Kampf dem toten Winkel

Der Bundestag fordert die schnelle Einführung von Abbiegeassistenz-Systemen für Lkw. Das Problem ist nur: Wirklich wirkungsvolle Systeme, die im Notfall auch automatisch bremsen, gibt es noch gar nicht.

Dringend benötigt: Wirkungsvolle Abbiege-Assistenz-Systeme für Lkw


Die Zahl der tragischen Unfälle beim Abbiegevorgang nimmt zu. In diesem Jahr sind bereits zahlreiche Fahrradfahrer und Fußgänger von Lkw oder Müllwagen beim Abbiegen schwer verletzt oder sogar getötet worden. Erst heute Morgen kam es in Essen zu einem tödlichen Unfall, bei dem Mutter und Kind von einem Müllwagen erfasst wurden.

Vor diesem Hintergrund hat der Bundestag nun die Bundesregierung aufgefordert, nationale Regelungen für eine schnelle Einführung von Abbiegeassistenzsystemen für Lkw zu prüfen und umzusetzen. „Mit der schnellen Einführung einer nationalen Regelung wollen wir ein Signal für Deutschland setzen und den Druck auf die EU erhöhen, zeitnah eine Lösung zu finden“, kommentieren die verkehrspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Daniela Ludwig, und der zuständige Berichterstatter im Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur, Karl Holmeier.

Die CDU-CSU-Bundestagsfraktion unterstützte daneben nachdrücklich die Bemühungen der Bundesregierung, sich auf EU-Ebene für die Nachrüstpflicht von Lkw mit Abbiegeassistenten einzusetzen, wie es heißt. „Da der Marktanteil ausländischer Lkw in Deutschland 40 Prozent beträgt, kann eine umfassende Verkehrssicherheit nur mit einer europäischen Regelung erreicht werden.“

Assistenzsysteme schon für 3,5-Tonner Pflicht?

Damit schließt sich der Bundestag der Forderung des Bundesrats an. Dieser hatte bereits Anfang Juni eine EU-weit verpflichtende Ausrüstung von Lkw mit Abbiege-Assistenten gefordert. Diese Forderung bezieht sich auf Lkw ab 7,5 Tonnen Gesamtgewicht. Im Gegensatz dazu ist der Bundestag der Ansicht, dass schon bei Fahrzeugen ab 3,5 Tonnen Gesamtgewicht ein erhebliches Gefahrenpotenzial für Fußgänger und Radfahrer bestehe.

Die elektronischen Abbiegeassistenten sollen Lkw-Fahrern helfen, Unfälle im sogenannten toten Winkel zu vermeiden. Der Fahrzeugführer wird dabei über akustische, optische und taktile Signale vor anderen Straßenverkehrsteilnehmern im toten Winkel gewarnt, um Kollisionen mit oftmals schweren Folgen für diese zu vermeiden. Doch bislang sind solche Warnsysteme die Ausnahme in der technischen Ausstattung von schweren Nutzfahrzeugen.

Das ist nicht überraschend, denn wirklich wirkungsvolle Abbiegeassistenz-Systeme werden von den Herstellern noch gar nicht angeboten, wie der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) kritisiert. Demnach bietet nur ein einziger Lkw-Hersteller radargestützte Abbiegeassistenten an, die im Gefahrenfall den Fahrer zumindest automatisch akustisch warnen – und das auch nicht einmal für alle Baureihen.

Diese Systeme kommen wohl auch nur für Neufahrzeuge in Frage, denn aufgrund ihrer außerordentlichen Komplexität können sie laut BGL nicht nachgerüstet werden. Abbiegeassistenten, die im Gefahrenfall automatisch bremsen, gebe es derzeit überhaupt nicht zu kaufen.

BGL warnt vor Kamera-Monitor-Systemen

Als Ersatzlösung bieten sich derweil die sogenannten Kamera-Monitor-Systeme an. Der BGL warnt aber vor dem Einsatz dieser Systeme: „Sie können bei weitem kein gleichwertiger Ersatz zu automatisch warnenden und zukünftig automatisch bremsenden Abbiegeassistenten sein.“ Denn sie funktionierten nur über Blickzuwendung.

Das heißt, nur wenn der Fahrer direkt auf diesen Monitor schaut, kann er eine mögliche Gefahrensituation erkennen. Beim Abbiegen müsse er allerdings zusätzlich noch ein halbes Dutzend gewölbte und daher verkleinernde und verzerrende Rückspiegel, den Gegenverkehr, den Querverkehr und den Bereich vor seinem Fahrzeug im Blick haben, um auch dort Gefahrensituationen zu vermeiden, erklärt der BGL.

Er kann also nicht permanent den Kamera-Monitor im Blick haben, ohne andere Verkehrsteilnehmer massiv zu gefährden. Zudem seien sein eigenes Fahrzeug sowie die anderen Verkehrsteilnehmer um ihn herum ständig in Bewegung. Aus diesen Gründen hält der BGL automatisch warnende und zukünftig automatisch bremsende Systeme für unverzichtbar.

 

© 320° | 04.07.2018

Mehr zum Thema
Der längste Streik in der Geschichte der IG Metall
Dopper führt digitalen Produktpass ein
„Wir bieten moderne Büroräume und günstige grüne Energie“