Selektive Herauslösung

Eine spezielle Form der Biolaugung verspricht eine hohe Rückgewinnungsquote für Metalle in Müllverbrennungsaschen oder metallurgischen Schlacken. Im Fokus stehen dabei Edelmetalle. Das Verfahren arbeitet mit Mikroorganismen, die Metalle selektiv herauslösen können.

Edelmetall-Ausbeute von bis zu 100 Prozent


Das Biotech-Unternehmen Brain hat eine spezielle Form der Biolaugung für die Rückgewinnung von Metallen unter anderem aus Müllverbrennungsaschen oder metallurgischen Schlacken entwickelt. Bei dem Verfahren, das sich insbesondere auf die Rückgewinnung von Edelmetallen richtet, erledigen spezialisierte Mikroorganismen den Job. Mit ihrer Hilfe könnten Metalle aus feinkörnigen Abfallströmen zurückgewonnen werden, erklärt das Unternehmen.

Brain macht sich dabei die Organismen für verschiedene Verfahren zur Aufbereitung metallhaltiger Abfallströme zunutze. Neben der Bioadhäsion und der Biosorption hat Brain auch eine spezielle Form der Biolaugung entwickelt. „Wir verfügen mittlerweile über eine große Toolbox an Mikroorganismen, die Metalle selektiv herauslösen beziehungsweise anreichern können“, erläutert Esther Gabor, Program Manager Green & Urban Mining bei Brain.

Die Toolbox sei ein Auszug aller Mikroorganismen, die im Brain BioArchiv über die Jahre identifiziert und in Laboren weiterentwickelt worden seien, berichtet Gabor. Diese Bakterien könnten aus diversen Abfall- und Nebenströmen Edelmetalle mit einer Ausbeute von bis zu 100 Prozent extrahieren, abhängig vom Ausgangsmaterial und Metall.

BioXtractor vereint drei Verfahrenstypen

Je nach Ausgangsmaterial und Metall bestücken die Brain-Wissenschaftler ihren Bioreaktor, den sogenannten BioXtractor, mit den passenden Organismen. „Mit dem BioXtractor können die drei Verfahrenstypen Bioadhäsion, Biosorption und Biolaugung zum Einsatz kommen“, sagt Thomas Deichmann, der beim Biotech-Unternehmen für den Bereich Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist.

„Die biologische Rückgewinnung von Metallen beginnt dabei teilweise mit der Aufkonzentration nach dem Prinzip der Bioadhäsion“, so der Ingenieur Deichmann. Das Inputmaterial wird dazu in Wasser suspendiert und die passenden Mikroorganismen werden dazugegeben. Das Ganze wird gerührt, bis die Zielmetalle selektiv mit hydrophoben Organismen bedeckt sind und bei Zustrom von Luftblasen nach oben schwimmen.

„Dieses wertvolle Material wird danach mittels einer Flotationsvorrichtung von der Suspension abgetrennt, wodurch ein edelmetallreiches Konzentrat entsteht“, erläutert die Mikrobiologin Gabor. Dieses Konzentrat könne anschließend durch einen Biolaugungsschritt weiterverarbeitet werden. Die Metalle liegen dann in freier, gelöster Form vor. „Die Störstoffe behalten ihre feste Form, wodurch sie recht einfach abgetrennt werden können.“

Durch verschiedene Filtrationsschritte erhalten die Brain-Wissenschaftler schließlich einen klaren und sterilen Überstand, der frei von Partikeln ist. „Aus diesem Überstand können nun die Edelmetalle mittels Biosorption abgetrennt werden“, sagt Gabor.

Modulare Anlage passt in ISO-Standard-Container

In manchen Fällen reicht auch ein einstufiger Audfbereitungsprozess aus. Bei Asche aus der Müllverbrennung beispielsweise kann schon der erste Schritt ausreichen. „In der Asche befinden sich nur wenige ppm Gold. Beim Anreicherungsschritt erhalten wir mitunter bereits ein marktfähiges Produkt, das seine Abnehmer in Scheideanstalten für Metalle finden kann“, erläutert Gabor. Bei der Behandlung von industriellen Abwässern hingegen könne auf den Anreicherungsschritt verzichtet werden. „Die Metalle lassen sich hieraus direkt per Biosorption herausfiltern.“

Neben seinem modularen Aufbau liege ein weiterer Vorteil dieses Recyclingprozesses darin, dass als Lösungsmittel nur Wasser benötigt werde, betont Deichmann. „Wir können ganz auf starke Säuren wie Salzsäuren oder Königswasser verzichten, die bei anderen chemischen Verfahren zum Einsatz kommen.“ Der pH-Wert dieser wässrigen Lösung sei nahezu neutral. Nicht zuletzt laufe der Prozess bei Raumtemperatur zwischen 27 und 30 Grad Celsius und ohne Überdruck.

Ein weiterer Vorteil sei, dass der BioXtractor eine mobile Einheit ist. Die modular aufgebaute, in sich geschlossene Anlage passt in einen normalen ISO-Standard-Container. „Dadurch können wir metallhaltige Abfallströme direkt vor Ort aufbereiten“, so Deichmann. Das scheint sich vor allem dann zu lohnen, wenn diese Abfallströme nur ein kleiner Teilstrom sind, der ansonsten kostenpflichtig entsorgt werden muss.

Frische Rostasche direkt im BioXtractor verarbeitet

Wie zum Beispiel bei der Abfallverbrennung. „Es muss immer fallspezifisch geprüft werden, wie wir den BioXtractor bestmöglich in laufende Verfahren einbinden können“, so Gabor. Eine Möglichkeit sei, die Asche, die praktisch frisch vom Rost falle, unmittelbar in den Bioreaktor zu geben und die Metalle zu extrahieren.

Mit dem bio-basierten Verfahren lassen sich außerdem Filterstäube beziehungsweise die Feinfraktion aus der E-Schrott-Aufbereitung verarbeiten. Ferner kommt das Verfahren laut Brain auch für Stäube, Schlämme und Aschen aus der stahl- und metallverarbeitenden Industrie infrage. Denn metallurgische Schlacken könnten nach Unternehmensangaben bis zu 20 Kilogramm Gold pro Tonne enthalten sowie viele weitere Metalle.

Mittlerweile hat Brain die Technologie vom Labor- in den Technikumsmaßstab überführt. „Eine integrale Versuchseinheit steht bei uns auf dem Firmengelände in Zwingenberg“, berichtet Deichmann. Bis der BioXtractor ein wirklich marktreifes Produkt ist, müssen die Wissenschaftler allerdings noch ein gutes Stück Weg zurücklegen. Das sagt auch Deichmann: „Gemeinsam mit Partnern vor Ort müssen wir die Technologie noch weiterentwickeln und auf die konkreten Anlagenerfordernisse anpassen.“

 

© 320° | 12.09.2018

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