sich auch mit der Videoüberwachung. Eine solche Überwachung ist demnach nur dann möglich, „wenn sie streng verdachtsbezogen erfolgt und dann nur in einer begrenzten Zeit“, betonte eine Sprecherin des Bundesarbeitsgerichts. „Sie muss die absolute Ausnahme sein.“

 

© 320°/dpa | 23.08.2018

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