Landfill Mining

Wissenschaftler haben das Rohstoffpotenzial der Kreismülldeponie Hechingen untersucht und ausgerechnet, was sich mehr lohnt: Die Nachsorge oder der Rückbau.

Deponie Hechingen: Nachsorge oder Rückbau?


Alleine die energetischen Rohstoffe, die in der Kreismülldeponie in Hechingen liegen, könnten bis zu 180.000 Zwei-Personenhaushalte ein Jahr lang mit Wärme versorgen. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie „Ganzheitliche Betrachtung des Ressourcenpotenzials der Kreismülldeponie Hechingen“. Durchgeführt haben die Untersuchung der Lehrstuhl für Abfall- und Ressourcenmanagement der Universität Gießen unter Leitung von Professor Stefan Gäth sowie das Umweltministerium Baden-Württemberg und das Abfallwirtschaftsamt des Zollernalbkreises.

Ziel der Forschungsarbeit war herauszufinden, ob sich das Landfill Mining bei der Deponie lohnt. Dafür wurde analysiert, welche Abfälle auf der Deponie abgelagert wurden und welche Erlöse damit zu erzielen wären. Ferner wurde abgeschätzt, welche Kosten für den Rückbau anfallen würden und ob eine Nachsorge der Deponie nicht sinnvoller wäre. Das Ergebnis: Ob sich ein Rückbau lohnt, kommt auf den Zeitpunkt an.

65 Prozent Feinfraktion

Die Deponie in Hechingen war von 1982 bis Mitte 2005 in Betrieb. Die Abfälle, die sich quer durch alle Stoffgruppen ziehen, wurden dort stets unbehandelt abgelagert. Das gesamt betrachtete Volumen liegt bei etwa 2,3 Millionen Quadratmetern auf einer Fläche von etwa 12 Hektar. Inzwischen wurden 8 Hektar vollständig rekultiviert.

Anzahl der Deponien in Deutschland nach Anlagenart 2011Die Zusammensetzung des Abfalls – Haus- und Gewerbemüll – bezeichnen die Autoren der Studie als „durchschnittlich“. Die Gesamtablagerungsmenge liegt zwischen 1,9 und 2,3 Millionen Tonnen. Demnach machen Abfälle aus Haushalten mit einer Menge von rund 800.000 Tonnen etwa 37 Prozent der deponierten Menge aus. 640.000 Tonnen und damit 30 Gewichtsprozent sind Gewerbeabfälle, weitere 262.000 Tonnen Bauschutt. Der Rest setzt sich zusammen aus Schlämmen (164.000 Tonnen und 8 Prozent) sowie Sperrmüll und Materialien zur Rekultivierung.

Einen großen Teil der Arbeit widmen die Wissenschaftler der Beschaffenheit des abgelagerten Materials. Bezüglich der Korngrößenverteilung fanden sie im Schnitt heraus, dass etwa 35 Prozent größer als 35 Millimeter sind und die restlichen 65 Prozent damit als Feinfraktion gelten. Bei der Grobfraktion liegt der Wassergehalt im Schnitt bei rund 35 Prozent, für die Feinfraktion ergab der Wert etwa 43 Prozent. Der durchschnittliche Glühverlust liegt bei etwa 41 Prozent, dabei liegt dieser bei der Grobfraktion etwas höher. „Der vergleichsweise hohe Glühverlust der Feinfraktion lässt vermuten, dass in dieser Fraktion noch ein hohes Potenzial an leicht abbaubaren, organischen Verbindungen vorhanden ist“ heißt es in der Studie.

Theoretisches und praktisches Ressourcenpotenzial

Bei der Bewertung ihrer Ergebnisse erstellen die Autoren der Studie ein theoretisches und ein praktisches Ressourcenpotenzial. Ersteres wird berechnet, indem die Wissenschaftler allgemeingültige und sekundäre Daten zum Abfallaufkommen heranziehen und damit Hochrechnungen erstellen. Mit dieser Methode kommen die Autoren zu dem Ergebnis, dass die mineralischen Abfälle mit 397.000 Tonnen den größten Teil ausmachen. Das entspricht etwa 35 Prozent der Gesamtmasse. Metalle lagern in der Deponie immerhin 57.000 Tonnen. Etwa 452.000 Tonnen können der heizwertreichen Fraktion zugeschrieben werden.

Für die Ermittlung des praktischen Ressourcenpotenzials wurde direkt auf der Deponie gebohrt, gebaggert, nachsortiert und beprobt und anschließend die Mengen hochgerechnet. Dabei erzielen die Wissenschaftler im Wesentlichen ähnliche Werte wie bei der theoretischen Analyse. Die Metalle machen hier mit 63.000 Tonnen etwas mehr aus.

Rückbau kostet über 200 Millionen Euro

Um abschließend zu bewerten, wie effizient der Rückbau ist, untersuchen die Wissenschaftler die anfallenden Rückbau- und Aufbereitungskosten, die Erlöse der Rohstoffvermarktung, die entfallende Nachsorge- und Folgekosten und das CO2-Einsparpotenzial.

Anzahl der Mülldeponien in Deutschland in den Jahren 2004 bis 2012Auf der Erlösseite wird dabei folgende Rechnung aufgestellt: Für die Metallmengen wird mit Einnahmen zwischen 35 und 54 Millionen Euro gerechnet. Das CO2-Einsparpotential durch den Einsatz der Sekundärrohstoffe wird unter aktuellen Marktbedingungen mit einem Gegenwert von 7 bis 12 Millionen Euro angesetzt. Den gesamten Energiegehalt der Deponie schätzen die Autoren auf 9,2 bis 10,8 Millionen Gigajoule. Das könnte 317.000 bis 368.000 Tonnen Kohle ersetzen. Allein auf das weitere CO2-Einsparpotential entfielen wiederum bis zu 12,4 Millionen Euro.

Die Kosten wiederum werden unter verschiedenen Voraussetzungen berechnet. Je nach Verwertungsart der Feinfraktion und ähnlichen Materialien – MVA oder MBA – wird der Rückbauch etwa 210 Millionen Euro (MVA) oder 239 Millionen Euro (MBA) kosten. Eine Nachsorge der Deponie, die etwa 50 Jahre lang dauert, wird zwischen 24 und 43 Millionen Euro Ausgaben verursachen.

Anhand dieser Berechnung würde sich ein Rückbau derzeit nur unter den optimalen Bedingungen – nämlich minimale Rückbaukosten und ideale Erlöse – lohnen. Dabei könnten dann 17,5 Millionen Euro erwirtschaftet werden. Im schlechtesten Fall würde der Rückbau einen Verlust von 173 Millionen Euro verursachen. „Auf Basis dieser Ergebnisse ist festzuhalten, dass der Rückbau der Kreismülldeponie Hechingen unter aktuellen Rahmenbedingungen voraussichtlich unwirtschaftlich wäre“, resümieren die Autoren.

Da sich Rahmenbedingungen aber bekanntlich ständig ändern und die Autoren davon ausgehen, dass die Sekundärrohstoffpreise steigen und die Kosten für den Rückbau sinken, lohnt es sich zu warten. Im Jahr 2040 etwa könnten dann 118 Millionen Euro Gewinn mit dem Rückbau gemacht werden, heißt es in der Studie. Weitere 20 Jahre später wird auch im düstersten Szenario noch mit Gewinnen gerechnet. Und je nachdem, wie schnell die Energiewende umgesetzt wird, könnte sich das Landfill Mining auch deutlich früher lohnen.

© 320°/ek | 06.08.2014

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