Verhandlungen zum Wertstoffgesetz

Am kommenden Donnerstag gehen die Verhandlungen um das Wertstoffgesetz in eine neue Runde. Der Ausgang ist völlig offen. Den größten Schritt zu einer Einigung müsste die SPD machen. Aber selbst dann wird die Zeit knapp, um das geplante Gesetz noch in dieser Legislaturperiode umzusetzen

Das zähe Ringen


Von Stephan Krafzik

Manche Vorhaben müssen erst kurz vor dem Scheitern stehen, um einen Kompromiss zu erzwingen. Das Wertstoffgesetz hat diesen Punkt erreicht. Nach Jahren der Diskussion um Zuständigkeiten der privaten und kommunalen Entsorgungswirtschaft müssen nun CDU, SPD und das Bundesumweltministerium (BMUB) einen Kompromiss finden, sonst können sie das Projekt vermutlich ad acta legen.

Die Ausgangslage ist schwierig, aber nicht aussichtslos. Es gibt viele Punkte, über die Einigkeit besteht. Alle Beteiligten wollen die Wertstofferfassung aus privaten Haushalten steigern, höhere Recyclingquoten sind ebenfalls unstrittig und auch die geplante Zentrale Stelle gilt als gesetzt. Doch die Zuständigkeit der Wertstoffsammlung bleibt umstritten. Hier sind die Fronten klar. CDU und Bundesumweltministerium (BMUB) plädieren für die private Organisationsverantwortung via Duale Systeme, die SPD fordert die kommunale Zuständigkeit.

Die Frage ist, wie diese Positionen zu einem Kompromiss zusammengeführt werden können. Die Position des BMUB erscheint im Grundsatz unverrückbar. BMUB-Vertreter Thomas Rummler hat beim Kasseler Abfall- und Bionergieforum klargestellt, dass derzeit im politischen Raum kein Platz ist für ein „Extremmodell“ wie das der vollständigen Kommunalisierung der Wertstofferfassung. Es gehe darum, wie die berechtigten Interessen der Gebietskörperschaften angemessen berücksichtigt werden können. Eine zentrale Rolle für diese Position spielt unter anderem die Frage der Finanzierung. Das von kommunaler Seite in die Diskussion gebrachte „Standardkostenmodell“ lehnt Rummler aus finanzverfassungsrechtlichen Gründen ab. Wenn die Kosten für die Sammlung der Gebietskörperschaften erhoben werden und dann von den Produktverantwortlichen getragen werden müssen, sei das eine Sonderabgabe, die strengen Anforderungen unterliegt und unter anderem die Verantwortung der Belasteten für die besondere Aufgabe erfordert. Da die Sammelverantwortung den Produktverantwortlichen aber bei dieser Konstruktion gerade entzogen würde, sei diese Rechtfertigung nicht gegeben, argumentiert er.

Um die SPD dennoch zu einem Kompromiss zu bewegen, werden CDU und BMUB folglich den kommunalen Einfluss stärken müssen. Dies gilt umso mehr, als die SPD als angenommener Interessenvertreter der Kommunen einen möglichen Kompromissvorschlag mit der Ausgangsposition vergleichen wird, die im Falle eines Scheiterns des Wertstoffgesetzes fortbestehen wird. Kommt es nicht zu einem Wertstoffgesetz, dann werden die Kommunen unverändert die Sammlung der stoffgleichen Nichtverpackungen verantworten. Jede Kompromisslösung muss also bestenfalls für die Kommunen attraktiver sein als der Status quo, sonst droht der Rückzug der Kommunen aus der Kompromissfindung.

Zeit wird knapp

Wo mögliche Kompromisslinien verlaufen können, wollte Rummler beim Pressegespräch am Rande des Kasseler Abfall- und Bioenergieforums vergangene Woche nicht kommentieren. Denkbar sind unter anderem ein stärkerer kommunaler Einfluss auf die Ausgestaltung der Sammlung vor Ort, eine stärkere Beteiligung der Dualen Systeme an den Kosten für Abfallberatung und Sauberhaltung der Sammelplätze sowie ein „Durchgriffsrecht“ auf Entsorger, wie es Rummler in seinem Vortrag in Kassel formulierte. Ob das der SPD reichen wird, ist offen.

Grundsätzlich ist die Chance zu einer Einigung gegeben. Denn auch die SPD steht unter Druck. Stimmt sie einem möglichen Kompromiss nicht zu und scheitert deshalb das Wertstoffgesetz, dann setzt sie sich dem Vorwurf aus, das Gesetz blockiert zu haben. Eine Einigung muss aber rasch erfolgen, denn die Halbzeit der laufenden Legislaturperiode ist bald erreicht. Die nächste Bundestagswahl steht im September 2017 an. BDE-Präsident Peter Kurth verweist zu Recht darauf, dass ein Kabinettsbeschluss für das Wertstoffgesetz spätestens im Herbst dieses Jahres vorliegen müsste, um noch gute Aussichten zu haben, verwirklicht zu werden. Die Zeit ist also äußerst knapp.

Scheitert jedoch das Vorhaben schon im Vorfeld, dann stehen die Chancen schlecht, dass das Vorhaben jemals wieder aufgegriffen wird. Schon die früheren Bundesumweltminister Norbert Röttgen und Peter Altmaier (beide CDU) haben es nicht geschafft, dass Projekt voranzubringen. Gelingt es auch der aktuellen Amtsinhaberin Barbara Hendricks (SPD) nicht, dürfte das Wertstoffgesetz als politisch verbrannt gelten. Für die Recyclingwirtschaft wäre das ein Rückschlag. Vertreter der kommunalen und privaten Entsorgungswirtschaft und aller Parteien sind sich einig, dass das Recycling von Wertstoffen deutlich gesteigert werden kann. Es bleibt zu hoffen, dass das Potenzial nicht aus Kompetenzgerangel ungenutzt bleibt.

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