Interview mit Michael Thews

Der Arbeitsentwurf zum Wertstoffgesetz liegt vor – und wird kontrovers diskutiert. Was Michael Thews von dem Entwurf hält, schildert der SPD-Bundestagsabgeordnete und Berichterstatter für das Wertstoffgesetz im Interview mit 320°. Für ihn steht fest: Es gibt noch Diskussionsbedarf.

„Das werden wir nochmal diskutieren müssen“


Das Bundesumweltministerium hat vor wenigen Wochen den lang erwarteten Arbeitsentwurf für das geplante Wertstoffgesetz vorgelegt. Die Resonanz ist durchwachsen. Der Handel und die dualen Systeme begrüßen den Entwurf, die Kommunen lehnen ihn ab. Hauptstreitpunkt ist die Frage, wer die Organisationshoheit für die Erfassung der Wertstoffe aus privaten Haushalten bekommt. Laut Arbeitsentwurf liegt die Verantwortung bei den dualen Systemen, die Kommunen hingegen beanspruchen die Verantwortung für sich.

Herr Thews, die Kritik am Arbeitsentwurf zum Wertstoffgesetz ist groß. Haben Sie das so erwartet?

Quelle: SPD NRW
Quelle: SPD NRW

Ich glaube, dass allen Beteiligten von Anfang an klar war, dass das geplante Wertstoffgesetz umstritten sein wird. Das Wichtige ist jetzt, dass ein Diskussionsprozess beginnt, und dafür haben wir mit dem vorliegenden Arbeitsentwurf eine Grundlage.

Ist der Entwurf eine gute Grundlage?

Es ist zumindest ein Papier, an dem man sich nun in der Diskussion orientieren kann. Aus meiner Sicht sind einige Punkte aus dem Eckpunktepapier nicht umgesetzt worden, insbesondere hinsichtlich der Gestaltungsmöglichkeit der Kommunen. Das werden wir nochmal gemeinsam diskutieren müssen.

Bereuen Sie inzwischen, dass Sie dem Fortbestand der dualen Systeme zugestimmt haben?

Ich persönlich halte es nach wie vor für möglich, dass die Kommunen die Verantwortung für die Sammlung der haushaltsnahen Wertstoffe übernehmen. Aber das war in den vergangenen Monaten stets der größte Streitpunkt. Um endlich einen Fortschritt zu erreichen, waren wir bereit, den Kompromiss einzugehen, der im Eckpunktepapier formuliert ist. Allerdings kann ich nicht erkennen, dass sich diese Punkte im Arbeitsentwurf wiederfinden. Das gilt vor allem für die vereinbarten Durchgriffsmöglichkeiten der Kommunen. So, wie es jetzt formuliert ist, habe ich meine Zweifel, ob das am Ende funktioniert.

Das heißt, die SPD trägt den Arbeitsentwurf hinsichtlich der Gestaltungsmöglichkeiten der Kommunen nicht mit?

Nun ja, sagen wir mal so: Wir haben uns unter ganz bestimmten Bedingungen auf den Kompromiss eingelassen. Und das sind die Punkte, die im Eckpunktepapier stehen. Wir stehen hierzu im Gespräch mit dem Bundesumweltministerium, um zu klären, welche Gründe es für die Abweichungen vom Eckpunktepapier gibt. Bei den Ausschreibungen nach VOL beispielsweise hat uns das BMUB bereits mitgeteilt, dass man ein solches Verfahren einem Privatunternehmen gar nicht vorschreiben kann. Das müssen die Rechtsexperten nochmal prüfen. Ich hätte mir in jedem Fall gewünscht, dass der Arbeitsentwurf sich klar am vereinbarten Eckpunktepapier orientiert.

Baden-Württemberg hat ein neues Rechtsgutachten vorgestellt, das die europarechtlichen und finanzverfassungsrechtlichen Einwände des Bundesumweltministeriums im Wesentlichen für unbegründet hält. Wie beeinflusst das Gutachten Ihre Position zur Aufgabenverteilung zwischen Kommunen und Privaten?

Wir müssen uns das Gutachten nochmal genau ansehen. Derzeit wird es unterschiedlich interpretiert. Ob wir zu dem Punkt kommen, dass wir nochmal grundsätzlich rangehen, kann ich noch nicht sagen.

„Rangehen“ heißt, dass Sie gegebenenfalls doch wieder die Sammelverantwortung der Kommunen einfordern?

Das muss man abwarten. Nun steht das Gutachten erst einmal zur Diskussion. Wir müssen sehen, was die Prüfung der Details ergibt.

Bei der Frage nach dem Fortbestand der dualen Systeme steht die Position des Handels und der Industrie gegen die Position der Kommunen. Wer hat mehr Macht, um im politischen System seine Interessen durchzusetzen?

Das frage ich mich manchmal auch. Ich kann und will aber nicht beurteilen, wer mehr Einfluss ausüben kann. Entscheidend ist auch vielmehr, wer die besseren Argumente hat. Und zwar gemessen an den Zielen, die wir mit dem Wertstoffgesetz verfolgen. Und das ist neben den ökologischen Zielen auch das Ziel, ein verbraucherfreundliches Gesetz zu verabschieden.

Steht die SPD-Bundestagsfraktion noch geschlossen hinter dem Fortbestand der dualen Systeme?

Die SPD-Fraktion hat dem Eckpunktepapier geschlossen zugestimmt. Allerdings haben einige Abgeordnete ihre Zustimmung nur schweren Herzens gegeben. Umso wichtiger ist es daher, dass das Eckpunktepapier auch wie vorgegeben umgesetzt wird. Sonst könnte die Zustimmung bröckeln.

Wie groß ihrer Einschätzung nach die Wahrscheinlichkeit, dass das Wertstoffgesetz wie geplant in dieser Legislaturperiode verabschiedet wird?

Ich gehe davon aus, dass die Diskussion nun Fahrt aufnehmen wird. Ich will keine Prognosen abgeben, dafür habe ich mich schon zu oft getäuscht. Aber unser Ziel bleibt es, das Wertstoffgesetz noch in dieser Legislaturperiode zu verabschieden.

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