Interview

Die künftige Beschränkung der Kunststoffabfallexporte dürfte die Nachfrage nach Verbrennungskapazitäten weiter erhöhen. ITAD-Geschäftsführer Carsten Spohn erklärt im Interview, wie er die weitere Entwicklung am MVA-Markt einschätzt und welche Rolle dabei der Verbrennungspreis spielen wird.

„Die Situation könnte sich weiter zuspitzen“


Die 187 Staaten des Basler Übereinkommens haben sich Ende vergangener Woche darauf geeinigt, den Export von Kunststoffabfällen zu beschränken. Künftig dürfen Kunststoffabfälle nur dann exportiert werden, wenn sie gereinigt, sortenrein und recycelbar sind. Für den Export aller anderen Kunststoffabfälle wird künftig weltweit eine Zustimmung der Behörden der Export- und der Importstaaten erforderlich sein. Der Export schlecht recycelbarer Abfälle aus der EU in Entwicklungsländer wird nach Angaben des Bundesumweltministeriums ab 2021 untersagt.

Carsten Spohn ist Geschäftsführer der Interessengemeinschaft der Thermischen Abfallbehandlungsanlagen in Deutschland (ITAD). Der Verband vertritt die Interessen der Betreiber und Eigentümer der thermischen Abfallbehandlungsanlagen. Dazu zählen klassische Siedlungsabfall-Verbrennungsanlagen, Ersatzbrennstoffkraftwerke und Klärschlammverbrennungsanlagen.

Herr Spohn, der Export von Kunststoffabfällen soll künftig deutlich eingeschränkt werden. Das klingt wie ein neues Konjunkturprogramm für Müllverbrennungsanlagen, oder?

ITAD

Grundsätzlich sind die neuen Regelungen natürlich zu begrüßen. Wir haben ja schon seit langem darauf hingewiesen, dass die sogenannte Verwertung von Kunststoffabfällen im Ausland zum Teil sehr kritisch zu sehen ist, insbesondere bei weniger guten Qualitäten, für die aus unserer Sicht viel eher eine energetische Verwertung in Mono- oder Mitverbrennungsanlagen gesprochen hätte. Von einem Konjunkturprogramm würde ich aber nicht sprechen. Die Anlagen unserer Mitglieder sind schon seit geraumer Zeit sehr gut ausgelastet.

Dennoch werden die Entsorgungsanfragen bei Ihren Mitgliedsunternehmen wohl zunehmen. Wird es vor allem eine Frage des Preises sein, ob die Verbrennungsanlagen das Material annehmen werden?

Natürlich hat die Vergangenheit gezeigt, dass eine erhöhte Nachfrage nach Verbrennungskapazitäten bzw. energetischer Verwertung einen Einfluss auf den Spotmarkt hat. In der aktuellen Situation glaube ich aber, dass es weniger eine Frage des Preises sein wird, sondern vielmehr eine Frage der tatsächlich verfügbaren Kapazität einer Anlage. Dass es hier regional zum Teil sehr knapp ist, zeigt uns die Entsorgungssituation für Gewerbeabfälle zur energetischen Verwertung beispielsweise in Süddeutschland. Und wenn man weiterdenkt, dann hilft ein hoher Heizwert, welchen nicht-recyclebare Kunststoffabfälle oder Sortierreste aus der Kunststoffaufbereitung typischerweise besitzen, auch nicht wirklich, da durch einen höheren durchschnittlichen Heizwert im Input auch die Kapazität der Anlage proportional sinkt.

Möglicherweise würde ein höherer Verbrennungspreis helfen, dass sich eine tiefergehende Sortierung der Kunststoffabfälle lohnt.

Ich glaube nicht, dass sich der Erfolg des Kunststoffrecycling nur auf Basis hoher Verbrennungspreise einstellen wird. Vielmehr werden konstante und qualitativ hochwertige Recyclatmengen aus der Sortierung dafür sorgen müssen, dass sich verlässliche Absatzwege finden. Allerdings bedeutet dies natürlich auch, dass je höherwertiger die Qualität der Recyclate sein soll, destso mehr Sortierreste fallen an.

Das heißt also, dass die Nachfrage nach Verbrennungskapazitäten noch weiter zunehmen wird?

Ja, davon ist auszugehen. Im Sinne einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft kann man nur hoffen, dass diese Fraktionen nach einer Jahrzehnte währenden, fragwürdigen Entsorgungspraxis in Schwellen- und Entwicklungsländern zukünftig nicht in europäische Deponien oder Scheinverwertungsmaßnahmen wandern. Die Brände von Kunststoffabfällen auf osteuropäischen Deponien im vergangenen Jahr haben da ja leider schon einen Vorgeschmack gegeben.

Ist die Entsorgungssicherheit für gemischte Kunststoffabfälle angesichts der künftigen Exportbeschränkungen und der aktuell knappen Verbrennungskapazitäten gefährdet?

Die Entsorgungssicherheit für mittel- und hochkalorische Fraktion außerhalb der Entsorgung andienungspflichtiger Abfälle ist derzeit sicherlich angespannt. Das liegt zum einen an der konstant hohen Menge an andienungspflichtigen Abfällen, für bereits Entsorgungssicherheit besteht, aber sicher auch an der immer noch recht guten wirtschaftlichen Situation in Deutschland mit entsprechenden Gewerbeabfallmengen.

Die Entwicklung dürfte sich vermutlich noch verschärfen, wenn in Zukunft auch die Mitverbennungskapazitäten wegfallen?

Ja, das ist absehbar. Zum Teil sind die Mitverbrennungskapazitäten in den Großfeuerungsanlagen ja schon weggefallen und in naher Zukunft werden voraussichtlich noch mehr fehlen. Daher muss sich die Branche perspektivisch gesehen definitiv Gedanken über das Thema Entsorgungssicherheit machen, unter anderem auch für Abfälle aus dem Kunststoffrecycling. Die Mitverbrennung beispielsweise im Zementwerk bietet zwar noch ein bestimmtes Steigerungspotenzial für den Einsatz von derartigen Abfällen als Ersatzbrennstoff, ist aber limitiert.

Hinzu kommt, dass Europa bis 2035 beziehungsweise 2040 den Ausstieg aus der Deponierung vorschreibt. In Verbindung mit den aktuell verfügbaren Kapazitäten in der Mono- und Mitverbrennung ist zu befürchten, dass die angespannte Situation hinsichtlich der Entsorgungssicherheit von Kunststoffabfällen zumindest nicht entspannter werden wird. Wenn dann noch aus dem Chemikalienrecht weitere Vorgaben für das Kunststoffrecycling bekommen, insbesondere mit Blick auf die kritischen und auszuschleusenden Inhaltsstoffen wie beispielsweise POP-haltige Flammschutzhemmer, dann könnte sich die Situation durchaus weiter zuspitzen.

Was ist die Lösung?

Wir müssen als Verbände der Kreislaufwirtschaft gemeinsam Lösungsansätze entwickeln, die einerseits eine hochwertige stoffliche und energetische Verwertung sicherstellen und anderseits fragwürdige Entsorgungsmaßnahmen im In- und Ausland verhindern. Hierzu gehört in einem ersten Schritt sicher die Identifizierung relevanter Stoffströme, für die möglicherweise nicht ausreichende Entsorgungskapazitäten vorhanden sind. Anschließend sollten wir uns Gedanken über die ökologisch und ökonomisch sinnvollsten Verwertungswege machen und Hemmnisse und Barrieren abbauen, um die Abfälle dann wirklich nachhaltig zu verwerten. Das heißt aber auch, dass man langfristige Lösungen auf einer validen Datenbasis zu den Abfallströmen entwickeln muss, um die Entsorgungssicherheit auch außerhalb der kommunalen Siedlungsabfallwirtschaft zu gewährleisten. Aus meiner Sicht wird uns dieses Thema daher zukünftig noch intensiver begleiten.

 

© 320° | 16.05.2019

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