Neuordnung der Abfallwirtschaft

In Bremen wird derzeit heftig über eine mögliche Rekommunalisierung der Abfallwirtschaft diskutiert. Verdi hat inzwischen genügend Unterschriften für einen Volksentscheid gesammelt. Die Politiker sind unschlüssig.

Bremen: Nur ein bisschen Kommunalisierung?


Bremen ist ein Sonderfall. Außer in Düsseldorf wurde in keiner deutschen Stadt mit mehr als 500.000 Einwohnern die Abfallwirtschaft so weitreichend privatisiert wie in der Hansestadt. Seit über 16 Jahren entsorgt dort das Privatunternehmen Nehlsen die Abfälle der Bürger. Einige Interessensvertreter sehen die Privatisierung als Fehler und fordern nun eine Rekommunalisierung. Möglich wäre das ab dem Jahr 2018, wenn der Vertrag zwischen Stadt und Nehlsen ausläuft, doch die Vorstellungen darüber, wie die Entsorgung aussehen soll, gehen auseinander.

Die Abfallentsorgung in Bremen wurde im Jahr 1998 privatisiert. Für insgesamt 176,9 Millionen D-Mark hatte damals Nehlsen die Entsorgung Nord GmbH, die Abfallbehandlung Nord GmbH, die Kompostierung Nord GmbH und die Schadstoffentsorgung Nord GmbH gekauft. Die daraus entstandene Nehlsen-Tochter ENO beschäftigt heute von den damaligen 700 Mitarbeitern der Stadt noch rund 350 Mitarbeiter. Sollte die Entsorgung tatsächlich kommunalisiert werden, steht den ehemaligen Angestellten ein Rückkehrrecht in den öffentlichen Dienst zu.

Dabei hat die geforderte Rückkehr zur öffentlichen Hand weniger damit zu tun, dass die Stadt mit der Arbeit von Nehlsen unzufrieden ist. Die Kritik gilt vielmehr der Bezahlung der Angestellten. Deswegen ruft auch Verdi am lautesten nach einer vollständigen Rekommunalisierung. Denn nach Angaben der Gewerkschaft würden ältere Müllwerker mit Verträgen von 1998 noch den Tarif des öffentlichen Dienstes bekommen, wo hingegen die neu eingestellten Mitarbeiter deutlich weniger verdienen.

Volksentscheid über Rekommunalisierung

Ein Gutachten zur möglichen Rekommunalisierung hat ausgerechnet, dass Nehlsen durch die niedrigeren Löhne etwa 1,8 Millionen Euro spart. Diese würden sich bei einer Kommunalisierung aber nicht auf die Gebühren auswirken, da sich ein öffentlich-rechtlicher Träger die Mehrwertsteuer spart – das sind laut Gutachten, das der Senat in Auftrag gegeben hat, etwa jährlich 4,7 Millionen Euro jährlich. Den Gewinn schätzen die Gutachter auf 2,7 Millionen Euro.

Mittlerweile hat Verdi erfolgreich ein Bürgerbegehren angestoßen: Im Sommer wurden genügend Unterschriften gesammelt, um einen Volksentscheid zur Rekommunalisierung zu erreichen. Allerdings muss dafür zunächst eine Grundlage dafür geschaffen werden, dass eine Anstalt des öffentlichen Rechts für die Abfallentsorgung gegründet werden kann. Dafür fehlt bisher die rechtliche Voraussetzung. Diese soll in einem ersten Volksbegehren erreicht werden. Erst dann kann in einem zweiten Volksbegehren über die eigentliche Rekommunalisierung abgestimmt werden.

Die Politiker äußern sich unterdessen uneins zur künftigen Ausgestaltung der Abfallentsorgung. Während die Linken klar die vollständige Rekommunalisierung fordern, hält sich die CDU zurück und verweist auf die hohen Kosten für die Rückführung des Betriebs. Auch die Grünen sind skeptisch. Sie wollen zwar einen stärkeren kommunalen Einfluss, jedoch in Zusammenarbeit mit einem privaten Partner. Die SPD hat eine vollständige Kommunalisierung zunächst ebenfalls abgelehnt, wünscht sich nun aber ein weiteres Gutachten. Dabei soll vor allem die Frage geklärt werden, wie die Abfallentsorgung von Seiten der Stadt überhaupt zu organisieren wäre. Derzeit liege das gesamte Know-How bei Nehlsen, angeblich gibt es keine Kriterien für einen Rückkauf, manche Pachtverträge für Betriebshöfe laufen auch weit über 2018 hinaus. Sollte Nehlsen sich quer stellen, muss eine komplett neue Entsorgungsinfrastruktur aufgebaut werden.

PPP wäre die schlechteste Lösung

Von Nehlsen selbst kam vor wenigen Tagen eine Reaktion. Mit einem offenen Brief hatte sich der Regionalbetriebsrat von Nehlsen, Dieter Haase, an die Bürgerschaftsabgeordneten und gegen die Pläne zur Kommunalisierung gewandt. „Wir, die Nehlsen-Belegschaft, wären die Leidtragenden“, betonte er in dem Schreiben. Es dürfe nicht nur um die Zukunft der Mitarbeiter bei ENO gehen, sondern „über die mehr als tausend Mitarbeiter, die direkt bei Nehlsen angestellt sind“. Haases Wunschvorstellung ist eine vollständige Ausschreibung der Entsorgungsleistung ab Mitte 2018. Die Belegschaft stehe aber auch dem Modell der Public-Private-Partnership (PPP) offen gegenüber.

Einer möglichen PPP gibt das Senats-Gutachten allerdings die schlechteste Note. Die Müllentsorgung könnte bis zu 10 Millionen Euro teurer werden, wenn einerseits die höheren Löhne gezahlt werden müssten und andererseits der Vorteil des Steuerprivilegs wegfalle.

Zwar ist bis zum Stichtag in knapp vier Jahren noch Zeit, doch vor allem Verdi möchte bald möglichst klare Verhältnisse schaffen. Dass das gelingt, ist aber eher unwahrscheinlich. Da in Bremen am 10. Mai 2015 Bürgerschaftswahlen stattfinden, wird es wohl vorher zu keinem Volksbegehren kommen.

© 320°/ek | 07.10.2014

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