Fehlende Nachfolger

Bei vielen mittelständischen Unternehmen steht in den kommenden Jahren ein Generationenwechsel an. Doch oftmals gibt es keinen Nachfolger. Inzwischen wollen viele Firmen den Betrieb sogar stilllegen.

Dringend gesucht: Chefs von KMU


Auf den deutschen Mittelstand rollt ein Nachfolge-Problem zu: Allein in den kommenden zwei Jahren planen die Inhaber von 236.000 kleinen und mittleren Firmen, ihr Unternehmen an einen Nachfolger zu übergeben. Für rund 100.000 Chefs dürfte die Zeit besonders knapp werden, da der Nachfolger entweder noch nicht gefunden wurde – oder der Inhaber noch gar nicht mit der Suche begonnen hat.

Die ganze Breite des bevorstehenden Generationenwechsels wird offensichtlich, wenn man ein paar Jahre weiter in die Zukunft blickt: Bis 2022 wollen noch einmal 275.000 Seniorchefs ihren Betrieb übergeben, berichtet die KfW-Bank. Bevorzugt wird quer durch alle Branchen- und Größenklassen die Übergabe innerhalb der Familie (54 Prozent). Einen externen Käufer können sich 42 Prozent vorstellen, ein Mitarbeiter oder bisheriger Miteigentümer wird deutlich seltener als Nachfolger in Betracht gezogen (25 bzw. 27 Prozent).

Nachfolge oder Stilllegung?

Nach Angaben der KfW sind aktuell rund 40 Prozent der Inhaber mittelständischer Betriebe älter als 55 Jahre. Doch nicht jeder Unternehmenslenker mit konkreten Rückzugsgedanken hat vor, seinen Betrieb überhaupt fortführen zu lassen. Stattdessen erwägen manche eine Stilllegung. Laut KfW planen aktuell die Inhaber von 331.000 noch aktiven Mittelständlern binnen fünf Jahren die Geschäftsaufgabe. Bei diesen Firmen seien 1,63 Millionen Menschen beschäftigt.

Bei der Frage „Nachfolge oder Stilllegung“ zeigt sich laut KfW eine klare Größenabhängigkeit. Für größere Betriebe mit mehr als 50 Mitarbeitern scheint eine Geschäftsaufgabe kaum eine Option zu sein, nur 5 Prozent ziehen dies in Betracht. Bei den Kleinstbetrieben mit weniger als 5 Beschäftigten liegt der Wert um das Achtfache höher bei 41 Prozent.

Doch nicht überall in Deutschland ist der Generationenwechsel im Mittelstand ein gleich drängendes Problem – es bestehen überraschend große regionale Unterschiede. In Schleswig-Holstein ist bereits fast die Hälfte (46 Prozent) aller Mittelstandschefs 55 Jahre und älter, auch in Thüringen (44 Prozent) und Baden-Württemberg (41 Prozent) sind die Anteile überdurchschnittlich hoch. In diesen Bundesländern werden auch am häufigsten Nachfolger gesucht.

Anders sieht die Lage etwa in Hamburg, Rheinland-Pfalz/Saarland oder Mecklenburg-Vorpommern aus: Hier gibt es mit jeweils rund 30 Prozent deutlich weniger ältere Mittelstandschefs und es stehen kurzfristig weit weniger Nachfolgen an.


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Keine Nachfolge, keine Investitionen

Wie die Analyse von KfW Research zeigt, beeinflusst ein zeitnah anstehender Generationenwechsel in der Inhaberschaft, gepaart mit einem hohen Alter des Unternehmers, erheblich die Investitionsbereitschaft. Ist die Nachfolge unklar, dann bleiben vermehrt Investitionen aus. Umgekehrt stärkt eine geklärte Nachfolge die Investitionsbereitschaft auch bei hohem Inhaberalter.

Am stärksten ausgeprägt ist die Wirkung bei kurzfristig anstehenden Nachfolgen binnen zwei Jahren: Wenn die Nachfolge gesichert ist, dann löse dies ein durchschnittliches Investitionsplus von 40 Prozent im Unternehmen aus, erklärt die KfW.

„Der deutsche Mittelstand steht infolge des demografischen Wandels vor erheblichen Strukturveränderungen. In den nächsten fünf Jahren ziehen sich die Chefs von 842.000 Betrieben in den Ruhestand zurück – mit oder ohne Nachfolger. Jedes fünfte mittelständische Unternehmen ist betroffen“, fasst Jörg Zeuner, Chefvolkswirt der KfW Bankengruppe, zusammen. Negative Folgen für die Wettbewerbsfähigkeit seien angesichts dieser großen Dimension nicht ausgeschlossen – vor allem, wenn die Unternehmer sich zu spät oder gar nicht mit der Frage nach dem Fortbestand ihres Betriebes befassten.

Eine geordnete Übergabe beanspruche in der Regel mehrere Jahre Planung – vor allem, wenn der Nachfolger nicht aus der Familie stamme, gibt Zeuner zu bedenken. „Bei externen Nachfolgern sehen wir seit Jahren allerdings einen größer werdenden Engpass durch sinkende Gründerzahlen. Es fehlt dadurch nicht nur an ausreichend Unternehmernachwuchs in Deutschland, insbesondere übernahmewillige Gründer werden seltener.“

Zuletzt habe diese Zahl gerade bei 62.000 im Jahr 2016 gelegen. Gesunken sei parallel auch die Zahl derer, die sich zumindest an einem bestehenden Unternehmen finanziell und aktiv beteiligen. „Das sind letztlich deutlich zu wenige, um den Bedarf an qualifizierten Nachfolgern zur Weiterführung bestehender Unternehmen zu decken“, so Zeuner.

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