Neue Konkurrenz

Die Branchengrößen unter den Entsorgern sind aufgeschreckt. Mit der Schwarz-Gruppe schwingt sich ein Wettbewerber empor, der den Markt aufmischen wird. Remondis hat einen gewichtigen Konkurrenten bekommen.

Die Furcht vor dem neuen Marktplayer


Noch Anfang des Jahres war die Schwarz-Gruppe im Entsorgungsmarkt nur gerüchteweise vertreten. Zwar raunte man sich an der einen oder anderen Stelle zu, der Mutterkonzern von Lidl und Kaufland wolle ein eigenes duales System aufbauen, doch mehr als ein Gerücht war es zu diesem Zeitpunkt nicht. Kaum jemand dachte daran, dass der Handelskonzern schon bald eine wesentliche Rolle im deutschen Entsorgungsmarkt spielen wird. Die Firma GreenCycle war zwar bekannt, aber nur als Firma, die das Entsorgungsgeschäft für die Schwarz-Gruppe organisiert.

Ein dreiviertel Jahr später hat sich viel geändert. Die Schwarz-Gruppe hat im Sommer den Entsorger Tönsmeier aufgekauft und ist damit aus dem Stand heraus zum fünftgrößten Entsorger in Deutschland geworden. Und seit kurzem ist auch klar, dass die Schwarz-Gruppe ihr eigenes duales System unter dem Namen „PreZero Dual GmbH“ aufbauen wird. Voraussichtlicher Starttermin: Im Jahr 2020 – sofern bis dahin die bundesweite Zulassung über die Bühne gegangen ist.

Die Schwarz-Gruppe ist damit Sammler, Aufbereiter und Verwerter – und bald auch ein duales System. „Das ist ein ganz neuer, großer Marktteilnehmer, der die ganze Branche gehörig unter Druck setzen wird“, heißt es aus Branchenkreisen. Und vermutlich ist das erst der Anfang einer weitreichenden Expansion. „GreenCycle verfolgt eine klare Wachstumsstrategie und möchte sich verstärkt als Treiber der Kreislaufwirtschaft und mit nachhaltigen Innovationen am Markt etablieren“, erklärte GreenCycle-Geschäftsführer Dietmar Böhm im Juli dieses Jahres.

Fell wird neu verteilt

Die bisherigen Platzhirsche auf dem deutschen Entsorgungsmarkt sind gewarnt. Sie werden die Konkurrenz bald zu spüren bekommen. Allein für die Organisation von Eigenmarken-Verpackungsmüll zahlt Lidl bisher nach Branchenschätzung zwischen 70 und 80 Millionen Euro im Jahr. Bis Ende 2019 läuft noch der Lidl-Vertrag mit dem Kölner Unternehmen Interseroh, das bisher die Entsorgung für Lidl übernimmt. Danach wird die Tochterfirma des Berliner Alba-Konzerns wohl ihren besten Kunden verlieren.

Für die übrigen dualen Systeme ist der Eintritt der Schwarz-Gruppe ebenfalls eine Bedrohung. Der Markt für Verpackungsentsorgung ist in den vergangenen Jahren fragmentierter geworden. Auf dem LVP-Markt tummeln sich der Branchenprimus Grüner Punkt mit einem Marktanteil von knapp 30 Prozent ebenso wie der Branchenneuling Noventiz, der gerade mal auf einen Marktanteil von 1,4 Prozent kommt. Künftig wird das Fell neu verteilt. Dabei wird es um mehr gehen, als nur die Mengen von Lidl, dessen Verpackungsmüll schätzungsweise rund ein Zehntel des Verpackungsmülls im deutschen Handel ausmacht.

Das wird auch Remondis zu spüren bekommen. Deutschlands größter Recyclingkonzern hat nach zwei Jahren Verhandlungen endlich sein Ziel erreicht und vergangene Woche den Grünen Punkt übernommen. Der Eintritt des neuen dualen Systems „PreZero Dual GmbH“ wird sicher auch zulasten des Grünen Punkts gehen. Dessen Umsatz ist in den vergangenen Jahren ohnehin schon deutlich gefallen. Vor 15 Jahren beliefen sich die Erlöse noch auf 1,6 Milliarden Euro. In diesem Jahr wird der Grüne Punkt voraussichtlich einen Umsatz von 490 Millionen Euro ausweisen.

Schwarz-Gruppe hat beste Voraussetzungen

Für Remondis ist die Übernahme dennoch immens wichtig. Zu einen kann der Recyclingkonzern eine Lücke im Unternehmensportfolio schließen und künftig am wachsenden Markt der Verpackungsentsorgung gebührend teilhaben. Und zum anderen kommt der viel wichtigere Aspekt hinzu, dass Remondis seine Chancen auf internationales Wachstum verbessert. „Kunststoffrecycling ist in der aktuellen politischen Diskussion zu Recht weltweit in aller Munde. DSD mit seiner weltweiten Reputation eröffnet uns gerade dafür ganz neue Möglichkeiten“, betonte Remondis-Chef Ludger Rethmann bei der Übernahme des Grünen Punkts.

Noch hat Remondis also einen Vorsprung vor allen anderen. Aber erstmalig gibt es Anlass, die künftige Vormachtstellung von Remondis infrage zu stellen. Der Grund dafür ist weniger eine mögliche Beschränkung oder gar eine Untersagung der Grünen Punkt-Übernahme durch das Bundeskartellamt. Das würde dem Recyclingkonzern ein wichtiges Geschäftsfeld entziehen, nicht aber seinen Status quo als Nummer eins der deutschen Entsorger anfechten.

Viel bedeutsamer ist, dass es seit kurzem einen Wettbewerber gibt, der Remondis ernsthaft das Wasser abgraben könnte. Die Schwarz-Gruppe kommt auf einen Umsatz, der dreizehnmal größer ist als das Umsatzvolumen von Remondis. Der Handelskonzern hat damit die nötige Größe und das notwendige Kapital, um Remondis gehörig unter Druck zu setzen. Hinzu kommt, dass der Konzern auch international gut aufgestellt ist. Von daher wird sich Remondis auf stärkeren Wettbewerbsdruck einstellen müssen. Ob der Recyclingkonzern auch in Zukunft die unangefochtene Nummer eins unter den deutschen Entsorgern sein wird, hängt künftig nicht mehr nur vom eigenen Geschick ab, sondern auch davon, welche Wachstumsstrategie die Schwarz-Gruppe verfolgt.

 

© 320° | 01.10.2018

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