Konjunktursorge

Lange zeigten sich Anleger in der Coronavirus-Krise gelassen. Doch jetzt folgt auf die Gelassenheit ein Anflug von Panik. Experten rechnen mit wirtschaftlichen Folgen weltweit. Auch deutsche Unternehmen sind betroffen.

Coronavirus: Aktienkurse brechen ein, Ölpreise geben nach


Gerade erst war an den Finanzmärkten die Sorge wegen wirtschaftlicher Folgen des Coronavirus abgeebbt – doch damit ist es jetzt vorbei. Eine rasante Ausbreitung des Virus in Südkorea und Italien hat über das Wochenende die Anleger auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Aktienkurse brachen zum Wochenbeginn ein, die Ölpreise gaben nach. Gefragt waren hingegen Anlagen wie Gold, Staatsanleihen oder die Krisenwährung US-Dollar, die als „sicherer Hafen“ in Krisenzeiten gelten.

Die Anzahl der Infizierten ist in Italien übers Wochenende deutlich gestiegen. Zudem ist in China die Zahl der Toten durch das Virus sprunghaft angestiegen, auch Südkorea ist zunehmend betroffen. „Klar ist, dass die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Epidemie erheblich sein werden“, kommentierte Michael Bissinger, Experte bei der DZ Bank. Die wirtschaftlichen Schäden durch Produktionsausfälle, gestörte Lieferketten, eingeschränkte Konsummöglichkeiten und die Ausfälle im Reiseverkehr seien vor allem für China und die asiatischen Anrainerstaaten schon jetzt beträchtlich.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) senkte bereits seine Wachstumsprognose für China. Auch Unicredit-Chefvolkswirt Erik Nielsen rechnet mit einem deutlichen Konjunkturknick im Reich der Mitte. Die Wirtschaft des Landes dürfte demnach im ersten Quartal nur noch um 3 Prozent wachsen, nach rund 6 Prozent Ende 2019. Angesichts der zuletzt stark gestiegenen Bedeutung Chinas für die Weltwirtschaft werde das entsprechende Auswirkungen auf die globale Konjunktur haben.

„Eine völlig neue Situation“

Mit Blick auf Deutschland gehen Volkswirte führender deutscher Finanzinstitute davon aus, dass die Folgen der Epidemie eine Konjunkturerholung verzögern könnten. So ist China ein immens wichtiger Handelspartner Deutschlands. Für die Autobauer BMW, Daimler und Volkswagen ist China der wichtigste Einzelmarkt.

Gleichwohl hat sich die Stimmung in der deutschen Wirtschaft im Februar überraschend etwas aufgehellt. Wie das Münchner Ifo-Institut am Montag mitteilte, stieg das von ihm erhobene Geschäftsklima um 0,1 Punkte auf 96,1 Zähler. Analysten hatten mit einem Rückgang auf 95,3 Punkte gerechnet. „Die deutsche Wirtschaft scheint von der Entwicklung rund um das Coronavirus unbeeindruckt“, kommentierte Ifo-Präsident Clemens Fuest.

Doch Ökonomen warnen angesichts der rasanten Ausbreitung des Coronavirus vor zu viel Optimismus. „Vielleicht ist die heutige Zahl auch nur der Blick in den Rückspiegel und verrät uns nicht allzu viel über die nahen Konjunkturaussichten“, kommentierte Uwe Burkert, Chefvolkswirt der Landesbank Baden-Württemberg. „Denn mit der derzeitigen Ausbreitung des Coronavirus in Italien haben wir möglicherweise eine völlig neue Situation.“ Burkert verwies auf die schwache Entwicklung an den Finanzmärkten am Montag. Dies zeige, wie viel Angst plötzlich in den Finanzmärkten stecke.

Das Coronavirus dürfte nach Einschätzung von Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer die Industrierezession in Deutschland um „ein paar Monate“ verlängern. Er verwies auf die massiven Produktionsausfälle in China. „Es ist gut möglich, dass dies das deutsche Bruttoinlandsprodukt im ersten Quartal wegen sinkender Exporte und fehlender Zulieferungen schrumpfen lässt – zumal das Virus Norditalien erreicht hat“, schreibt Krämer.

Noch größeres Überangebot am Ölmarkt?

Die Konjunkturängste drückten auch auf die Ölpreise. Denn wenn mehr und mehr Länder und Kontinente von dem Virus betroffen sind, dürfte dies erhebliche Bremsspuren bei der Wirtschaftsaktivität und der Reisetätigkeit hinterlassen, erklärte Rohstoffexperte Carsten Fritsch von der Commerzbank. Das ohnehin schon bestehende Überangebot am Ölmarkt falle dann noch größer aus.

Gefragt waren hingegen die als sichere Häfen geltenden Anlagen. Staatsanleihen legten kräftig zu, ihre Renditen fielen im Gegenzug. Der Goldpreis stieg auf ein Siebenjahreshoch und näherte sich der Marke von 1.700 US-Dollar je Feinunze (31,1 Gramm). In Euro umgerechnet erreichte der Goldpreis sogar einen Rekord von 1561 Euro. Am Devisenmarkt war der Dollar als Weltreservewährung stark gefragt. Er legte gegenüber zahlreichen anderen Währungen zu – entsprechend gab der Euro gegenüber dem Dollar nach.

 

© 320°/dpa | 24.02.2020

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