Recycling von Seltenerdmetallen

Smartphones, Festplatten, Windenergie und E-Mobilität: In allen vier Schlüsselanwendungen ist Neodym enthalten. Doch wie groß sind die Mengen genau? Und wie hoch ist das Recyclingpotenzial? Eine neue Untersuchung liefert überraschende Erkenntnisse.

Die unbekannten Wege von Neodym


Glaubt man vielen Medienberichten, dann ist Neodym für die heutigen Hochtechnologie-Anwendungen unverzichtbar. Auch einige wissenschaftliche Studien gehen davon aus, dass Smartphones, Festplatten sowie Motoren für Windenergieanlagen und E-Mobilität riesige Mengen des Seltenerdelements enthalten. Alleine diese vier Anwendungen beanspruchen demnach etwa 80 Prozent des globalen Bedarfs an Neodym.

Doch inzwischen sind Zweifel an diesen Zahlen berechtigt. Denn ein Wissenschaftler hat untersucht, wie viel Neodym tatsächlich verbaut wird und wie viel davon heute schon für ein Recycling zur Verfügung steht.

Das Ergebnis: Die vier genannten Anwendungsbereiche beanspruchen inklusive E-Bikes nur etwa 33 Prozent des globalen Neodym-Angebots. Wo die restlichen 66 Prozent verbaut sind, sei ungewiss, erklärte Volker Zepf, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Physik der Universität Augsburg auf der Berliner Rohstoff- und Recyclingkonferenz. Darüber hinaus ist das Recyclingpotenzial der Produkte derzeit noch stark begrenzt und wird sich erst ab dem Jahr 2030 verbessern.

Im Einzelnen hat die Untersuchung folgende Ergebnisse hervorgebracht:

Neodym in Notebooks

In Deutschland wurden im Jahr 2013 rund 10 Millionen Desktops und Notebooks verkauft. Diese enthielten der Untersuchung zufolge etwa 10 Tonnen beziehungsweise 11 Tonnen Neodym in ihren Festplatten. Für ein Recycling sind die Geräte aber erst im Jahr 2024 zugänglich. Aber aufgrund der Verkaufszahlen in den vorangegangen Jahren vermutet Zepf, dass schon ab heute jährlich etwa 10 Tonnen Neodym durch Recycling zurückzugewinnen wären.

Neodym in Handys

Mit derselben Methodik wurde das Recyclingpotenzial von Neodym aus alten Handys ermittelt. Jedes Handy enthält durchschnittlich 0,4 Gramm des Elements. Bei einer Weltproduktion im Jahr 2013 von 1,8 Milliarden Stück macht das 720 Tonnen Neodym. 14 Tonnen davon wurden für die 35 Millionen Geräte benötigt, die im Jahr 2013 in Deutschland abgesetzt wurden.

Für das Recycling zugänglich waren im Jahr 2013 laut Zahlen des Branchenverbands der Telekommunikationsanbieter Bitkom 106 Millionen Geräte. Das theoretische Recyclingpotenzial von Neodym aus Handys lag also bei 42 Tonnen, erklärte Zepf. Jedes weitere Jahr kommen ihm zufolge noch 12 Tonnen Neodym hinzu, weil pro Jahr etwa 30 Millionen Neugeräte erworben werden.

Neodym in Windenergieanlagen

Die Zahlen für die dritte Produktkategorie Windenergieanlagen hat Zepf anhand von Produktdatenblättern und installierter Leistung erhoben. Demnach liegt der Anteil an Systemen mit Permanentmagneten, in denen also die Elemente Praseodym, Dysprosium und auch Neodym verbaut sind, bei weltweit acht Prozent oder 26 Gigawatt. Im Schnitt wird in der Studie von 165 Kilogramm Neodym je Megawatt installierter Leistung ausgegangen. Unterm Strich sind also 4.290 Tonnen Neodym weltweit in Windenergieanlagen verbaut.

Die tatsächlich verbauten Mengen an Neodym, Praseodym und Dysprosium seien allerdings unbekannt, erklärte Zepf. Zum Recycling stünden diese Anlagen frühestens im Jahr 2027 an; und dann höchstwahrscheinlich nicht in Deutschland. Denn 23 Gigawatt entfallen auf Anlagen der chinesischen Firmen Goldwind und XEMC in China. Laut Studie werden die restlichen drei Gigawatt der anderen Hersteller außerhalb Chinas ab dem Jahr 2030 für ein Recycling verfügbar sein. Ein Teil der etwa 500 Tonnen Neodym dürfte dem Wissenschaftler zufolge allerdings auch in Deutschland verfügbar sein. Die ersten Anlagen mit Permanentmagneten fallen hierzulande voraussichtlich im Jahr 2025 an.

Neodym im Bereich Elektromobilität

Das höchste Recyclingpotenzial für Neodym bescheinigt die Studie den Produkten der vierten Kategorie E-Mobilität. Allein pro Elektro- / Hybridfahrzeug sind Magnete mit einem Gewicht von 2,4 Kilogramm verbaut. Der Anteil von Neodym liegt bei 30 Prozent. Anhand der weltweit verkauften Fahrzeuge – zwei Millionen im Jahr 2013 – errechnen der Wissenschaftler daraus einen Neodym-Bedarf von 1.440 Tonnen.

Mit einem Recycling der Fahrzeuge ist laut Zepf ab dem Jahr 2027 zu rechnen. Ab dem Jahr 2020 stehen erstmals nennenswerte Mengen in Deutschland zur Verfügung: 2.880 Kilogramm Neodym von 4.000 Fahrzeugen mit Erstzulassung im Jahr 2005. Künftig wird dieser Ertrag wohl höher ausfallen. Denn im Januar 2014 belief sich der Bestand an E-Fahrzeugen bereits auf 100.000 mit einem Neodym-Gehalt von 72 Tonnen. Sollten ab diesem Jahr jährlich 50.000 E-Fahrzeuge hinzukommen, resultiere ab dem Jahr 2030 ein Recyclingpotenzial von 36 Tonnen Neodym pro Jahr.

Neben Elektrofahrzeugen und Hybriden kommen E-Bikes für ein Recycling von Neodym in Betracht. Etwa 30 Millionen Stück wurden nach Angaben der Studie im Jahr 2013 verkauft, davon 410.000 in Deutschland. In eigenen Untersuchungen bestimmte der Augsburger Wissenschaftler ein Neodym-Gehalt von 40 Gramm im Antrieb jedes Elektro-Fahrrads. Somit stecken theoretisch 1.200 Tonnen Neodym weltweit in E-Bikes, in Deutschland sind es 16,4 Tonnen.

Die ersten E-Bike-Rückläufer hierzulande erwarten Zepf nach zehn Jahren Nutzungsdauer, also frühestens ab dem Jahr 2020. Dann könnten acht Tonnen Neodym aus dem Recycling zurückgelangen.

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