Mikroplastik

Geht es nach der Europäischen Chemikalienagentur ECHA, werden Kunststoffgranulate in vielen Anwendungen verboten – auch in Kunstrasenplätzen. Für Deutschland scheinen sich die Auswirkungen in Grenzen zu halten. Anders sieht es in anderen EU-Ländern aus.

ECHA will Kunststoffgranulate im Kunstrasen verbieten


Kunstrasen hat dem echten Grün einiges voraus: Er ist belastbarer, braucht weniger Pflege und reduziert angeblich die Verletzungsgefahr von Kindern. Nun aber könnten Hersteller des künstlichen Rasens schon bald gezwungen sein, ein anderes Füllmaterial zu verwenden. Denn vor wenigen Tagen hat der Ausschuss für Risikobeurteilung in der Europäischen Chemikalienagentur ECHA empfohlen, dass Kunststoffgranulate für Kunstrasen nicht mehr verwendet werden dürfen.

Ob aus der Empfehlung tatsächlich ein EU-weites Verbot wird, entscheidet sich voraussichtlich erst im kommenden Jahr. Deutschland wäre davon weniger stark betroffen als anderen EU-Länder, meint der bayerische Hersteller von Sportbelägen, Polytan. In Deutschland würden Kunstrasenplätze mit besonders wenig Infill-Material befüllt, weil hier schon seit vielen Jahren umweltbewusster gebaut werde als in den meisten anderen EU-Ländern, erklärt Frank Dittrich, CEO des Sport Group-Konzerns, zu dem auch die Polytan GmbH gehört.

Für Polytan sei deshalb ein Verbot nicht problematisch. „Wir bieten bereits seit Jahren Systeme an, bei denen der Austrag von Kunststoffgranulat nahezu null ist, oder die alternative Füllstoffe enthalten“, sagt Dittrich. Zu den alternativen Materialien, die Polytan als Füllmaterial verwendet, gehört beispielsweise Sand oder Kork. Außerdem habe ECHA in mehreren Statements ausdrücklich betont, dass sie den Kunstrasenplatz nicht infrage stellt, sondern lediglich das Füllmaterial regeln will.

Granulate im Kunststoffrasen schon länger in der Diskussion

Der Einsatz von Kunststoffgranulaten auf den künstlichen Rasenflächen hat bereits mehrfach für Diskussionen gesorgt. So kam das Fraunhofer-Institut 2018 in einer Studie über die Entstehung von Mikroplastik durch Kunstrasenplätze zunächst zu dem Schluss, dass durch „Verwehungen von Sport und Spielplätzen“ eine hohe Belastung für die Umwelt ausgehe – bis zu 11.000 Tonnen jährlich. Nach heftiger Kritik aus der Branche und neuen Zahlen des Deutschen Instituts für Normung DIN und der Gütegemeinschaft RAL, ruderte das Institut zurück. Mittlerweile läuft eine neue Studie zur Bewertung der Kunstrasenplätze. Einige Bundesländer reagierten trotzdem: In Baden-Württemberg wie in Hessen sollen Granulate auf Sportplätzen nicht mehr gefördert werden.

Das von der ECHA vorgeschlagene Verbot betrifft nicht nur Kunstrasen, sondern auch weitere Anwendungen von Granulaten – darunter Produkte zahlreicher andere Branchen wie der Kosmetik-, Chemie- und Agrarindustrie. Gelten soll es nach einer Übergangszeit von sechs Jahren. Für die Generalsekretärin der European Tyre and Rubber Manufacturers‘ Association (ETRMA), Fazilet Cinaralp, hätte das „katastrophale Auswirkungen“, sagte sie beim Online-Treffen der Altreifen- und Gummisparte des Weltrecyclingverbands BIR.

Mit der Entscheidung würde ein wichtiger Markt für Krümelkautschuk wegbrechen. Viele Studien hätten bestätigt, dass Krümelgummifüllungen keine Gesundheitsrisiken darstellten, betonte Cinaralp: „Wir fordern fakten- und wissenschaftsbasierte Regelungen. Wir haben einen schweren Kampf vor uns.“

Kleine Erfolge beim Abfallende von Altreifen-Gummi

Einen Fortschritt gibt es unterdessen bezüglich der Entwicklung von Abfall-Ende-Kriterien für Gummi aus Altreifen. Wie es beim Online-Meeting des BIR hieß, hätten sich Italien, Portugal, die Niederlande und Dänemark auf bestimmte Kriterien verständigt. Voraussetzungen für das Abfall-Ende sei unter anderem, dass bei der Reinigung der Reifen jegliche Oberflächenkontaminationen eliminiert werden. Ferner müsse der Output in zertifizierten Labors getestet werden und die Mitarbeiter in den Recyclinganlagen müssten Schulungen durchlaufen. Laut BIR sind die Chancen gut, dass die Abfallendekriterien im Rahmen der derzeitigen Überarbeitung der EU-Abfallgesetzgebung tatsächlich europaweit harmonisiert und eingeführt werden.

 

© 320°/ek | 18.06.2020

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