Altkunststoffe als Abfall oder Produkt?

Rezyklate werden schon lange als Produkt vermarktet. Das laufende Abfallende-Verfahren für Altkunststoffe sollte der Branche eigentlich gelegen kommen. Kommt es aber nicht.

Dann doch lieber Abfall


Es ist noch gar nicht so lange her, dass die Entsorgerverbände einen europaweiten Produktstatus von Altkunststoffen mit offenen Armen begrüßt hätten. „Für das Kunststoffrecycling brauchen wir dringend den Produktstatus, um das Recycling in Europa zu stärken“, sagte beispielsweise Thomas Probst, bvse-Fachreferent für das Kunststoffrecycling, im vergangenen Jahr bei der IFAT in München. Jetzt aber bitten die Verbände der Kunststoffhersteller und –verarbeiter – vertreten durch die Wirtschaftsvereinigung Kunststoff (WVK) – sowie die Kunststoffrecycler im bvse und BDE um das genaue Gegenteil. In einer gemeinsamen Stellungnahme fordern die drei Verbände die EU-Kommission dazu auf, das laufende Abfallende-Verfahren für Kunststoffabfälle einzustellen.

Auslöser für diesen Sinneswandel ist der Entwurf eines Abschlussberichts, den das Institute for Prospective Technological Studies (IPTS) der Gemeinsamen Forschungsstelle der Kommission in Sevilla vorgelegt hat. Mit den aktuellen Vorschlägen der Europäischen Kommission sind nach Ansicht der Verbände zusätzliche technische und administrative Anforderungen verknüpft. Diese seien nicht sachdienlich und würden unnötige Kosten verursachen. Zudem befürchten die Verbände, dass zurückgewonnene Kunststoffe, die bereits einen etablierten Weg in die Kunststoffverarbeitung gefunden haben, ihren bestehenden Produktstatus verlieren könnten. „Das bedeutet einen massiven Rückschritt im Kunststoffrecycling, welches eher gefördert und ausgebaut anstatt beschränkt werden sollte“, heißt es in der Stellungnahme der Verbände.

Im Grunde genommen ist eine Festlegung von Kriterien, die das Abfallende von Kunststoffen beschreiben, nicht mehr nötig. Denn die beim Recycling erzeugten Kunststoffrezyklate, vor allem Agglomerate, Granulate und Mahlgüter, werden nach der Aufbereitung schon längst als Produkt vermarktet. Diese Praxis ist seit vielen Jahren gang und gäbe und wird auch nicht durch die geltende Rechtslage in Zweifel gezogen. Die Kunststoffrecycler verfügen bereits über unterschiedliche und spezifische Qualitätsmanagementsysteme, die auch für End of Waste relevant sind. Sie würden daher bereits sämtliche Produktanforderungen erfüllen, die das Gewerbe und die Industrie an ihre Rohstoffe stellen, betonen WRK, bvse und BDE.

Dabei berufen sich die drei Verbände auf Artikel 6 der Abfallrahmenrichtlinie. Die hierin verankerten Voraussetzungen seien von den Kunststoffrecyclern erfüllt, um Kunststoffe nicht mehr als Abfall anzusehen. Im Einzelnen sind das folgende Punkte:

1. Die Kunststoffabfälle durchlaufen ein Verwertungsverfahren,

2. sie werden nach ihrer Aufbereitung zweckbestimmt verwendet,

3. es besteht ein Markt und eine Nachfrage,

4. technische Anforderungen werden erfüllt sowie bestehende Rechtsvorschriften und Normen eingehalten,

5. die Verwendung des Kunststoffs führt nicht zu schädlichen Umwelt- oder Gesundheitsfolgen.

Was die Wirtschaftsverbände den Vorschlägen der EU-Kommission vor allem ankreiden, sind die zusätzlichen Anforderungen an die Bewertung der Gefährlichkeit eines Stoffes. Anstatt sich an den bereits bestehenden Qualitätsanforderungen der EU-Chemikalienverordnung Reach und der CLP-Verordnung zu orientieren und diese in den Kriterienkatalog des End of Waste aufzunehmen, geht die Kommission darüber noch hinaus. Der Kontrollaufwand bei Rezyklaten dürfte sich verdoppeln, wenn die Abfallendekriterien in ihrer jetzigen Form zum Maß der Dinge werden.

Weitere wesentliche Stein des Anstoßes sind für die Verbände praxisferne Vorgaben für kunststofffremde Anteile und übersteigerte Vorgaben zur Rückverfolgbarkeit. Auch hier bestehen bereits europaweit gültige technische Normen.

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