Interview

Stephan Karle, Geschäftsführer von Karle Recycling, will mit zwei Partnern einen Recyclingpark in Stuttgart betreiben. Sein Vorhaben stößt auf Widerstand einer Bürgerinitiative. Im Interview erklärt Karle, worum es in dem Streit geht und weshalb er mittlerweile Abmahnungen ausgesprochen hat.

„Die Gegner nutzen die ganze Klaviatur“


Die drei mittelständischen Firmen Karle Recycling, Degenkolbe Recycling und Fischer Weilheim wollen gemeinsam den Recyclingpark Neckartal im Norden von Stuttgart betreiben. Der Standort ist ein ehemaliger Steinbruch der Firma Lauster, der seit 30 Jahren als Recyclingstandort genutzt wird – unter anderem zeitweise von Alba und Remex.

Die drei Firmen wollen im Recyclingpark Papier, Kunststoffe und mineralische Abfälle recyceln. Außerdem soll ein Wertstoffhof betrieben werden. Geplant ist ein durchschnittlicher Jahresdurchsatz von etwa 336.000 Tonnen Bauschutt und 22.000 Tonnen weitere Abfälle wie Altholz, Altglas und Sperrmüll. Beantragt wurde jedoch die doppelte Menge. Außerdem soll die bestehende Altpapieranlage mit jährlich rund 100.000 Tonnen unverändert weiterbetrieben werden.


Visualisierung RC-Parl Neckartal

Visualisierung des Recyclingparks Neckartal, Foto: Karle Recycling

Gesellschafter des Recyclingparks Neckartal sind jeweils zu Hälfte die Firmen Karle Recycling und Fischer Weilheim. Die GmbH wurde im Juni 2015 gegründet. Den Antrag für die Nutzung des Areals hat die GmbH im Jahr 2016 beim zuständigen Regierungspräsidium Stuttgart eingereicht. Das Genehmigungsverfahren findet mit Beteiligung der Öffentlichkeit statt. Im April dieses Jahres wurde ein Erörterungstermin durchgeführt.

Karle Recycling ist ein Schrottaufbereiter mit Sitz in Stuttgart, der auch Baustellen entsorgt, einen Mulden- und Containerdienst betreibt und sich um Sondermüll kümmert. Vor einigen Jahren ist Karle Recycling mit Degenkolbe ein Joint Venture eingegangen und ist mit 50 Prozent daran beteiligt.

Degenkolbe Recycling ist ein Altpapierrecycler, der seinen Sitz ebenfalls in Stuttgart hat. Im nächsten Jahr wird das Unternehmen 100 Jahre alt. Es ist 2017 an den neuen Standort in den Recyclingpark gezogen und hat die Genehmigung, dort Altpapier zu pressen. Fischer Weilheim hat seinen Sitz in Weilheim an der Teck und ist als großes Erdbau- und Abbruchunternehmen auch im Baustoffrecycling tätig.

Herr Karle, Sie sind seit einigen Wochen im Clinch mit einer Stuttgarter Bürgerinitiative, die gegen Ihren geplanten Recyclingpark mobil macht. Wie festgefahren ist der Streit bereits?

Karle Recycling
Karle Recycling

Nun ja, die Fronten sind schon zunehmend verhärtet. Man braucht bei einer solchen Auseinandersetzung sicherlich einen langen Atem. Ich habe schon viele Gesprächsangebote gemacht und Treffen angeboten. Wir kommunizieren aktiv und gehen auf Fragen ein. Es rufen teilweise auch Politiker bei mir an, die durch die öffentliche Diskussion verunsichert sind. Sie lassen sich dann unser Vorhaben nochmal erklären – obwohl eigentlich alles schon besprochen ist.

Wer steht hinter der Bürgerinitiative?

Der Gegenwind kommt von einer Bürgerbewegung, die aus wenigen lauten Vertretern besteht. Das sind dieselben, die auch schon bei Stuttgart 21 ganz vorne mit dabei waren. Die nutzen die ganze Klaviatur an Maßnahmen – von Mails über Protestveranstaltungen, verschaffen sich illegal Zugang zum Areal, bis hin zur Testbesuchen bei uns. Alles mit dem Ziel, die Genehmigung für den Recyclingpark zu verhindern. Sie wünschen sich für den Standort eine kulturelle Nutzung und sind der Meinung der Zweck heiligt die Mittel.

Was wirft man Ihnen vor?

Unter anderem wird uns vorgeworfen, wir würden in einem Gebiet, in dem Heilquellen austreten, gefährliche Abfälle ablagern, die das Wasser kontaminieren könnten. Das ist natürlich Unsinn. Material wie Kühlschränke, Bleibatterien etc. wird in gesicherten Containern und auf versiegelten Flächen gelagert. Beim Abfallerzeuger in der Garage, im Freien oder auf dem Dachboden können diese viel mehr Schaden anrichten. Das versuche ich auf jeder Infoveranstaltung und mit Flyern sowie einer Webseite ständig klar zu machen.

Auch die zu verarbeitenden Mengen, die Sie beantragt haben, machen den Gegnern offenbar Sorgen. Beispielsweise wird mehr Lkw-Verkehr befürchtet.

Ja, aber auch hier betonten wir immer wieder, dass wir deutlich mehr Mengen genehmigt haben wollen, als wir tatsächlich verarbeiten werden. Bei mineralischen Baustoffen stehen im Antrag 628.500 Tonnen pro Jahr und tatsächlich werden wir etwa im Schnitt jährlich 336.500 Tonnen verarbeiten. Bei der Abfallverwertung sind es rund 40.000 Tonnen und die tatsächliche Gesamtmenge wird wohl bei etwas unter 22.000 Tonnen liegen. Tatsächlich wird es übrigens nur sehr lokal zu zusätzlichem Verkehr führen. Für die Stadt gesehen ist der Standort wichtig für die Reduzierung von LKW-Verkehr. Die logistische Funktion zentraler Recyclingplätze ist ja unzweifelhaft.

Wieso beantragen Sie so hohe Mengen, wenn sie tatsächlich viel weniger benötigen?

Wir wollen lediglich für Spitzenwerte und -Lieferungen vorbereitet sein. Die Genehmigungsmenge ist ein maximaler Jahresdurchsatz, der in der Realität nie erreicht werden kann. Auch das erkläre ich immer wieder.

Die Bürgerbewegung behauptet auch, Sie arbeiten auf dem Gelände bereits, ohne dass Sie die erforderliche Genehmigung haben.

Auch das stimmt nicht. Die Firma Degenkolbe hat schon seit dem Jahr 2017 die Genehmigung, auf dem Gelände Papier zu pressen und einen kleinen Wertstoffhof zu betreiben. Es liegen sogar weit umfangreichere Altgenehmigungen vor. Zu diesen falschen Aussagen mussten die Gegner bereits Unterlassungserklärungen unterzeichnen. Auch der Vorwurf, wir würden quecksilberhaltiges Material, gemeint sind übrigens zwei Leuchtstoffröhren, annehmen, ist falsch. Da haben Testbesucher den Abfall nicht richtig angemeldet und im AzV untergemischt. Mittlerweile haben wir die Bürgerinitiative mehrfach abgemahnt, auch wegen illegal verwendeter Bilder. Eine Anzeige ist in der Mache.

Wie wird die Sache nun weitergehen?

Ich bin mir sicher, dass wir die Genehmigung bekommen werden. Das ist ja keine politische Frage, sondern es gibt einen Rechtsanspruch darauf – sofern alle Regeln beachtet werden und die erforderlichen Unterlagen eingereicht werden. Das haben wir getan und auch schon für ca. 250.000 Euro erforderliche Artenschutzmaßnahmen durchgeführt. Ich denke, dass wir in den kommenden acht Wochen die Genehmigung bekommen werden. Dann können wir die Baumaßnahmen fortführen.

Wird dann Ruhe einkehren?

Das wäre natürlich wünschenswert. Ich gehe aber davon aus, dass die Gegner mindestens eine gerichtliche Überprüfung durch Klage anstrengen werden. Ich finde das gut, dann bleiben keine Zweifel offen.

 

© 320° | 26.07.2018

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